Studie „Regretting Parenthood“: Eltern, die bereuen
Laut einer Studie würde sich ein Fünftel der deutschen Mütter und Väter nicht noch einmal für ihre Kinder entscheiden. Das hat viele Gründe.
Er hat sich gewundert, sie nicht. So unterschiedlich reagierten die beiden Leiter der Umfrage des Marktforschungsinstituts Yougov, als sie herausbekamen, dass 20 Prozent der Eltern ihre Elternschaft bereuen. Repräsentativ befragten sie online und anonym 1.228 Eltern, ob sie heute wieder Kinder bekommen würden, wenn sie sich noch einmal entscheiden könnten. 19 Prozent der Mütter verneinten die Frage und 20 Prozent der Väter. Etwas erschreckt war darüber Studienleiter Holger Geißler. Er hat vier Kinder, um die sich seine Frau kümmert. Kollegin Sonja Laude dagegen, zwei kleine Kinder, wunderte sich gar nicht.
Dies ist die erste Umfrage in Deutschland, die auf mehrere qualitative Studien folgt, in denen Mütter darüber reden, dass sie nicht noch einmal Kinder bekommen würden. Die Aufregung darüber war groß. „Dürfen Mütter das?“, stand als Frage im Raum. Und allein diese Frage zeigte schon, dass die Verneinung der Mutterschaft an ein Tabu rührt.
Die Yougov-Studie liefert nun Zahlen, die unterstützen, dass bereute Elternschaft ein Thema ist – für Mütter und Väter. Auf der Suche nach den Gründen tauchten Korrelationen auf, die auch als Kausalitäten gelesen werden könnten. So waren unter diesen 20 Prozent verstärkt Alleinerziehende und Menschen, die Probleme hatten, eine geeignete Kinderbetreuung zu finden. Sie hatten wenig Unterstützung durch Familienangehörige und die Mütter hatten überproportional oft ihren Job für die Familie aufgegeben oder stark zurückgefahren. 60 Prozent der Familienverneinerinnen meinten, ohne ihre Kinder wäre ihr beruflicher Aufstieg besser verlaufen. „Es wird immer noch von Müttern erwartet, dass sie für die Familie zurückstecken“, sagte Geißler.
Fragen eher auf die Mütter zugeschnitten
Insgesamt waren die Fragen eher auf Mütter zugeschnitten, weshalb über die Gründe der Väter zu bereuen, etwas Unklarheit herrscht. Immerhin gaben 80 Prozent der Väter an, ihnen bereitete die Elternschaft „Genugtuung“ – gegenüber 74 Prozent der Mütter. Und nicht ganz so viele Väter wie Mütter fühlten sich in ihrer persönlichen Entfaltung durch das Elternsein eingeschränkt. Dennoch liegen die Werte nahe beieinander. 48 Prozent der Männer und 55 Prozent der Frauen bejahten diese Frage. Und noch näher lagen sie beieinander, wenn es darum geht, ob man den Eindruck habe, sich für die Familie aufgeopfert zu haben: 43 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen stimmen dem zu.
Für Umfrageleiter Geißler hätten weitere Fragen eventuell eine etwas andere Motivlage für die bereuenden Väter ergeben. So fehle etwa die Frage, ob man sich in seiner Sexualität eingeschränkt fühle – wie ihm gegenüber Väter im persönlichen Gespräch immer wieder beklagten.
Interessant aber ist ein Angriff auf den Muttermythos von anderer Seite: Fast die Hälfte aller Väter denkt ebenso wie die Mütter, sie hätten sich für die Familie aufgeopfert. Dieses Aufopfern sieht aber bei Vätern anders aus als bei Müttern. Während 44 Prozent der Mütter mangelnden beruflichen Aufstieg beklagen, tun das nur 20 Prozent der Väter. Es liegt also nahe, dass viele Väter auch ihren beruflichen Aufstieg mit dem Ziel, mehr Geld für die Lieben heranzuschaffen, als Opfer begreifen. Erfolgreiche Männer als Opfer: ein selten thematisierter Gedanke.
Positives Ergebnis: 95 Prozent der Eltern gaben dennoch an, ihre Kinder zu lieben – auch wenn sie sie nicht noch einmal bekommen wollten.
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