Strittige Kunstaktion des ZPS: Grob gepixelt

Was Super Mario und das Zentrum für politische Schönheit verbindet: überwiegend männliche Rollenmuster und der Kampf gegen das Böse.

Das umstrittene Kunstwerk vor deer Kulisse des Reichstages

Stein des Anstoßes: Darf man mit der Asche von Opfern der Schoah vor Rechtspopulismus warnen? Foto: dpa

Allein gegen das Böse in der Welt, so ungefähr lautet wohl die Devise des Zentrums für politische Schönheit. Dessen letzte Aktionsidee, mit der Asche ermordeter Juden vor einem Schulterschluss zwischen CDU und AfD zu warnen, war ein Höhepunkt pietätloser Maßstabsverirrung, und so geriet das Zentrum weithin in Misskredit.

Die radikal heroische, alle Mittel rechtfertigende Agenda aber war schon vorher da. Man dränge „in die Leerstelle, die jahrzehntelang von den öffentlichen Intellektuellen besetzt wurde: das moralische Gewissen“, proklamierte das Zentrum über sich selbst und imaginierte damit die übrige Öffentlichkeit als versagend, um die Notwendigkeit der eigenen Taten umso deutlicher hervortreten zu lassen.

Dabei ist die intellektuelle Öffentlichkeit ja unübersehbar da, sie heißt nicht mehr Böll und Grass, sondern reicht von Eva Menasse und Juli Zeh über Enis Maci und Carolin Emcke bis hin zu Rahel Jaeggi und Aleida Assmann, um nur einige wenige zu nennen. Sie haben übrigens auch ein Gewissen, sie sprechen über Politik und mitunter über Moral, sie sind manchmal sogar moralapostolisch, aber, das scheint mir bei allen Genannten zuzutreffen, es wird kein Alleinherrschaftsanspruch gestellt, wie es das Zentrum und einige andere, auffälligerweise besonders gern männliche Akteure mitunter tun.

Wie im Gameboy

Es mag sein, dass jemand wie Philipp Ruch, Kopf des Zentrums, die öffentlichen Intellektuellen in seiner selbstbezüglichen Blase tatsächlich nicht wahrnimmt. Vielleicht ist das nicht einmal böswillig, denn in seiner eigenen Heldenwelt geht es womöglich zu wie im Endspiel von „Super Mario Land“, da existiert nur das eigene Ich, das in einem kleinen Propellerflugzeug gegen eine niederträchtige Wolke ankämpfen muss und dann noch gegen eine hochgerüstete Zerstörungsmaschine.

Das möglichst wendig sich gebende Ich und der gefährliche, softballspuckende Monstergegner sind unter sich. Zu siegen, genauer noch zu besiegen ist das Ziel der Reise. Dann erzittert die Welt, also die Grafik des Gameboys, und Prinzessin Daisy ist endlich befreit.

Rettung der Welt

Hier ist das Gute, da ist das Böse und Klempner Mario läuft gradlinig durch seine Abenteuer. Weil nicht weniger auf dem Spiel steht als die Rettung der Welt, ist für Zweifel kaum Platz. Das hat den Vorteil, dass jeder Einwand leicht abgewehrt werden kann: Wollt ihr wirklich, dass alles untergeht? Game over und das war’s? Es ist kein Wunder, dass die neoheroische Geste sich einiger Beliebtheit erfreut und bei Weitem nicht nur auf das Zentrum beschränkt ist. Die vorgefertigten Erregungszustände sind einfach zu adaptieren und vor Katastrophenkulissen geht das Glänzen leicht. Durch die Simplizität ihrer Anklagen und Antworten aber erziehen die ästhetischen Hobbyklempner das Publikum leider zur braven Lämmerschar.

Auch wenn ich selbst schon als Schaf verkleidet für Greenpeace vor einem Patentamt stand und generell durchaus Freundin von zivilgesellschaftlicher Gegenrede, mitunter auch strategischer Selbstentblödung bin, geht mir etwa die Radikalität der Umweltbewegung XR spätestens dann zu weit, wenn sie ihre Ziele über die Demokratie setzt – eigentlich schon, wenn sie einfach nur Blödsinn verzapft. In Paris zerstörte XR während des Generalstreiks unzählige Elektroroller, die sie als Streikbrecher fürchteten. Sinngehalt? Ça m’est bien égal.

In Frankreich wurde ich auch jenseits des Umweltaktivismus von Umsturzfreude übermannt. So sehr ich die Kritik am oft aggressiven Vorgehen der Polizei nachvollziehen kann, war mir die fundamentale Missgunst gegenüber dem Staat bisweilen zu viel, und ich begriff auch nicht, wie man bei einer möglichen Stichwahl zwischen Macron und der rechtsradikalen Marine Le Pen für Wahlabstinenz plädieren kann.

Ebenso rätselhaft ist mir, Blick zurück nach Deutschland, wieso es vor zwei Jahren als hippe Aktion galt, von links den Bundestag zu stürmen, obwohl es bereits damals genügend revolutionäres Potenzial gab, das nur darauf wartete, die kippende Demokratie von rechts zu übernehmen. Oder war da nur leichtfertig mit Gewichtigem gespielt worden, war das nicht mehr als ein PR-Gag von Milo Rau, dem mit Ruch geltungsfreudigsten unter den Provokations-Marios?

Alte Rollenmuster und Politaktivismus

Egal, weiter im Kampf gegen Schildkröten und Fischskelette. Frauen haben in der Super-Mario-Reihe leider nur Statistenrollen. Das mag in der Welt des grobgepixelten Klempners ein wenig ärgerlich sein, weil es alte Rollenmuster nicht gerade über den Haufen wirft.

Umso ärgerlicher ist es allerdings im Kontext eines Politaktivismus, der von Hierarchiefreiheit und Gleichberechtigung spricht, um ja auch alle Ecken des derzeit zu gewinnenden linken Publikums abzugreifen. In Wahrheit aber gefriert er die Weltrettung in konventionellen, männlichen Heldengesten, die allenfalls noch an die spießige Spielart eines 70er-Jahre-Sozialismus erinnern, in dem kleinbürgerliche Rollenbilder allzu oft fortlebten.

Das Ziel jedenfalls wird so groß geschrien, bis alle Mittel geheiligt scheinen. Der Zweck aber heiligt nicht die Mittel, das ist nur ein immer wieder behaupteter Irrtum. Wenn die Mittel nicht stimmen, dann wird das Ziel selbst zur Heuchelei – im noch besten Fall, denn die Kompromisslosigkeit kann eben auch die Kompromisslosigkeit der Gegner werden. alte

Erst wer meint, dass auch die gegnerischen Entscheidungen mit ebensolcher Drastik und unbegrenztem Machtanspruch willkommen wären, sollte wirklich über den Staatssturz nachdenken. Man muss nicht erst mit Carl Schmitt kommen, um daran zu erinnern, dass mit dem Ausnahmezustand nicht zu spaßen ist.

Warum überhaupt hören die Mario-Männchen das Kriegsgeheul und Säbelrasseln so gern? Was passiert mit ihnen, wenn sie einmal in ihrem Weltrettungsgehüpfe innehalten? Schrumpfen sie? Oder ist dann einfach die Batterie leer? Meine zumindest braucht eine Ladepause, deshalb ist dies mein letztes Schlagloch. Thank you, Marios! The quest is not over.

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