Pascal Meiser über Traditionen: „Ströbele wäre bei uns mehr als willkommen“
Pascal Meiser sitzt für die Linken im Bundestag. Der Kreuzberger hat den Wahlkreis gewonnen, den der Grüne Hans-Christian Ströbele bekannt gemacht hat.
 
taz: Herr Meiser, Sind Sie der Erbe von Hans-Christian Ströbele?
Pascal Meiser: Objektiv gesehen bin ich das wohl ein wenig jetzt, da ich in seinem ehemaligen Wahlkreis das Direktmandat geholt habe. Das ehrt mich natürlich. Aber es wäre unangemessen, mich selbst zum Erben auszurufen. Ich bin in einer anderen Partei, zu einer anderen Zeit gewählt worden, und so richtig vererbt oder gar geschenkt wurde uns das alles ja auch nicht gerade …
taz: Hans-Christian Ströbele war gegen Aufrüstung und Krieg, für die Freigabe von Hanf, für eine Vermögensteuer und dafür, den Verfassungsschutz abzuschaffen. Wäre er damit heute nicht eher bei der Linken als bei den Grünen zu Hause?
Meiser: Es wäre anmaßend, darüber zu spekulieren. Hans-Christian Ströbele war, mit seiner Klarheit und Konsequenz, eine ganz eigene Figur, ein Solitär. Es gibt viele Linke, mich eingeschlossen, die ihn sehr geschätzt haben, auch wenn selbst er unter der rot-grünen Regierung ein paar schwierige Entscheidungen mitgetragen hat. Seine guten Ergebnisse verdankten sich ja am Ende der Tatsache, dass ihn auch viele Linke gewählt haben, und vieles von dem, wofür er stand, ist in der Tat heute sicher bei uns gut, wenn nicht sogar am besten aufgehoben. Und natürlich wäre Hans-Christian Ströbele bei uns heute mehr als willkommen und würde mit offenen Armen begrüßt.
Der Mensch
Pascal Meiser, Jahrgang 1975, wuchs im Saarland auf und lebt seit 1999 in Berlin-Kreuzberg. Der Linken-Politiker ist Diplom-Politologe und ausgebildeter Gewerkschaftssekretär und errang bei der Bundestagswahl im Februar 2025 das Direktmandat im Berliner Wahlkreis 82. In seiner Fraktion ist er Sprecher für Arbeitspolitik, Arbeitsrecht und Gewerkschaftspolitik.
Der Wahlkreis
Der Berliner Wahlkreis 82 mit dem sperrigen Namen „Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg-Ost“ ist der flächenmäßig kleinste Bundestagswahlkreis der Republik und existiert in dieser Form seit 2002. Neben dem legendären Stadtteil Kreuzberg schließt er den ehemals Ostberliner Bezirk Friedrichshain sowie den Ostteil des Bezirks Prenzlauer Berg ein. Der Wahlkreis war lange Zeit fest mit dem Namen Hans-Christian Ströbele verbunden. Der Rechtsanwalt und Mitbegründer der taz holte dort 2002 das erste Direktmandat für die Grünen und verteidigte es drei Male – zum Teil mit Rekordergebnissen von über 40 Prozent. Seine Nachfolgerin, die Rechtsanwältin Canan Bayram, trat 2017 in seine großen Fußstapfen und holte ebenfalls zweimal das Direktmandat. Der Verlust des Direktmandats in ihrer einstigen Hochburg war für die Grünen ein Schock – und ein Symptom. Mehr dazu steht im Buch „Die neue Lust auf Links“ (Goldmann) von Daniel Bax, das im November erscheinen wird.
taz: Für die Grünen war der Verlust ihres Direktmandats in diesem Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost, über Jahrzehnte eine Hochburg für sie, ein Schock: Berlins Grünen-Chef Philmon Ghirmai sprach von einem „herben Schlag“, Jürgen Trittin sah schon das „Ende von Kreuzberg“ heraufdämmern. Zu Recht?
