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Streit um Pestizidrückstände im Bordeaux125.000 Euro Strafe für Weinrebellin

Valérie Murat hatte auf Pestizidrückstände in teurem Bordeauxwein hingewiesen. Sie erhielt eine hohe Strafe wegen Verleumdung.

Gesundheitlich gefährdet? Eine rumänische Arbeiterin während der Weinernte in der Region Bordeaux Foto: Tom Grimbert/Hans Lucas/imago

Berlin taz | Die französische Anti-Pestizid-Aktivistin Valérie Murat ist am Donnerstag vor der Zivilkammer in Libourne wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe von 125.000 Euro verurteilt worden. Das Gericht befand die „Weinrebellin“ für schuldig, mit ihrer Veröffentlichung zu Pestizid-Rückständen in Bordeauxweinen dem Ansehen des Anbaugebiets schwer geschadet zu haben.

100.000 Euro gehen als Schadensersatz an die Vereinigung der Bordeauxwinzer, 25.000 Euro muss sie an weitere Kläger bezahlen. Außerdem müssen Murat und ihre Bürgerinitiative „Giftalarm“ (Alertes aus Toxiques) innerhalb von 14 Tagen alle Veröffentlichungen, die die Reputation der Bordeauxwinzer angreifen, zurückziehen. Andernfalls muss sie 500 Euro Zwangsgeld für jeden Tag des Ungehorsams zahlen.

Murat und ihre Organisation hatten im September 2020 die Analysedaten von 22 Weinen veröffentlicht, davon 20 aus dem Bordelais. Das beauftragte Labor hatte 28 verschiedene Substanzen gefunden mit teils krebserregenden, teils hormonellen oder erbgutverändernden Wirkungen. Im Schnitt fanden sie acht verschiedene Pestizide je Flasche. Murat hatte diese Ergebnisse scharf kommentiert: Die Bordeauxwinzer seien „gierig nach Pestiziden“ und es sei Verbraucherbetrug, dass diese Weine das Phantasielabel „besonders umweltfreundlich“ tragen.

Der Bordeaux-Winzerverband CIVB reagierte „mit Befriedigung“ auf das Urteil. Es sei die angemessene Antwort „auf die Anschuldigungen, die wir kollektiv ertragen mussten“. Das Urteil zeige, dass solche Verunglimpfungen nicht ungestraft bleiben, sagte CIVB-Präsident Bernard Farges. Die Konzentrationen der ermittelten Pestizid-Rückstände in den Weinen seien sehr niedrig und vollkommen legal.

„Gesellschaftliche Hinrichtung“

Murats Anwalt Eric Morain kündigte sofort nach dem Urteil Berufung an. Das Gericht habe die „gesellschaftliche Hinrichtung“ seiner Mandantin verkündet. Das Urteil sei tendenziöses Unrecht. Murat werde in diesem Rechtstreit nicht nachgeben und „bis zum Ende“ gehen. Murat selbst sagte, offenbar sei auch die Luft in Libourne schon verseucht. Diejenigen, die wegen der Pestizide Alarm schlagen, würden beschmutzt. Das Weinland Frankreich beschütze nicht den Wein, sondern seine Giftstoffe.

Valérie Murat ist selbst Winzertochter im Anbaugebiet „Entre deux mers“. Ihr Vater ist an Krebs gestorben, sein Krebsleiden wurde als Berufskrankheit in Folge des Pestizideinsatzes anerkannt. Murat hat immer wieder Rückstandsmessungen auf Pestizide veranlasst und damit dem Thema Pestizide im Wein Aufmerksamkeit beschert. Im Laufe des Prozesses hatten sich 43 Organisationen aus ganz Europa mit Murat solidarisch erklärt, darunter auch Greenpeace, das Umweltinstitut München und das Pestizid-Aktionsnetzwerk sowie Abgeordnete des Europaparlaments.

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13 Kommentare

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  • Wer die Wahrheit sagt braucht ein schnelles Pferd ...

  • Da hilft auch kein Reinheitsgebot. Denn auch im Bier wurde Glyphosat gefunden.



    Die Ehrliche Winzerin wird am Ende der Prozesse siegen, da bin ich mir sicher. Sie ist die einzige der es um die Qualität des Produktes geht und nicht vordergründig um das Geld. Der Verband würde vermutlich auch Kloreiniger als Wein verkaufen und fände das auch noch richtig und gut. Das erinnert mich stark an das Frostschutzmittel im Wein damals in Österreich.

    • @Sonnenhaus:

      Naja, das eine war eine bewusste Täuschung über die tatsächliche Qualität des Weins (auch ein dt. Grosswinzer war daran beteiligt) und das hier geht um Rückstände, die in der modernen Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Ob diese nun gut sind, darüber kann man sicher streiten. Und solange es keine Grenzwerte gibt, müssen natürlich Aktivisten dafür kämpfen. Die Winzer machen aber an sich nichts falsch - im gegensatz zum Glykolskandal.

      Generell stört es mich mehr, dass auf Wein überhaupt keine Inhalts- bzw. Zusatzstoffe angegeben werden müssen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Das ist Rechtsstaatlichkeit. Wer die Wahrheit veröffentlicht landet letztlich im Knast.



    Julian Assange ging es nicht anders.



    Man möchte kotzen!



    Französischer Wein hat mir eh nie geschmeckt.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Aussagen 1-3 finden mein vollstes Ein- Aussage 4 als typisch deutsche Generalisierung klares Unverständnis.

  • Wie ist die Rechtslage dort? Wenn sie die immense Summe nicht zahlen kann, darf sie dann auch noch in den Knast?

  • Und was sagt der Verband der deutschen Prädikatswinzer dazu?

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Wenn die Werte legal sind kann man sie veröffentlichen, das ist doch absurd. Da hat die Lobby gewonnen, da braucht es EU Gesetzgebung Pestizidanteil sollte auf jeder Flasche vermerkt werden.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @83379 (Profil gelöscht):

      Frau Klöckner, die ehemalige Weinkönigin, wird ihnen sicherlich zustimmen.



      Wo sind die Analysewerte für deutsche Weine zu finden?

      • Manfred Kriener , Autor des Artikels,
        @17900 (Profil gelöscht):

        Vermutlich dürften die Kommentare von Frau Murat, mit denen sie die Veröffentlichung der Laboranalysen geschmückt hat, entscheidend gewesen sein für das Urteil. In der Veröffentlichung heißt es ja, die Winzer seien "gierig" nach Pestiziden.

  • WElche Kommentar kann man da noch eingeben? Das macht doch sprachlos! Eine Winzerin lässt Wein in Laboren teste. Ich nehme an, die Labore sind vertrauenswürdig wahrscheinlich sogar zertifiziert. Dann veröffentlicht sie die Testergebnisse. Das soll eine Straftat sein?

    Vielleicht kann man ihr empfehlen, ihre Ergebnisse in Ausland zu veröfffetlichen - dort wo man Testergebnisse veröffentlichen darf - egal of sie irgendwelchen Herstellern, Bauern oder sonstwem nicht genehm sind.

    • @fvaderno:

      Haben die französischen Winzer noch nicht vom Streisand-Effekt gehört? Ein solch hartes Urteil macht doch weltweit die Runde durch alle sozialen Medien. Selbst wenn das Urteil vielleicht sogar gerechtfertig sein mag - das kann ich nicht beurteilen - haben die Winzer mit diesem Urteil einen Pyrrhussieg errungen.

  • "seien sehr niedrig und vollkommen legal" ist nicht gleichbedeutend mit gesund