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Studie zu Ausbreitung von CoronavirusKita-Schließungen waren unnötig

Laut einer Studie war es nicht angemessen, dass Kitas zu Beginn der Coronapandemie schließen mussten. Arme Kinder litten darunter besonders.

Berlin, 20.04.2020: Kinderzeichnung am Zaun einer geschlossenen Kita

Berlin afp/dpa | Die Schließung von Kindertagesstätten während der Coronapandemie war aus heutiger Sicht nicht notwendig, wie die neue „Corona-Kita-Studie“ zeigt. „Das Schließen von Kitas ist definitiv medizinisch nicht angemessen und wäre auch in dem Umfang, wie wir es damals gemacht haben, nach heutigem Wissen nicht nötig gewesen“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Mittwoch in Berlin. „Es wird keine Schließungen dieser Art mehr geben.“ Lauterbach äußerte sich gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne).

Die Inzidenz liege bei Kita-Kindern noch hinter der von Grundschulkindern und Jugendlichen. Die Übertragungsrate habe im Untersuchungszeitraum bei 9,6 Prozent gelegen.

„Das müssen wir beachten, wenn wir jetzt in die Winterwelle hineingehen“, sagte Lauterbach weiter. Kontaktreduktionen, die Bildung kleiner Gruppen, Masken bei Erwachsenen und das Lüften seien wichtig. „Aber das Schließen von Kitas ist medizinisch definitiv nicht angemessen.“

Sozial benachteiligte Kinder besonders betroffen

Insgesamt gibt es nach Lauterbachs Einschätzung derzeit aber keinen Grund für eine Entwarnung in der Coronapandemie. Es gebe „allenfalls eine Atempause“. Die Krankenhäuser arbeiteten am Limit und „die neuen Varianten bauen sich auf“. Lauterbach mahnte daher zur Vorsicht. Aber „wir sind gut vorbereitet durch die Impfkampagne.“ Es gebe von Tag zu Tag bis zu 100.000 neue Impfungen, zudem gebe es das Pandemieradar und das Abwassermonitoring.

Sozial benachteiligte Kinder waren besonders oft von negativen Folgen wie Infektionen und Kita-Schließungen betroffen, wie aus der von Lauterbach und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) vorgestellten Studie hervorgeht. „Kinder haben in der Pandemie bereits erheblich gelitten – oft weniger am Virus selbst als an den Folgen der Eindämmungsmaßnahmen“, erklärte Paus. „Besonders erschreckt mich, dass ausgerechnet sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche besonders stark betroffen sind und so viele Kinder und Jugendliche psychische Belastungen zeigen.“

Gerade die Kinder, die am dringendsten Zugang zu früher Bildung und Förderung benötigten, unterlägen oft den stärksten Einschränkungen. „In Zukunft muss das Kindeswohl unbedingt an oberster Stelle stehen.“ Hier gehe es um die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen und um Chancengerechtigkeit.

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11 Kommentare

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  • Na sowas. So richtig alt ist diese Erkenntnis nicht. Aber im Kosmos von Hr. Lauterbach brandneu.

  • Die Gesundheit der Kita-Kinder war niemals wirklich der Grund für die Kita-Schließungen. Der wirkliche Grund war das damit einhergehende Zeichen und die Tatsache, dass mindestens ein Elternteil zu Hause bleiben musste. Das dürfte die Pandemie verlangstamt haben, wird sich jedoch kaum in irgendwelchen Studien niederschlagen.

    • @DiMa:

      Eine abenteuerliche Theorie die sie da haben!

  • Schön, dass das nach über zwei Jahren auch mal jemanden aufgefallen ist...

  • Naja im Nachhinein zu meckern ist immer einfach. Fakt ist, es wusste keine genau und von daher ist eine rückwärtsgewandte Betrachtung auch recht unerheblich. Allein die Schlagzeile nährt doch Verschwörungstheorien. Finde ich nicht wirklich gelungen.

    • @Nobodys Hero:

      Eigene gesundes Misstrauen gegenüber der Coronapolitik der der Bundesregierung aber auch die der Landesregierungen ist mehr als angebracht! Wie falsch diese corona-politik ist und war, sieht man an dem vernichtenden Urteil welches der Sachverständigenrat ausgesprochen hat!

    • @Nobodys Hero:

      "... nährt doch Verschwörungstheorien. "

      Aber man/frau wird doch wohl kritisch hinterfragen dürfen?

      • @lutz thomas:

        Aber es bringt ja im Nachhinein nichts mehr. Es vergrößert nur das Mißtrauen. Und die Entscheidungen sind halt nunmal getroffen worden, nicht weil sie die besten per se waren, sondern weil sie in dem Moment als die besten erschienen.

        • @Nobodys Hero:

          "...sondern weil sie in dem Moment als die besten erschienen."



          Was zu bezweifeln ist. Fakt ist, dass sich namenhafte Wissenschaftler kritisch geäußert haben und diffamiert wurden.



          Das wird in den nächsten Monaten immer deutlicher zu lesen sein. Vielleicht auch in der TAZ.

          • @lutz thomas:

            "Die" richtig gute Lösung gab es dummerweise nicht.

            Selbst wenn man alle einzuberechnenden Faktoren zu 100% kennen würde, geht daraus nicht hervor, was die beste Lösong gewesen wäre. Denn im Kern geht es nunmal um die Fragestellung Freiheit vs. Sicherheit. Und die beurteilt jeder unterschiedlich.

            Die von ihnen angesprochenen Geringschätzungen von Experten - wirkliche Diffamierungen gab es in dem Bereich seltener - haben den Diskurs allerdings schon sehr negativ beeinflusst, genauso wie die übertriebene und unsachliche Darstellung der Gefahren in den Medien.

            Hier ist durchaus viel Vertrauen in den politischen Diskurs zerstört worden. Der wissenschaftliche Diskurs hatte eigentlich funktioniert, wurde aber durch Medien und Politik lange Zeit nur einseitig aufgenommen.

            Mal zur Einordnung:



            - ernstzunehmende Experten, z.B.: Drosten, Schmidt-Chanasit, Stöhr, Streeck, Ioannidis(! bei letzterem musste man wirklich von Diffamierung sprechen, dabei sind seine Resultate mittlerweile mehrfach bestätigt worden)



            - aus dem Rahmen fallende Pseudo-Experten: Bakdhi, Feigl-Ding (eigens wegen Panikmache von letzterem hat sich die dänische Regierung zu einem Faktencheck genötigt gesehen)

            • @Co-Bold:

              Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass Wissenschaft viel Geld kostet und es die unabhängige Wissenschaft an den Universitäten praktisch seit 30 Jahren nicht mehr gibt. Wissenschaft hat weniger mit Wahrheit zu tun, sondern mehr mit Wirtschaft. Da bestehen Abhängigkeiten die den wissenschaftlichen Exkurs beeinflussen. Wer das als Verschwörungstheorie abtut hat wirklich den Schuss nicht gehört. Aber ich gebe ihnen Recht, -die Lösung gibt es nicht- Wissenschaft lebt von der Diskussion.