Meiser: Symbolisch ist das für die Grünen sicher eine herbe Niederlage. Aber nüchtern betrachtet, ist das Ergebnis für sie eigentlich gar nicht so dramatisch. Meine Gegenkandidatin hat mit über 30 Prozent ein Ergebnis erzielt, mit dem sie in vielen anderen innerstädtischen Wahlkreisen in Berlin oder in anderen Großstädten gewonnen hätte. Nur haben wir als Linke in diesem Wahlkreis dieses Mal selbst so ein krass gutes Ergebnis erzielt. Deswegen ist auch die mediale Wahrnehmung von der Niederlage der Grünen etwas verkürzt. Denn dass es uns gelungen ist, 35 Prozent der Erststimmen einzufahren, ging nur zum Teil zulasten der Grünen, und dass es uns selbst gelungen ist, so viele unterschiedliche Leute von uns und mir zu überzeugen, ist ja die eigentlich spannende Geschichte.
taz: Trotzdem ist die Symbolik groß: Die Grünen gewinnen Direktmandate in bürgerlichen Stadtteilen, aber verlieren ihre einstige Hochburg in Kreuzberg. Sie rücken in die besserverdienende Mitte, aber verlieren Teile ihres ehemaligen Stammmilieus.
Meiser: Natürlich gibt es diese Verschiebung. Nicht wenige ehemaligen Grünen-Wählerinnen und -Wähler haben angesichts des Kurses der Ampelregierung und der Annäherung der Grünen an eine CDU, die zunehmend nach rechts rückt, nicht mehr mitgemacht. Die wollen dann lieber eine klare, kompromisslose linke Opposition.
taz: Ströbeles Nachfolgerin Canan Bayram, die 2017 und 2021 zwei Mal das Direktmandat gewonnen hat, trat jetzt nicht mehr an. Sie könne den Leuten nicht mehr sagen, wofür die Grünen eigentlich stehen – so begründete sie ihren Rückzug. Ein Symptom?
Meiser: Ich habe diese internen Auseinandersetzungen bei den Grünen natürlich zur Kenntnis genommen, aber bewusst öffentlich nie groß kommentiert. Und ich gehöre ganz sicher nicht zu denen, die die Grünen zum größten Problem der Republik stilisieren. Aber die Grünen haben in der Ampel in unterschiedlichen Bereichen einfach sehr große Fehler gemacht. Das spiegelt sich dann logischerweise in solchen Aussagen und in solchen Absetzbewegungen wider.
taz: Sie haben sich im Wahlkampf dagegen entschieden, Unterstützung von außerhalb des Bezirks zu mobilisieren. Warum?
Meiser: Wir haben darüber natürlich bei uns im Wahlkreis diskutiert. Aber das hätte ich doch ein wenig übertrieben gefunden. Ich muss mich nicht bedeutender machen, als ich bin. Umso stolzer bin ich, dass wir das alles aus eigener Kraft heraus geschafft, mit unseren eigenen Leuten in Friedrichshain-Kreuzberg und in Prenzlauer Berg.
taz: Für die Linke waren die Mieten ein zentrales Thema. Kam Ihnen das zugute?
Meiser: Dass die Partei insgesamt im Wahlkampf so stark auf dieses Thema gesetzt hat, hat uns natürlich sehr geholfen. Das ist eine kluge Entscheidung gewesen, weil sie einen Nerv getroffen hat. Und es deckt sich mit meiner Überzeugung, dass es unsere DNA als Linke ist, immer die soziale Frage in den Mittelpunkt zu stellen und an der Seite der Leute mit einem kleinen Geldbeutel zu stehen. Was uns natürlich nicht davon abhält, auch Kämpfe um Anerkennung und Gleichberechtigung oder für den Klimaschutz zu unterstützen.
taz: In Berlin ist der Mietendeckel, den der rot-rot-grüne Senat 2020 eingeführt hat, allerdings vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.
