Studie der OECD: Klimaschutz stärkt die Wirtschaft
Ambitionierter Klimaschutz ist gut für die Wirtschaft, zeigt eine Studie. Noch nicht einmal einberechnet sind die verhinderten Klimakatastrophen.
Die Weltgemeinschaft hatte sich 2015 im Pariser Klimaabkommen auf das 1,5-Grad-Ziel geeinigt. Dafür werden regelmäßig neue Etappenziele der Länder fällig. Dieses Jahr müssen sie melden, wie sie ihren Anteil am Klimaschutz bis 2035 leisten wollen. Bisher laufen die weltweit beschlossenen Maßnahmen zum Klimaschutz auf eine deutlich höhere Erderhitzung hinaus. Laut dem Projekt Climate Action Tracker mehrerer Klima-Denkfabriken sind es derzeit 2,2 bis 3,4 Grad.
Würden sich die Länder 1,5-Grad-konforme Ziele setzen, so die aktuelle Studie, würde die Weltwirtschaft bis 2040 um 0,2 Prozent schneller wachsen als mit dem derzeitigen Kurs. Bis 2050 rechnet die OECD mit drei Prozent zusätzlichem Wachstum und bis 2100 mit 13 Prozent.
Jochen Flasbarth (SPD), Klima-Staatssekretär im Umweltministerium, sagte zur Studie, nicht Klimaschutz gefährde unseren Wohlstand, „sondern zu wenig Klimaschutz. Das sind wichtige ökonomische Argumente für alle Staaten, die gerade weltweit an neuen Klimaplänen arbeiten.“
Kritik von den Grünen
Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, kritisierte angesichts der Studienergebnisse die Vorhaben der Bundesregierung: Anstatt international als gutes Beispiel voranzugehen, wolle die schwarz-rote Koalition „lieber im Wattenmeer und am Ammersee nach Gas bohren und unser Geld in fossilen Subventionen versenken.“
Sie halte es für einen Skandal, dass das Umweltministerium von Carsten Schneider (SPD) Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hier nichts entgegensetze, sagte Badum der taz. „Sonntagsreden kann man sich dann sparen.“
Der Studie zufolge sorgt ambitionierter Klimaschutz zwar für etwas höhere Preise und dadurch sinkende Nachfrage. Die Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz glichen das weltweit aber aus, weil sie Produktivität und Innovationen fördern.
Zusätzlich könnten die Einnahmen aus einer Bepreisung von CO2-Emissionen neu investiert oder den Bürger*innen zurückgegeben werden und so die Nachfrage wieder stärken.
Klimaschutz sogar gut, ohne Klimafolgen einzurechnen
In ihrer Modellierung stellen die Studien-Autor*innen aber auch fest, dass Länder, die vor allem auf den Export fossiler Brennstoffe angewiesen sind, durch Paris-konforme Klimaschutzpolitik ein weniger hohes Wirtschaftswachstum erreichen werden als durch ihre derzeitige Politik.
Am meisten profitieren würden Länder mit niedrigen Einkommen, bis 2050 könnten zudem 175 Millionen mehr Menschen aus extremer Armut entkommen.
Kaum einberechnet in die 0,2 Prozent zusätzliches Wirtschaftswachstum im Jahr 2040 sind die langfristigen Klimafolgen einer hapernden Klimapolitik auf derzeitigem Pfad. Schließlich ist zu erwarten, dass Naturkatastrophen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts durch den Klimawandel noch heftiger und häufiger werden als schon heute.
Die Studie modelliert überdies nicht, wie es sich auf die Wirtschaft auswirkt, wenn zum Beispiel der Amazonas-Regenwald oder die antarktischen Eisschilde kippen und nicht mehr in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden können.
All das bedeute, dass der positive Effekt angemessener Klimapolitik in der Studie eher unterschätzt werde, schreiben die Autor*innen.
EU-Klimaziel fehlt noch
Bisher haben nur 21 der 193 Paris-Staaten ein Klimaziel für 2035 vorgelegt, obwohl die Frist im Februar abgelaufen war. Von diesen 21 ist nur das Ziel Großbritanniens 1,5-Grad-konform, stellt der Climate Action Tracker fest. Die USA haben noch unter Ex-Präsident Joe Biden ein Klimaziel eingereicht, das sein amtierender Nachfolger Donald Trump aber ignoriert.
Neben dem chinesischen fehlt auch noch das Klimaziel der Europäischen Union. Darüber wird gerade zwischen den Mitgliedsstaaten verhandelt, die EU-Kommission will 90 Prozent der europäischen Emissionen bis 2040 einsparen.
Mit einem Ergebnis der Verhandlungen rechnen Beobachter*innen im Juni oder Juli. Daraus wird die EU, und damit auch Deutschland, ihr Klimaziel für 2035 ableiten.
Zur Debatte steht unter anderem, mit Klimaschutzprojekten im außereuropäischen Ausland den eigenen CO2-Ausstoß kleinrechnen zu dürfen. Das hat die Bundesregierung zur Bedingung gemacht, um dem 90-Prozent-Ziel zuzustimmen.
Der unabhängige Expertenrat, der die EU in Klimafragen berät, warnte jedoch vor diesem Vorgehen: „Internationale Klimaschutz-Zertifikate zu nutzen, um das Klimaziel zu erreichen, würde heimische Wertschöpfung untergraben, indem es Ressourcen von der notwendigen Transformation der EU-Wirtschaft wegleitet.“
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