Streitschrift von Gunda Windmüller: Mythos der unglücklichen Singlefrau
„Weiblich, ledig, glücklich – sucht nicht“: Mit ihrer Streitschrift will Gunda Windmüller Stereotype über alleine lebende Frauen entkräften.
Singlefrauen sitzen abends heulend im Schlafanzug auf ihrem Sofa und schauen Schnulzenfilme, die ihre Sehnsucht nach einem Mann, dem Mister Perfect, Ausdruck verleihen. Dies, meine Damen und Herren, nennt man ein Narrativ, so oder so ähnlich in unzählbaren unromantischen Komödien vorgeführt.
Singlefrauen enden als verbitterte Schrullen, egal wie erfolgreich sie sind; die Verbitterung zeichnet sich immer schon als vorausweisendes Omen in ihren Gesichtern ab, weiß sogar Ulf Poschardt, Chefredakteur von WeltN24, zu berichten. Und der muss es wissen!
Weiblich, ledig, glücklich – gibt’s das? Allenfalls vielleicht bis zum Alter von 25. Aber danach? Endet die Sache in Verzweiflung. Jedenfalls will es die Gesellschaft so erzählen. Gunda Windmüller, Journalistin und Kulturwissenschaftlerin, hat sich in ihrem Buch „Weiblich, ledig, glücklich – sucht nicht“ vorgenommen, den Mythos von der unglücklichen Singlefrau als solchen offenzulegen. Ihre Streitschrift in zarten Lachstönen will neue Narrative für glückliches Frausein unabhängig vom Beziehungsstatus schaffen. Die sind ja bitter nötig!
Windmüller berichtet, wie sie als Singlefrau in den Dreißigern als schwerer Fall immer mal wieder auf Hochzeiten oder in Bars verkuppelt werden soll: „Schau mal, Gunda, da steht ein Typ, er ist Single. Wäre doch was für dich?“ Überraschenderweise findet Gunda nicht jeden Mann schnieke, der die Mindestqualifikation Hetero und geduscht erfüllt. So wird das nichts mit der Beziehung! Soll es ja auch gar nicht.
Männer leiden nachweislich mehr unter dem Singlesein
Windmüller spürt in ihrem Buch den Mythen der beziehungsbedürftigen Frau nach: Sie zeigt, dass die romantische Zweierbeziehung ein historisch junges Konstrukt ist, dass die Vorstellung der Mutterschaft als Bestimmung der Frau samt Glorifizierung der Mutter-Kind-Beziehung ideologisch besetzt ist. Sie beschreibt prototypische Beispiele von Freundinnen, die sich wechselnd stark über Beziehungen definieren. Und natürlich beleuchtet Windmüller oben genannte Narrative und spürt den RomCom-Bildern und Märchenszenarien nach.
Vor allem zeigt sie auf, dass es ein krasses Missverhältnis in der Wahrnehmung und der Beziehungsbedürftigkeit der Geschlechter gibt: So leiden Männer nachweislich mehr unter dem Singlesein, profitieren enorm von emotionaler Stabilität in der Bindung – gesundheitlich, psychisch, ganz zu schweigen von den beruflichen Vorteilen durch eine Frau, die einem den Rücken freihält und den psychischen Ballast abnimmt. Nur passt dieses Bild der Bedürftigkeit eben nicht zum Klischee des virilen Mannes, der eben nur DAS EINE will – Zwinker, Zwinker.
Frauen dagegen profitieren gesundheitlich nicht von Beziehungen und nehmen gerade in Beziehungen mit Kindern enorme Nachteile in Kauf: Von der wachsenden Gender Pay Gap bis zu geringeren Rentenansprüchen bis zur Dreifachbelastung mit Kind, Beruf und Haushalt.
Es gibt also einen Widerspruch zwischen dem, was die Beziehung für die Frau tut, und dem gesellschaftlichen Wert, der der Beziehung angedichtet wird. Oder anders: Der Mythos von der Frau, die nur in Beziehungen glücklich sein kann, ist ideologisch so wichtig, weil Beziehungen mit so vielen Nachteilen verknüpft sind. Man muss sie jungen Frauen schon in sehr pastelligen Farben und mit viel Weichzeichner versehen anpreisen, damit das Leben mit Mann und Kind und Hund und all dem Dreck, den sie machen, wirklich fabelhaft erscheint.
Das Probem ist unser Rechtfertigungszwang
Allerdings gibt es sie ja auch, die Narrative von der gestressten jungen Mutter, die nicht mal mehr zum Haarewaschen kommt. Oder jenes von der betrogenen Gattin im fortgeschrittenen Alter, die durch eine Jüngere ersetzt wird. Insofern stimmt es nicht ganz, dass alternative Narrative fehlen.
Beim Lesen beschleicht mich deshalb das Gefühl, dass nicht nur die Narrative für Frauen ein Problem darstellen, sondern vor allem unser Rechtfertigungszwang.
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Jahrhundertelang wurde so viel darüber geschrieben, wie ein Frauenleben auszusehen hat – vielleicht sollten wir damit aufhören und stattdessen einfach machen? Vielleicht sollten wir Diskussionen darüber in Küchen und Bars beenden? Sehr ruppig und direkt?
Es betrifft ja nicht nur Singlefrauen. Als Mutter muss man sich vor Nichtmüttern rechtfertigen, als Alleinerziehende vor glücklich verpartnerten. Und Männer wie Frauen fühlen sich gleichermaßen berufen, den jeweils als falsch identifizierten Lebensstil zu kritisieren. „Was, Kinder? So schädlich für die Umwelt!“
So lesenswert diese Streitschrift in Wattebäuschchenrosa auch sein mag: Zukünftig sollten wir Frauen die Cojones haben, uns nicht länger zu rechtfertigen. Dann hätten wir endlich das Selbstverständnis der Männer.
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