Studie zu Chancengleichheit an Schulen: Migranten haben es schwerer
Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: Die Gefahr, zum Schulabbrecher zu werden, ist für Migranten noch einmal gestiegen.
Gerade bei der Sprachförderung stellt Wilfried Bos von der TU Dortmund eine besonders starke Benachteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund fest. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern habe sich die Entwicklung zwischen 2009 und 2015 sogar stark verschlechtert. „Ostdeutsche Länder haben seltener Migranten als Schüler, aber die haben es besonders schwer“, sagt Bos.
Deutschlandweit ist der Anteil der Ausländer, die ohne Abschluss die Schule verlassen, zuletzt leicht gestiegen auf nun 12,9 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der 150.000 Schulabbrecher ohne Ausbildung später arbeitslos werde, sei bei Ausländern drei- bis viermal höher als bei Schülern mit deutschem Pass, sagt Jörg Dräger aus dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung.
Bos merkt dazu an, dass für diese Zahlen nur Migranten ohne deutschen Pass gesondert erfasst würden. Bei einer Erfassung aller Kinder mit Migrationshintergrund sei die Quote wahrscheinlich noch höher. Dieser Fehler in der Erhebung sei seit 18 Jahren bekannt, passe aber zum Umgang der Länder mit ihren Daten. Bei ihnen herrsche die Einstellung vor: „Bundeländervergleiche hassen wir wie die Pest.“ Ein Sprecher der Kultusministerkonferenz entgegnet: „Seit der ‚empirischen Wende‘ in der Bildungsforschung sind – auch mit Unterstützung der Länder – die Bestände an Bildungsdaten enorm gewachsen.“
Bedarf an Förderplätzen
So werde der Bedarf an Förderplätzen für Schüler in Bremen zentral erhoben und in Hamburg erhebe jede Schule den Bedarf für sich. Da daran Fördergelder hängen, sei in Hamburg der Bedarf sprunghaft angestiegen.
Bei den Ganztagsschulen sind die Länderunterschiede groß. In Sachsen liegt der Anteil der Ganztagsschüler bei 80 Prozent, in Bayern nur bei 15. Ganztagsschulen habe sich aber bewährt, so Dräger, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe sich verbessert. Allerdings hänge eine Leistungssteigerung immer auch mit der Qualität der Schulen zusammen. Im gebundenen Modell, bei dem Lehrer eine pädagogische Betreuung anbieten, sei diese höher als im offenen Modell, so Dräger. Dort komme es vor, dass Mitarbeiter ohne pädagogische Ausbildung die Schüler nur beaufsichtigten, wirft Bos ein.
Nils Berkemeyer von der Universität Jena sagt: „Einen Mindeststandard herzustellen, ist nicht so schwierig.“ Das zeigten auch die Erfolge, die seit der ersten Pisa-Studie 2002 zu verzeichnen seien. Die Unterschiede zwischen den Ländern aber dürften nicht weiter wachsen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül