Studie der NASA: Indien droht das Wasser auszugehen
Mit Hilfe von Satelliten haben Forscher nachgewiesen, dass der Grundwasserspiegel im Norden des Landes gesunken ist. Möglicherweise gibt es Kriege um die Ressource.
DELHI taz | Ganze Regionen verwüsten, Zig-Millionen-Städte können ihre Einwohner nicht mehr mit Wasser versorgen und Kriege um Wasserreservoirs brechen aus: Horrorszenarien, die laut einer Studie binnen weniger Jahrzehnte in Südasien Wirklichkeit werden könnten.
Forscher der US-Weltraumbehörde Nasa haben herausgefunden, dass der Grundwasserspiegel in Nordindien Jahr für Jahr rapide abnimmt. In manchen Gegenden sei der Pegel zwischen den Jahren 2002 und 2008 um 30 Zentimeter gesunken.
Vor allem Ballungszentren wie Delhi und Jaipur droht eine akute Wasserknappheit, berichten der Hydrologe Matt Rodell und seine Kollegen in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.
Die Forscher machen den zunehmenden Wasserkonsum in der Landwirtschaft für den drastischen Abfall des Grundwasserpegels verantwortlich. Diesen Schluss ziehen sie aus den Ergebnissen ihres Erdgravitationsexperiments Grace.
Bei diesem Versuch der Forscher und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt kreisen zwei Satelliten in einem konstanten Abstand zueinander in einer Erdumlaufbahn. Ein Laserstrahl misst die Höhe der Satelliten. Sinkt einer von ihnen, deutet das auf eine Erhöhung der Gravitation hin, wie sie durch Grundwasser verursacht wird. So konnten die Forscher über Jahre einen Abfall des Grundwasserpegels beobachten.
Zum Abschluss der Weltwasserwoche in Stockholm hat der WWF einen "Big Deal" im Kampf gegen die weltweite Wasserkrise gefordert. Regierungen, Landwirtschaft und Industrie müssten Strategien entwickeln, um die Versorgung mit Wasser sicherzustellen, erklärte die Umweltschutzorganisation am Freitag.
"Wir kennen nicht die genaue Wassermenge, die in Nordindien verschwindet", sagte Versuchsleiter Rodell. "Aber Grace liefert einen deutlichen Beweis dafür, dass die Wassernutzung in ihrem derzeitigen Umfang nicht nachhaltig ist." Die Region sei von bewässerter Landwirtschaft abhängig geworden, um die Erträge zu erhöhen. "Daher könnten wir einem größeren Problem als nur einer Wasserkrise gegenüberstehen."
Dabei haben die Wissenschaftler saisonale Einflüsse wie unterschiedliche Regenmengen bereits in ihre Berechnungen einbezogen. Nimmt man die Tatsache hinzu, dass die Gletscher des Himalaja - Indiens größte Wasserquelle - Jahr für Jahr zurückgehen, wird klar, auf was für eine Katastrophe Südasien zusteuert.
Die Folgen lassen sich schon jetzt erahnen: Die Monsunregenfälle sind dieses Jahr weitaus geringer als erwartet ausgefallen. Ganze Regionen in Nordindien leiden unter Dürre. Vielerorts haben die Bauern das gesamte Grundwasser abgepumpt, um ihre Ernten zu retten. In manchen Orten bewachen schwer bewaffnete Bauern ihre letzten Brunnen, die noch Wasser tragen.
Die am meisten bedrohten Bundesstaaten Rajasthan, Punjab und Haryana weisen alle Merkmale auf, die zu einer Wasserknappheit beitragen: ein rapides Bevölkerungswachstum, ein großes Wirtschaftswachstum und eine Kommerzialisierung der Landwirtschaft. Diese wurde in den 70er-Jahren im Rahmen der "grünen Revolution" von der Regierung vorangetrieben.
Die Marktöffnungen der vergangenen 15 Jahre beschleunigen die Entwicklung. So wird seit einigen Jahren im Staat Punjab Reis angebaut, eine der wasserintensivsten Pflanzen überhaupt. Dabei wären viele Regionen im Punjab ohne Bewässerung eigentlich eine Wüste.
Eine neue Studie appelliert an die Staaten Asiens, die Wassernutzung zu reformieren. Sonst sei es kaum möglich, die weiteren 1,5 Milliarden Menschen, die bis 2050 in Asien leben werden, aus der Region heraus zu versorgen.
Die Untersuchung, die von der UN-Organisation für Lebensmittel und Landwirtschaft und einem Forschungsinstitut bei der Weltwasserwoche in Stockholm vorgestellt wurde, warnt, manche asiatische Staaten müssten dann mehr als ein Viertel ihrer Lebensmittel importieren, um ihre Einwohner zu ernähren.
Die Politik scheint sich darüber im Klaren zu sein, wie gravierend die Situation ist. Indiens Premierminister Manmohan Singh sagte bei einer Konferenz von Umweltministern der Bundesstaaten, Indien sähe sich "vielfachen Umweltkrisen" ausgesetzt. Landesregierungen müssten die Luftverschmutzung senken, Flüsse reinigen und den Klimawandel bekämpfen. "Wasserknappheit wird mittlerweile zu einem Lebensstil", warnte Singh.
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