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Streit um Pkw-Maut in DeutschlandDeutschland und EU vor Einigung

Zuerst hatte die EU-Kommission geklagt, weil die Maut Ausländer diskriminiere. Jetzt sei eine Einigung schon vor November möglich, sagt Alexander Dobrindt (CSU).

Hier kommt die Maut: Deutsche Fahrzeughalter sollen allerdings nur 74 Euro zahlen Foto: dpa

Berlin rtr | Im Streit über die geplante Pkw-Maut in Deutschland gibt es eine überraschende Wende. Das Bundesverkehrsministerium und die EU-Kommission haben sich in ihren Verhandlungen offenbar so weit angenähert, dass die Abgabe doch noch eingeführt werden kann. „Wir bewegen uns aufeinander zu, und ich bin sehr zuversichtlich, dass die Einigung mit der EU-Kommission im November steht“ sagte Ressortchef Alexander Dobrindt am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte, man sei nahe an einer Einigung, die noch in diesem Monat denkbar sei.

Die Pkw-Maut sollte eigentlich Anfang 2016 starten, liegt aber auf Eis, weil die Brüsseler Behörde Deutschland wegen der Pläne vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt hat und bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte. Über den offensichtlich bevorstehenden Durchbruch berichtete am Donnerstag zuerst die Bild.

Dobrindt (CSU) sagte, es gebe enge und vertrauensvolle Gespräche zwischen dem Kommissionspräsidenten und ihm. „Jean-Claude Juncker hat sich dabei persönlich stark engagiert, um eine gemeinsame Lösung zu finden.“

Bild zufolge verhandeln die beiden seit Wochen. Demnach könnte es zusätzlich zu den geplanten Mautstufen günstigere Kurzzeitvignetten für Pendler aus dem Ausland und eine stärkere Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit geben. Im Gegenzug wolle die Kommission ihre Klage zurückziehen. Für deutsche Autofahrer bleibe es dabei, dass keine Mehrkosten entstünden.

500 Millionen Euro mehr für Straßen

Die Abgabe soll für In- und Ausländer gelten. Inländer sollen aber über die Kfz-Steuer entlastet werden. Die Kommission hatte kritisiert, dies führe faktisch zu einer Befreiung von der Maut. Sie sah darin eine Diskriminierung ausländischer Autofahrer. Zudem seien die Kurzzeitvignetten in einigen Fällen zu teuer.

Die Pkw-Maut war im Bundestagswahlkampf 2013 ein Kernprojekt der CSU, die versprach, kein deutscher Autofahrer werde dadurch stärker belastet. Die SPD hatte das Vorhaben kritisch gesehen.

Die Grünen hegen weiterhin Zweifel an Dobrindts Mautkonzept. „Die Einigung über die Ausländer-Maut mit der Kommission, so sie denn wirklich stattgefunden hat, wird Dobrindt am Ende nichts helfen, denn sie wird vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der Passauer Neuen Presse (Freitagausgabe). Statt sich mit diesem „Unsinnsthema“ zu beschäftigen, solle Dobrindt sich besser um saubere Autos, eine funktionieren Bahn und Infrastruktur kümmern.

Nach früheren Schätzungen werden dank der Maut Einnahmen von 500 Millionen Euro jährlich erwartet, die in die Straßen gesteckt werden sollen. Die Abgabe soll auf Autobahnen und Bundesstraßen erhoben werden. Für ausländische Fahrzeughalter wird sie aber auf Bundesstraßen ausgesetzt, um den kleinen Grenzverkehr nicht zu belasten. Deutsche Fahrzeughalter müssen automatisch eine Jahresvignette kaufen, die im Schnitt 74 Euro kosten wird. Ob sich an diesen Zahlen nach einer Einigung mit der EU-Kommission etwas ändert, war zunächst unklar.

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3 Kommentare

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  • Kann man nicht irgendwen in die Vergangenheit schicken, um die CSU zu verhindern oder so?

  • Diese Ausländerstrafmaut wird nicht einmal das BVG überstehen. Geschweige denn den EuGh. Nun mag man sich fragen, was das Verfassungsgericht damit zu schaffen hat. Nun, das ist sehr einfach. Wie nach 1933 sind die wenigen überzeugten Demokraten aus Deutschland schon emigriert und leben in grenznahem Bereich in den europäischen Nachbarländern. Gearbeitet wird z.B. in Deutschland. D.h. sie sind in Deutschland sogar meist unbeschränkt steuerpflichtig.







    Eine Ausländerstrafmaut, oder Dobrindts "Nichtarierabgabe" trifft den Grenzpendler, der nicht hintenherum wieder entlastet wird. Das widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Denn die Fahrzeuge müssen im Wohnortland zugelassen und versteuert werden. Die Staatsangehörigkeit der Halter dagegen ist deutsch.







    Ferner wird Belgien, durch den



    christdemokratischen Kollegen der Ostkantone Klage vor dem EuGh erheben, weil nämlich davon ein erheblicher Anteil von Arbeitnehmern in Ostbelgien betroffen ist. Wir erinnern uns an CETA. Diese Region ist von der Wirtschaftskraft in etwa bei Spanien oder Portugal anzusiedeln. Die Ostkantone sind auf die Arbeitsplätze in der Euregio angewiesen.







    Aber am Ende geht es ja dem Dobrindt nicht nur um urdeutsche Diskriminierung von Schlitzohren, Schlitzaugen, Pommesfresser, Käsköppe und Ösis - sondern gleichzeitig vermittelt die elektronische Kontrolle der Vignetten eine lückenloise Überwachung der Bundesbürger.

     

    Kommentar bearbeitet. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

     

     

  • Anton Hofreiter hat inzwischen offenbar vergessen, wie das damals war, als Deutschlands Grüne an der Macht gewesen sind.

     

    Auch die Grünen hätten sich "um saubere Autos, eine funktionieren Bahn und Infrastruktur kümmern" können, als sie noch Teil der Bundesregierung waren. Haben sie aber nicht. Sie haben sich lieber mit "Unsinnsthem[en]" befasst, weil sie es einfach leichter fanden, sich mit den WählerInnen anzulegen, die nur alle vier Jahre so etwas wie eine Macht und außerdem ein angeblich sehr kurzes Gedächtnis haben, als mit der Auto-Industrie, der Deutschen Bahn, den Energiekonzernen oder gar mit ihrem unternehmerfreundlichen Koalitionspartner SPD.