Meiser: Auch wenn das Projekt am Schluss vom Gericht gekippt wurde, hat das unserer Glaubwürdigkeit nach meiner Wahrnehmung nicht geschadet. Im Gegenteil. Die meisten Leute finden es gut, dass wir es zumindest versucht haben. Und: Wir haben es geschafft, uns auch im Bundestag als die stärkste Stimme der Mieterinnen und Mieter aufzustellen. Das reicht von Ansätzen wie einem verbesserten Kündigungsschutz bei Eigenbedarf bis hin zu Forderungen nach einem bundesweiten Mietendeckel und zur Frage, wie der soziale Wohnungsbau der Zukunft aussehen soll. Zugleich standen wir vor Ort immer an der Seite der Mieterinnen und Mieter, die sich wehren. Und das vergessen die Leute nicht.
taz: Wie ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Kreuzberg?
Meiser: Die Mieten steigen und steigen. Das ist für sich genommen schon ein großes Problem. Doch was mir gerade am meisten Sorgen macht, ist die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Wir haben da eine tickende Zeitbombe, weil schon richtig viel umgewandelt worden ist. Bei mir melden sich zunehmend Mieterinnen und Mieter, bei denen die besonderen Kündigungsschutzfristen nach der Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung auslaufen und die mitkriegen, dass ihre Wohnungen zum Verkauf inseriert werden. Das ist ganz sicher kein Arme-Leute-Problem. Das sorgt für blanke Panik bis weit in ein Milieu hinein, das überdurchschnittlich verdient. Ein weiteres Problem ist die Zweckentfremdung von Wohnraum für Ferienwohnungen und dass es trotz Wohnungsnot immer wieder sogar Leerstand gibt. Es existieren hier leider noch immer zu viele rechtliche Schlupflöcher, auch wenn die Behörden in Friedrichshain-Kreuzberg schon vergleichsweise konsequent dagegen vorgehen. Aber da muss in ganz Berlin noch viel konsequenter durchgegriffen werden.
taz: Sie stammen ursprünglich aus dem Saarland. Wie sind Sie aufgewachsen?
Meiser: Meine Großväter waren beide noch Bergleute. Mein Großvater väterlicherseits, den ich selbst persönlich gar nicht mehr kennengelernt habe, kam während der Nazizeit ins Zuchthaus, nachdem er gegen den Anschluss des Saarlands an Nazi-Deutschland gekämpft hatte, danach nach Frankreich ins Exil gegangen war und später wie viele andere auch vom Vichy-Regime ins Deutsche Reich zurückgeschickt wurde. Er hatte großes Glück, dass es ihn am Ende nicht noch schlimmer traf. Aber das hat natürlich trotzdem die ganze Familie meines Vaters geprägt. Meine Eltern konnten dann als jeweils Erste in ihren Familien studieren, mein Vater auf dem zweiten Bildungsweg, und ich hatte das große Glück, insgesamt in einem Elternhaus groß zu werden, wo immer klar war, dass das Herz links schlägt.
taz: In Ihrer alten Heimat verfolgt man Ihren Werdegang immer noch aufmerksam. Die Lokalpresse berichtet regelmäßig über Sie.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Meiser: Ja, das ist wirklich total faszinierend. Schon als ich 2017 das erste Mal in den Bundestag eingezogen bin, widmete mir die Saarbrücker Zeitung ein eigenes Porträt. Auch jetzt hat sie sich wieder gemeldet und gleich nach der Wahl einen umfangreichen Beitrag über meinen Erfolg gemacht. Dabei lebe ich schon mehr als die Hälfte meines Lebens in Kreuzberg. Aber da kann man nichts machen, der Regionalstolz der Saarländer ist eben sehr ausgeprägt.
taz: Wie blicken Sie heute auf Ihre alte Heimat?
Meiser: Auch wenn ich nicht mehr so oft da bin, habe ich zum Saarland immer noch einen sehr positiven Bezug. Ich komme vom Dorf, und ja, ich weiß, viele fliehen aus ihren Dörfern, weil sie da als Linke oder auch anderweitig sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben. Ich selbst hatte schon recht früh lange Haare, etwas, für das man damals noch oft komisch beäugt wurde als Mann, und es war auch kein Geheimnis, dass ich irgendwie links bin. Aber ich hatte zum Glück deshalb nie wirklich Probleme. Und vielleicht hat das ja mit dazu beigetragen, dass ich das Dorf, in dem ich groß geworden bin, bis heute noch so mag.
taz: Seit wann leben Sie in Kreuzberg?
Meiser: Seit 1998. Ich landete damals durch Zufall über einen Freund in einer WG, und nach einem kurzen Abstecher nach Prenzlauer Berg wohne ich seit 1999 durchgängig in Kreuzberg. Man könnte auch sagen: Ich komme vom Dorf und lebe jetzt wieder in einem Dorf. Denn auch wenn das für Außenstehende komisch klingen mag: für mich hat der Teil in Kreuzberg, in dem ich lebe, irgendwie auch immer etwas von einem großen Dorf.
taz: Ihr Wahlkreis ist sehr heterogen: Kreuzberg ist migrantisch geprägt, Friedrichshain proletarisch und Prenzlauer Berg eher bürgerlich. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?
Meiser: Als ich 2007 in die Linke eingestiegen bin, war das auch bei uns in der Partei so: da lagen zwischen Kreuzberg und Friedrichshain Welten, aber auch zwischen Jungen und Alten, zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und jenen mit Ostbiografien, aber auch zwischen Hartz-IV-Beziehern und gutverdienenden Gewerkschaftssekretären. Als Vorsitzender der Linken in unserem Bezirk habe ich dann über viele Jahre daran gearbeitet, dass die Leute miteinander reden statt übereinander. Das alles habe ich dann auch in meiner Rolle als Abgeordneter fortzuführen versucht, und ich versuche bis heute alle, die hier leben, mit ihren Unterschiedlichkeiten ernst zu nehmen und die gemeinsamen Interessen und Anliegen nach vorne zu stellen.
taz: Nochmal Stichwort Kreuzberg: Wie sprechen Sie Wähler mit Migrationshintergrund an?
Meiser: Auch hier gilt für mich vor allem: gut zuhören, um zu verstehen, was wen tatsächlich umtreibt. Auch dafür sind Haustürgespräche manchmal sehr hilfreich. Da kommen schon sehr unterschiedliche Sachen zum Vorschein. Nicht immer ist es dabei ja so, dass die Diskriminierung aufgrund der eigenen Migrationsgeschichte oder Religion das Thema Nummer eins ist. Oft wird erst mal einfach nur über die grüne Verkehrspolitik geflucht. Und vielen, die hier schon seit Jahren leben, brennen die Vermüllung, die Sicherheitslage und der zunehmende Drogenkonsum unter den Nägeln, weil die Kieze, in denen sie wohnen, davon besonders betroffen sind. Das heißt aber auch: Wenn wir als Linke für diese Leute da sein wollen, dann müssen wir das auch ernst nehmen und darauf Antworten haben.
taz: Sie sind im Bundestag Sprecher für Arbeitspolitik und Arbeitsrecht sowie für Gewerkschaftspolitik für die Linke. Warum ist das Ihr Thema geworden?
Meiser: Das hat mit meiner Biografie und meinen politischen Überzeugungen zu tun. Ich habe bereits während meines Studiums, begonnen, mich auch gewerkschaftlich zu engagieren, kurz nach der Gründung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bin ich dort eingetreten und habe dann in Berlin und Brandenburg, etwas später dann auch bundesweit Verdi-Studierendenstrukturen mit aufgebaut. Diese gewerkschaftliche Orientierung hat mich bis heute nicht mehr losgelassen. Auch weil ich davon überzeugt bin, dass der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit weiter zentral für unsere Gesellschaft ist.
taz: In Ihrer Freizeit spielen Sie im Verein Fußball. Wo?
