Streit um rechtsextremen Ex-AfDler: Causa Kalbitz vor Gericht
Das Berliner Landgericht verhandelt am Freitag über die annullierte AfD-Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz. Im Hintergrund tobt ein Machtkampf.
Mit der einstweiligen Verfügung will Kalbitz erreichen, dass die Bundespartei ihm bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren alle Rechte belässt, die sich aus einer AfD-Mitgliedschaft ergeben. Konkret heißt das: Kalbitz könnte – zumindest vorübergehend – wieder Landeschef in Brandenburg und auch Beisitzer im Bundesvorstand sein. In dem Gremium also, das vor fünf Wochen auf Antrag von Parteichef Jörg Meuthen seine Parteimitgliedschaft für nichtig erklärt und damit einen fulminanten Machtkampf in der Partei ausgelöst hat. Die Mehrheit im Gremium war damals äußerst knapp.
Hintergrund der damaligen Entscheidung: Kalbitz soll bei seinem Parteieintritt im März 2013 verschwiegen haben, bei den Republikanern und der inzwischen verbotenen Neonazi-Organisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) Mitglied gewesen zu sein. Während Kalbitz vor einigen Jahren eingeräumt hat, bei den Republikanern gewesen zu sein, bestreitet er eine HDJ-Mitgliedschaft weiter.
Durch Kalbitz' Rausschmiss ist ein ohnehin schwelender Machtkampf in der AfD voll entbrannt: Auf der einen Seite stehen, grob gesagt, Meuthen, Vize Beatrix von Storch und viele derer, die sich innerhalb der AfD für gemäßigt halten. Auf der anderen Seite Meuthens Co-Chef Tino Chrupalla, die Vizes Alice Weidel und Stephan Brandner sowie die AnhängerInnen des „Flügels“. Die Fronten sind so verhärtet, dass gemeinsame Parteiarbeit künftig schwer vorstellbar ist.
Der Flügel lebt
Möglicherweise werden am Freitag vor Gericht beide Seiten aber nur vertreten durch ihre Anwälte aufeinandertreffen. Aus dem Bundesvorstand selbst wird, wie man hört, wohl niemand teilnehmen. Kalbitz' Teilnahme blieb offen.
Sollte Kalbitz diesen Rechtsstreit gewinnen, würde der „Flügel“, der zwar offiziell aufgelöst, aber als Netzwerk durchaus intakt ist, gestärkt aus dem Konflikt hervorgehen. Und für Meuthen würde es an der Parteispitze eng.
ParteienrechtlerInnen wie Martin Morlock und Sophie Schönberger sehen gute Chancen, dass Kalbitz Recht bekommt. Sie argumentieren, dass eine Annullierung der Mitgliedschaft durch einen Vorstandsbeschluss unvereinbar mit dem Parteienrecht sei. Für einen Rausschmiss brauche es immer ein richtiges Parteiausschlussverfahren. Das aber gab es nicht.
Die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin allerdings hat die beantragte einstweilige Verfügung zunächst nicht erlassen, sondern stattdessen eine mündliche Verhandlung angesetzt. Sollte Kalbitz hier gewinnen, kann man das durchaus als Hinweis werten, dass er Chancen hat, auch im Hauptverfahren erfolgreich zu sein. Ob das Gericht am Freitag schon eine Entscheidung fällt, ist laut Pressesprecher offen. Möglicherweise werde auch zeitnah ein zweiter Termin zur Verkündigung des Urteils angesetzt. Kalbitz geht derweil auch vor dem Schiedsgericht der AfD gegen seinen Rauswurf vor.
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