Streit um das Pankower Tor: Kaufst du noch oder wohnst du schon
Der jahrelange Streit über das Großbauprojekt des Möbelkönigs Kurt Krieger eskaliert. Die Grünen fordern inzwischen sogar eine Enteignung.
Für den „Plan A“ steht Sören Benn. Pankows Bezirksbürgermeister von der Linken will schaffen, woran alle Bezirkspolitiker vor ihm gescheitert sind. „Ich will das Projekt zu einem guten Abschluss bringen“, sagt Benn der taz. Bis Ostern will er mit Krieger und dem Senat eine Vereinbarung unterzeichnen. Dann könnte es, nach zehn Jahren Streit, endlich weitergehen mit dem 500 Millionen schweren Investitionsprojekt in Pankow.
Krieger, selbst gebürtiger Pankower, hatte das Grundstück 2009 von der ehemaligen Bahntochter Aurelis gekauft. Ziel war es, seine Möbelhäuser (Möbel Höffner, Möbel Kraft, Sconti) an einem Standort zusammenzuführen. Darüber hinaus sollte ein großes Einkaufszentrum entstehen. Im Gegenzug bot er dem Bezirk zwei Grundstücke auf dem Gelände für dringend notwendige Schulneubauten an.
Von Wohnungen war zunächst keine Rede. Die damalige Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) war bis zuletzt der Meinung, in Berlin gebe es keine Wohnungsnot. Dennoch sperrte sich der Senat gegen das Projekt. Das geplante Einkaufszentrum mit einer Fläche von 30.000 Quadratmetern, so das Argument, habe negative Auswirkungen auf die Einzelhandelsstruktur im Pankower Zentrum in der Breiten Straße und der Berliner Straße.
All das änderte sich, als der heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) Junge-Reyer ablöste und Bausenator wurde. Im Januar 2014 schließlich schien es den lange ersehnten Durchbruch in Pankow zu geben. Bei einem Besuch auf dem Gelände am U- und S-Bahnhof Pankow hatten sich Müller, der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, Pankows Bürgermeister Matthias Köhne (beide SPD) und Unternehmer Kurt Krieger per Handschlag geeinigt.
Weil Krieger zugesagt hatte, 750 Wohnungen zu bauen, hatte der Senat seinen Widerstand gegen das Einkaufszentrum aufgegeben. Die Bedenken der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung waren zuvor von einem Gutachten entkräftet worden.
Drei Jahre Stillstand
Andreas Otto, Grüne
Dass Andreas Otto sein Vertrauen in den „Plan A“ verloren hat, hat auch damit zu tun, dass seitdem nichts passiert ist. Ganz unschuldig daran sind die Grünen freilich nicht. Vor allem gegen das Shoppingcenter liefen viele von ihnen Sturm. Selbst als Krieger sich bereit erklärte, statt 750 Wohnungen 1.500 zu bauen, von denen ein Drittel für 6,50 Euro den Quadratmeter vermietet werden sollte, blieb der Widerstand groß.
Statt einer Shoppingmall plädierte der damalige grüne Baustadtrat und heutige Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner für mehrere Baublöcke mit Einkaufsmöglichkeiten in den Erdgeschosszonen.
Dass eine Shoppingmall nicht mehr zeitgemäß ist, meinte auch der ehemalige Städtebauprofessor Wolfgang Christ von der Bauhaus-Universität Weimar. „Das Pankower Tor entspricht der amerikanischen Mall-Typologie der 1960er Jahre“, stellte Christ in einem Gutachten fest. Ebenfalls städtebaulich überholt seien die anschließenden Möbelhäuser, die „Grüne-Wiese-Typologie“ in Reinkultur an den Endpunkt der A114 implantierten.
Das Problem an diesem Gutachten: Es wurde von der Deutschen Immobiliengruppe DI in Auftrag gegeben, die unter anderem das benachbarte Rathauscenter gebaut hat. Für dieses wäre das Pankower Tor natürlich unerwünschte Konkurrenz.
Kompromiss schien möglich
Dennoch schien das Signal auf dem ehemaligen Güterbahnhof zuletzt auf Fahrt zu stehen. Beim Streit über das Verkehrskonzept hatte der Senat nach langem Zögern auf die seit Jahrzehnten geplante Ost-West-Straße verzichtet, die auf dem Gelände verlaufen und über die Berliner Straße hinweg bis zur Mühlenstraße führen sollte.
Stattdessen wird nun über eine Straßenbahn von Pankow über Heinersdorf nach Weißensee nachgedacht. Ein Entgegenkommen an den Bezirk, der schon lange eine Straßenbahn gefordert hatte. Im Gegenzug stellte der Bezirk eine Genehmigung des Einkaufszentrums in Aussicht. Eine „Potentialanalyse“ hatte zuvor ergeben, dass am Bahnhof Pankow 27.000 Quadratmeter Verkaufsfläche vertretbar seien.
Doch inzwischen ist es Krieger, der bockt. So verfällt der historische Rundlokschuppen am Bahnhof Heinersdorf, obwohl Krieger laut der damaligen Vereinbarung für dessen baulichen Erhalt zuständig ist. Auch alle Planungsleistungen hat der Investor eingestellt. Offenbar spielt Krieger auf Zeit, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Krieger selbst äußert sich nicht mehr öffentlich zum Pankower Projekt.
Platz für Wohnungen
Für Andreas Otto ist es deshalb der richtige Zeitpunkt, seinen Plan B zu forcieren. „Ich möchte, dass das Gelände des Güterbahnhofs zu einem städtebaulichen Entwicklungsgebiet wird“, sagt er der taz. „Statt einer Shoppingmall soll es mehr Wohnungen geben.“ Eine Verdoppelung der geplanten Zahl auf 3.000 Wohnungen kann sich Otto vorstellen, so dass einmal 7.000 Menschen in einem neuen Pankower Stadtviertel leben. Eine noch größere Zahl bringt der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz ins Spiel. Er spricht sogar von über 5.000 möglichen Wohnungen.
Um das zu erreichen, müsste freilich der Senat das Genehmigungsverfahren an sich ziehen. Otto geht noch einen Schritt weiter. „Wenn sich Krieger nicht auf die städtebaulichen Ziele eines Entwicklungsgebietes einlässt, kann der Senat das Grundstück zum Verkehrswert kaufen.“ Enteignung mit Entschädigung also. Otto räumt ein, dass sein Vorstoß auch ein Denkanstoß werden kann. „Wenn Plan B nicht kommt, wäre es schade. Aber wenn dann der Plan A besser wird, ist es mir auch recht.“
Sören Benn, der Verfechter des Plan A, hält von solchen Gedankenspielen wenig. Er möchte möglichst schnell die Vereinbarung mit Krieger erzielen, um dann die weiteren Schritte in Angriff zu nehmen. Pankows Bürgermeister dämpft aber die Erwartungen auf einen baldigen Baubeginn. „Bevor wir einen Bebauungsplan aufstellen, muss es noch eine Trassenuntersuchung geben und eine weitere Verträglichkeitsuntersuchung für den Einzelhandel.“
Der Streit um die Shoppingmall wäre damit aber noch nicht ausgestanden. „Eine Vereinbarung ist noch keine Festlegung auf die Zahl der Baukörper oder die Architektur“, so Benn. Er selbst kann sich aber vorstellen, einen Mittelweg zwischen reiner Shoppingmall und einzelnen Baublöcken zu finden.
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