Meiser: Beim Kreuzberger Verein FSV Hansa 07. Ich spiele da in unserer Ü40-Mannschaft in der Landesliga. Da geht’s auch noch um ein bisschen mehr als einfach nur ein bisschen Kicken. Nur schaffe ich es leider nicht mehr jede Woche zum Training oder zum Spiel. Aber ich versuche, es mir so weit wie möglich immer einzurichten. Solange die Knochen und Gelenke mitmachen, will ich da nicht darauf verzichten. Dafür ist meine Leidenschaft einfach noch zu groß.
taz: Was ist die „Freie Sportvereinigung“ Hansa 07 für ein Verein?
Meiser: Als ich Anfang der 2000er Jahre dort anfinge, war das so ein kleiner Kiezverein. Seitdem ist er stark gewachsen. Heute hat er eine der größten Jugendabteilungen in Berlin, und die erste Männermannschaft spielt inzwischen in der zweithöchsten Berliner Liga. Der Verein engagiert sich zugleich gegen Rassismus oder auch gegen Homophobie im Fußball. Seit den neunziger Jahren tragen alle Spielerinnen und Spieler den Slogan „Catenaccio gegen Rassismus“ auf der Brust ihrer Trikots. Also genau der richtige Verein für mich.
taz: Ein Traditionsverein mit einer Jugendabteilung, die stark angewachsen ist: das trifft auch auf Ihre Partei zu.
Meiser: Schöner Vergleich. Es ist wirklich toll, dass so viele neue Menschen in unsere Partei strömen. Die Geschwindigkeit ist aber natürlich extrem, und alle bringen unterschiedliche Perspektiven und Interessen mit. Wir sind daher gut beraten, gut aufzupassen, dass daraus nicht neue Konflikte entstehen. Ich bin auch nicht dafür, dass jetzt in einer Art Kulturrevolution alles hinweggefegt wird, was über die Jahre gut in unserer Partei gelaufen ist. Es war ja nicht alles schlecht bei uns. Entsprechend lautet die Aufgabe jetzt Konsolidierung, nicht Disruption.
taz: Sie haben ab 2010 für die Linke im Berliner Karl-Liebknecht-Haus gearbeitet und sitzen seit 2017 mit kurzer Unterbrechung im Bundestag. Dort gelten Sie als Teamplayer. Ist das ein Kompliment?
Meiser: Ich kann mit dieser Zuschreibung gut leben. Gerade bei uns in der Partei, wo es viele Konflikte gab und sicher auch in Zukunft geben wird, stellt sich immer wieder die Frage: Stellt man das Gemeinsame nach vorne oder das Trennende? Ich war immer dafür, das Gemeinsame nach vorne zu stellen und nicht jeden Dissens, den es gibt, nach außen tragen. Das bringt dann natürlich auch den großen Nachteil mit sich, dass das für die meisten Journalistinnen und Journalisten eher langweilig ist. Auch innerparteilich sammelst du natürlich nicht so schnell große Fangruppen, wenn du moderierend und differenzierend unterwegs bist, statt zu polarisieren. Und über die sozialen Medien müssen wir gar nicht reden – die funktionieren ja nach dem gleichen Prinzip.
taz: „Ein trockener Typ mit sperrigen Themen“, schrieb Die Zeit über Sie. Sind Sie zu leise?
Meiser: Wer mich von Streikkundgebungen oder von Häuserkampfdemos kennt, der wird sich vermutlich wundern, wenn er so was über mich liest. Denn wenn es um die Interessen der Leute geht, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren sind und die unter die Räder zu drohen kommen, dann verspüre ich meist so viel Wut, dass ich auch ganz schön laut werde. Vielleicht also: nach innen ruhig und ausgleichend, nach außen laut und wütend? – Wenn ich das weiterhin hinbekomme, ohne schizophren zu werden, bin ich in jedem Fall zufrieden.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
 
 
 
 
 
 
 
 
meistkommentiert