Studie über Frauen in der Pandemie: Der politische Wille fehlt weiter
Frauen gehören zu den Verliererinnen der zurückliegenden Corona-Jahre. Das kommt nicht überraschend, macht aber dennoch wütend. Ein Wochenkommentar.
![](https://taz.de/picture/5571286/14/280488088-1.jpeg)
E s ist ja nicht so, dass man es nicht schon vor Corona gewusst hätte, all diese gesellschaftlichen Schieflagen bei der leidigen Frage nach der Gleichberechtigung der Geschlechter. Frauen verdienen im Schnitt schlechter als Männer („Gender Pay Gap“), weil sie häufiger in schlechter bezahlten Berufen arbeiten. Mitunter werden sie auch gar nicht bezahlt, das nennt sich „Care-Arbeit“, meint die Pflege von Angehörigen und die Beaufsichtigung der Kinder, und auch da sind Frauen überrepräsentiert.
Natürlich hängt das erstere auch mit dem letzteren zusammen: Wer weniger verdient, nimmt meist die längere Auszeit, macht ja finanziell auch Sinn – zum Beispiel, wenn die Kinder klein sind. 27,6 Prozent der Väter in Berlin bezog 2021 überhaupt Elterngeld, weiß das Statistische Bundesamt. Man könnte sagen: Super, das war ja eine Generation zuvor noch anders! Man könnte auch sagen: Puh, nicht mal ein Drittel der Väter.
Zudem blieben die Berliner Väter 2020 im Schnitt maximal fünf Monate zu Hause (Mütter: 13 Monate). Das wiederum haut viele Frauen nachhaltig aus ihrem Job raus. Und dann ist es auch nicht mehr weit bis zum Thema Altersarmut.
Wie sehr also alles mit allem zusammenhängt, hat jetzt auch noch mal das Wissenschaftsentrum Berlin für Sozialforschung in einem Bericht zusammengefasst: „Die Auswirkungen von Covid-19 auf die wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen in Berlin“, heißt die Studie. Sie wurde diese Woche vorgestellt.
„Für eine große Anzahl von Frauen – insbesondere Mütter – war es zu Beginn der Pandemie wahrscheinlicher, ihre Arbeitszeit zu reduzieren als für Männer“, schreiben die Autor*innen der Studie. Warum? Naja, sie verdienen halt schlechter, also können sie sich im Homeoffice um die Kinder kümmern. Oder, wie die Studie es formuliert: „Aufgrund geschlechterspezifischer Einkommensunterschiede waren die mit Kurzarbeiter- oder Ar-beitslosengeld einhergehenden finanziellen Einkommensverluste für Frauen besonders gravierend.“ Bei der „Aufteilung der Sorgearbeit“ leisteten Frauen weiterhin „den Löwenanteil“.
Das ist nicht die Schuld der Frauen. Auch wenn man mitunter fragen möchte, warum sich längst nicht mehr Frauen, gerade auch in akademischen Berufen, nicht – zum Beispiel – eine gerecht aufgeteilte Elternzeit aushandeln in den gleichberechtigten Partnerschaften, die sie zu führen vorgeben. Finanziell müssten viele verzichten, aber nicht für alle wäre es ein unmöglicher Verzicht.
Und damit das niemand falsch versteht: Jede Frau, die 12 Monate beim Kind sein will, soll das tun, es ist eine großartige Zeit. Aber die Statistiken spiegeln seit Jahren sicherlich nicht nur die freie Entscheidung von Frauen für 12 bis 14 Monate Elternzeit wieder.
Nicht die Frauen sind schuld
Und deshalb sind nicht die Frauen schuld, sondern die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die letztlich auch diese Generation, die jetzt auch politisch am Ruder ist, weiter fortschreibt. Corona, schreiben die Studienautor*innen, habe „die bestehenden Geschlechterungleichheiten wie durch ein Brennglas sichtbarer“ gemacht und „teilweise verstärkt“.
Dem muss man keineswegs ohnmächtig zusehen. Man könnte, nach all der Analyse, auch ins Handeln kommen. Zum Beispiel könnte man endlich mal die finanzielle Nicht-Wertschätzung der sogenannten „systemrelevanten Berufe“ (erinnert sich noch jemand an diese Vokabel?) angehen, die vor allem von Frauen gemacht werden: der Kassenjob im Supermarkt, der Erzieherinnenjob im Kindergarten.
Die Berliner Grünen-Abgeordnete Bahar Haghanipour forderte kürzlich in einem Gastkommentar in der taz, dass Konjunkturprogramme post-corona stärker auf Frauen zielen müssten: Gerade mal 4,25 Prozent der staatlichen Gesamthilfen entfielen derzeit auf frauendominierte Branchen.
Immerhin: Für die Kita-Erzieherinnen im kommunalen Dienst hat die Gewerkschaft Verdi diese Woche 130 Euro mehr pro Monat und zusätzliche Entlastungstage ausgehandelt (dieser Tarifvertrag gilt aber nicht in Berlin).
Das ist vermutlich einfach das Tempo, mit denen es in Sachen Gleichberechtigung vorangeht.
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