Studie über Permafrostböden: Tickende CO2-Zeitbomben
Weltweit erwärmen sich dauergefrorene Böden, wie eine Studie zeigt. Das Problem: Dadurch könnte eine Menge Treibhausgas freigesetzt werden.
Erst wenn Böden zwei Jahre oder länger gefroren sind, sprechen Forscher von Permafrostböden. Nach neueren Schätzungen binden sie knapp 1,7 Billionen Tonnen Kohlenstoff, also doppelt so viel wie sich derzeit in der Atmosphäre befinden. Etwa ein Viertel der weltweiten Landflächen sind Permafrost-Regionen.
„Wenn die Permafrostböden sich über 0 Grad Celsius erwärmen und tauen, dann zersetzen Bakterien das darin erhaltene organische Material wie Pflanzenreste und Tierkadaver“, erklärt Studienautor Boris Biskaborn vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Potsdam. Das führt laut Biskaborn dazu, dass aus dem Kohlenstoff dann CO2 und Methangas entsteht und so immense Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre geraten. „Das globale Klimasystem wäre betroffen.“
Der Weltklimarat schätzt, dass bei einer globalen Erwärmung um 2 Grad Celsius 6,6 Millionen Quadratkilometer der 22,8 Millionen Quadratkilometer Permafrostboden auftauen würde, also mehr als ein Viertel aller Flächen.
Böden erwärmen sich gleichzeitig mit der Luft
Kipppunkte nennen Forscher Ereignisse wie das großflächige Auftauen von Permafrostböden, weil solche Ereignisse drastische, unumkehrbare Auswirkungen auf das Klima haben. Auch spätere CO2-Reduktionen können die Folgen nicht mehr abfedern.
Global gesehen sind die Bodentemperaturen für die Permafrostregionen um durchschnittlich 0,3 Grad gestiegen, wie die Ergebnisse der Untersuchung zeigen. Solche Böden sind vor allem in arktischen Regionen verbreitet, wie zum Beispiel in Grönland, Alaska oder Sibirien.
Für die Studie haben Forscher aus 154 Bohrlöchern rund um den Globus Proben genommen. „All diese Daten zeigen uns, dass sich der Permafrost nicht nur lokal und regional erwärmt, sondern weltweit und nahezu im Takt mit der Klimaerwärmung“, erklärt Forscher Guido Grosse vom AWI. Das führe vor allem in der Arktis zu einer starken Erwärmung der Luft und zu größeren Schneedicken.
In Sibirien gibt es die größten Temperatursprünge
„Die Schneedecke ist eine Schicht, die den Boden von der Atmosphäre trennt und wie ein Iglu isoliert“, sagt Biskaborn. „Dadurch wird der Permafrostboden von den sehr kalten Temperaturen im Winter abgeschnitten, die den Permafrost eigentlich abkühlen würden.“ Früherer Schnellfall im Winter führt deshalb zur Erwärmung des Permafrosts.
Die Bodentemperaturen sind sensibel gegenüber veränderten klimatischen Bedingungen. Das ist auch wichtig, weil sich die Atmosphäre in den Polarregionen und Hochgebieten schneller erwärmt hat, als anderswo.
An manchen Bohrlöchern wie in Teilen Sibiriens wurden Temperatursprünge um bis zu 1 Grad Celsius gemessen, während sich die dortige Luft im selben Zeitraum nur um durchschnittlich 0,61 Grad Celsius erwärmt hat.
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