Studie zu Aufrüstung und Erderwärmung: Warum Klimapolitik auch Sicherheitspolitik ist
Investitionen gegen die Erderhitzung würden in der EU den Bedarf an Verteidigungsausgaben senken, zeigt eine Studie – und fordert Umdenken.
Sicherheits- und Klimapolitik stehen in öffentlichen Debatten häufig in Konkurrenz zueinander. Das dass ein Fehler sei, lässt sich besonders gut am russischen Angriffskrieg erkennen, so die Idee der Autor*innen. Denn Russland finanziert den Krieg zu großen Teilen durch Einnahmen aus Ölexporten. „Dadurch, dass die EU Öl importiert, beeinflusst sie den Ölpreis auf dem Weltmarkt und damit auch die russischen Staatseinnahmen, unabhängig davon, ob sie russisches Öl einkauft oder nicht“, sagt Ökonom Wanner. Pro Euro, der weniger für Öl und stattdessen für Erneuerbare Energien ausgegeben wird, fließen 13 Cent weniger in die russische Kriegskasse, errechnet der Bericht.
Um die Höhe der geopolitischen Kosten zu beziffern, orientiert sich die Studie am Verhältnis russischer und europäischer Ausgaben für den Ukraine-Krieg. Inklusive Wiederaufbaukosten liegen die Ausgaben der EU demnach etwa dreimal höher als jene Russlands. Aus diesen Komponenten errechnen die Autor*innen, dass die EU pro verhindertem Öl-Euro 37 Cent an Rüstungsausgaben sparen könnte. Insgesamt wären es bis zu 104 Milliarden pro Jahr, würde Europa gänzlich auf Öl verzichten.
„Grundsätzlich macht die Rechnung ökonomisch absolut Sinn“, sagt Levi Henze von der Denkfabrik Dezernat Zukunft, „auch wenn die tatsächlichen Kosten pro Euro Ölimport geringer ausfallen könnten.“ Denn: Ob Russland tatsächlich 100 Prozent der Gewinne aus Ölexporten ins Militär stecke, wie es die Studie annimmt, sei fraglich.
Autokraten kontrollieren fossile Brennstoffe
Laut Co-Autor Wanner liefern die Ergebnisse eine ökonomische Rechtfertigung für viele Klimaschutzmaßnahmen schon allein aus geopolitischen Motiven, etwa einen CO-Preis von mindestens etwa 60 Euro oder eine Öl-Steuer von 37 Prozent. „Besonders im Verkehrssektor ließe sich noch viel einsparen“, so Wanner. Auch einzelne Maßnahmen könnten hier große geopolitische Erträge erzielen. So würde etwa ein Tempolimit auf Autobahnen bis 2030 theoretisch rund 2 und eine frühere Durchsetzung rigider Flottengrenzwerte auf EU-Ebene 3 Milliarden Euro einsparen.
„Fossile Brennstoffe werden überwiegend von Autokraten kontrolliert“, sagt Wanner. Die Aussagen der Analyse gehen daher über Russland hinaus. Die Überlegung, dass Klimaschutz Auswirkung auf unsere Sicherheit hat, sei nicht neu, sagt auch Henze vom Dezernat Zukunft. „Energieimporte bergen immer auch ein Risiko.“ Im öffentlichen Diskurs werde das bisher zu wenig berücksichtigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ahmed Mohamed Odowaa
Held von Aschaffenburg soll Deutschland verlassen
Zollstreit mit den USA
Die US-Tech-Konzerne haben sich verzockt
Putins hybrider Krieg
Verschwörung, haha, was haben wir gelacht
Streit um Atomkraft
Union will sechs AKWs reaktivieren
Rechte Politik in Mecklenburg-Vorpommern
Ich will mein Zuhause nicht wegen der AfD aufgeben
Streit um Omri Boehm in Buchenwald
Der Kritiker stört