Streit um chinesische Zensur: Chinas Arm in Hannover
Nach der Absage einer Lesung am Konfuzius-Institut Hannover mehrt sich Kritik: China habe Zensur geübt. Die Uni erwägt eine Ende der Kooperation.
Für den Co-Autor Adrian Geiges kam die Absage doppelt überraschend: Das Leibniz-Konfuzius-Institut Hannover (LKIH), das sein Programm mit der chinesischen Partneruni abstimmt, hatte dazu extra einen Teil der Biografie über den chinesischen Präsidenten vorab übersetzt. Aus China war kein Veto gekommen. Zudem haben die Autoren ihr Buch noch Ende September im Leipziger Konfuzius-Institut vorgestellt.
Laut Geiges waren die MitarbeiterInnen in Hannover „selber schockiert über die Absage“. Das kurzfristige Veto hätte man sich damit erklärt, „dass es gar nicht um Inhalte geht, sondern dass Xi Jinping als unantastbar, unbesprechbar gilt“.
In einer Stellungnahme zur Absage äußert sich das LKIH bemerkenswert deutlich: Es sei zu „Meinungsverschiedenheiten mit den chinesischen Partnern“ gekommen, die „ein Festhalten an dem Format und eine Mitwirkung des LKIH nicht mehr möglich machten“. Und: „Das LKIH unterstreicht den Wert einer unabhängigen und selbstbestimmten Programmplanung und ist erstmalig mit dieser Situation konfrontiert.“ Derzeit evaluiere und kläre man die Angelegenheit in den verantwortlichen Gremien des Instituts.
Absage „nicht akzeptabel“
Die Absage hat weite Kreise gezogen. Felicitas von Lovenberg, die Verlegerin von Piper, wo die Biografie erschienen ist, nannte sie „ein beunruhigendes und verstörendes Signal“. Die Uni Hannover wird da noch deutlicher. Die Absage sei „nicht akzeptabel“, jeglicher Versuch der „politischen Einflussnahme auf Forschung, Lehre und Öffentlichkeitsarbeit der Leibniz-Universität durch ausländische Regierungen“ sei „strikt zurückzuweisen“, heißt es in einer Stellungnahme.
Die Uni hat die Autoren nun selbst zu einer Lesung eingeladen – dies sei ihr eine „Ehre und Freude“. Aber mehr noch, sie will die Kooperation mit dem Konfuzius-Institut zeitnah „überprüfen“. Und auch auf politischer Ebene kam Gegenwind: Der niedersächsische Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) hat die Uni um „Aufklärung und Stellungnahme“ gebeten. Danach wolle man „die notwendigen Konsequenzen ziehen“, schreibt seine Sprecherin Heinke Träger.
Die Konfuzius-Institute stehen in Deutschland schon länger in der Kritik; einige Universitäten haben in den letzten Jahren die Kooperation aufgekündigt. So etwa in Hamburg, wo die Uni mit Verweis auf mangelnde Wissenschaftsfreiheit in China die Zusammenarbeit 2020 beendete. Auf der Internetseite des Hamburger Instituts erscheint als ein Kooperationspartner die „Chinese international education foundation“ – die wiederum 2020 in der chinesischen Global Times gewürdigt wurde als Neugründung, um die „westliche Missinterpretation“ zu zerstreuen, das Konfuzius-Institut-System diene als Chinas „ideologische Marketingmaschine“.
Ende der Konfuzius-Strategie
Der Sinologe Sascha Klotzbücher, der die Göttinger Professur „Wirtschaft und Gesellschaft Chinas“ verwaltet – und die Autoren ebenfalls eingeladen hat – sieht die Konfuzius-Institute ohnehin als Auslaufmodell. Er wertet die anders als in Hannover offen erfolgte Intervention in Duisburg, wo der Generalkonsul Einspruch gegen die Lesung erhob, als klares Signal, „dass China sich von dieser Konfuzius-Strategie trennen und wirkungsvollere Methoden der Infiltration vorbereitet“.
Daher sei die offene Zensur Teil der Strategie: „Damit muss China selbst nicht die Schließung der Institute verkünden und ihre deutschen Fürsprecher enttäuschen, sondern den letzten Schritt der Schließung überlässt sie der deutschen Politik, die nach diesem Vorfall reagieren muss und wird.“ Zu den FürsprecherInnen gehört der ausgeladene Autor Geiges: Für ihn sind die Konfuzius-Institute Teil eines „Wandels durch Annäherung“. Die Plattform für den Dialog hätte folglich keinen Platz mehr, wenn die Institute dicht machen.
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