Streit um Mandelas Erbe: Wie beim Denver-Clan

Südafrika bangt um seinen Nationalheiligen Nelson Mandela. Doch die Familie hat nichts Besseres im Sinn, als sich um sein Erbe zu streiten.

Vor dem Krankenhaus in Pretoria, in dem Mandela liegt. Bild: ap

JOHANNESBURG taz | Während der als wichtigste Ikone des 20. Jahrhunderts gefeierte Mandela auf dem Sterbebett liegt, kam es zu zu heftigen Streitereien in der Familie und zu einem Gerichtsprozess mit Eilantrag: Dieses Mal ging es um Verjährtes – um die Gebeine seiner vor Jahren verstorbenen Kinder.

Da kommt der von vielen ungeliebte älteste Enkelsohn Mandla ins Spiel, der von Nelson Mandela selbst 2007 als traditioneller Stammeshäuptling in seinem Geburtsort Mvezo eingesetzt worden ist. Mandelas zwei Söhne aus erster Ehe waren früh verstorben. Darunter der Vater des Enkels und eine Tochter Mandelas.

Aber Mandla Mandela hat mehr im Sinn, als nach den Traditionen zu schauen. Er hat begonnen, den Ort auszubauen, und wollte mit einer Pilgerstätte „Mvezo Great Place“ an Mandelas Grab Touristen anlocken. Der Mvezo-Chef ließ eines Nachts vor zwei Jahren in geheimer Aktion die Gebeine der drei Mandela-Kinder von Qunu nach Mvezo umbetten. Sie waren dort beerdigt worden, wo Mandela aufgewachsen ist und seinen Ruhestand verbrachte – in Qunu, 20 Kilometer vom Dorf Mvezo.

Was machen die mit meinen Daten? Die Titelgeschichte "Wir wissen, was du morgen tun wirst" lesen Sie in der taz.am wochenende vom 6./7. Juli 2013. Darin außerdem: Im Dschungel Ecuadors wehrt sich ein Dorf gegen die Begierden der Erdölindustrie. Und der Streit der Woche zur Frage: Darf man öffentlich knutschen? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Mandla wolle mit den illegalen Beerdigungen Geld machen, warfen ihm 16 Angehörige vor. Darunter seine Tante Makaziwe Mandela, Nelson Mandelas Ehefrau Graca Machel und auch Angehörige von Mandelas königlichem Aba-Thembu-Klan. „Tata“ wolle in Qunu beerdigt werden, argumentierte seine älteste Tochter Makaziwe am Donnerstag vor Gericht im Ostkap. Er wolle in die Erde gebettet werden, wo seine Kinder liegen.

Freunde sollten sein Geld verwalten

Das hatte Mandla wörtlich genommen und daher die Kinder mit machthungriger Voraussicht in sein eigenes Dorf gebracht. Doch der Plan ging nicht auf. Das Gericht entschied für den Rest der Familie, und plötzlich gruben Totengräber nach den Überresten der Mandela-Kinder. In strömendem Regen wurden sie mit kurzen Gebeten erneut in Qunu beigesetzt.

Mandla blieb dem verursachten Drama fern. Er beschuldigte die Familie der Rachsucht, weil er als Einziger nicht am Prozess um das Geld seines Großvaters teilnahm. Die anderen wollten den Trust-Fonds Mandelas auf ihren Namen überschreiben lassen. Mandela hatte vertraute Freunde eingesetzt, sein Geld zu verwalten. Auch die Alten in Qunu und Mvezo sind unglücklich, weil Rituale vor der Umbettung nicht stattgefunden hätten. „Nelson Mandela wird keinen Frieden finden, bis die Ahnen versöhnt sind. Deshalb ringt er noch und lässt nicht los“, sagen sie.

Währenddessen ist der Verlauf eines jeden Tages höchst ungewiss: Lebt Madiba noch? Der erste Gedanke beim Aufstehen wird durch die Nachrichten bestätigt, aber die Gerüchte über den Gesundheitszustand des fast 95-jährigen früheren Präsidenten gehen weiter. Sie ändern sich fast stündlich, genau wie die Gemütslage der Beobachter. Twitter verarbeitet alle Details der traurigen Angelegenheit und setzt neue Gedanken in Sekunden dazu. Am Donnerstag kam es zu einer bisher nie da gewesenen Klarheit – Mandela ist im Dämmerzustand.

Der weltweit als Held des schwarzen Befreiungskampfes verehrte Mandela war während seines vierwöchigen Krankenhausaufenthaltes in Pretoria schon mehrfach totgesagt und hatte Südafrika in höchste Alarmbereitschaft hinsichtlich der gefürchteten Nachricht versetzt. Nun sollen Ärzte der Mandela-Familie geraten haben, den alten Mann „loszulassen“ und die lebenserhaltenden Geräte abzuschalten. Debattiert wird dies wohl in Insider-Kreisen schon lange.

Die Besucherströme lassen nach

Werden sie warten, bis Obama abreist, fragten sich viele Menschen. Mittlerweile ist US-Präsident Barack Obama nach seiner Afrika-Reise der vergangenen Woche längt wieder zu Hause eingetroffen, und Mandela liegt noch immer im Krankenhaus. Besucherströme lassen nach, aber Südafrikaner und Touristen pilgern zum Eingang, zur „Tribut-Wand“ für Mandela. Sie beten in Hoffnung für ihren Helden, legen Blumen nieder, zünden Kerzen an in Gedanken an ihren ersten schwarzen Präsidenten, dem sie ein demokratisches Südafrika verdanken.

Die Regierung des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und Mandelas Partei heuerten Busse an, die ANC-Anhänger zum Krankenhaus brachten, um „Tata Madiba“, den Vater der Nation, mit Sang und Tanz zu ehren. Das macht sich gut für die Präsidentschaftswahlen im April, denn die Wählerzustimmung für Präsident Jacob Zuma ist angeblich gesunken. Da kommt „Tatas“ Lebenswerk für den ANC gerade recht, ihn nicht nur zu würdigen, sondern die in Skandale und Korruption verstrickte Partei noch einmal in Mandelas Licht erstrahlen zu lassen.

Die Regierung betont auch mit dem Näherrücken seines Geburtstages am 18. Juli, Mandelas Erbe und Leben zu feiern. Sein Geburtstag ist ein internationaler Gedenktag, an dem 67 Minuten lang Gutes für andere Menschen getan werden soll. Eine Minute für jedes Jahr, das Mandela im Dienste der Öffentlichkeit verbracht hat. Mandela ist zwar oft fast als ein „Heiliger“ gewürdigt worden, doch gesegnet mit einer anständigen Familie ist er nicht. Der sich bereits vor dem Krankenhausaufenthalt anbahnende Gerichtsstreit der Angehörigen um sein Geld war äußerst befremdend. Doch die sich diese Woche entfaltende Mandela-Saga glich einer Soap-Opera.

Mandela, der zeitlebens für die Vereinigung von Schwarz und Weiß gekämpft hat, weiß nichts von der hässlichen Fehde in seiner Familie. Seine Frau Graca Machel sagte Freitag: „Es geht ihm gut. Nur manchmal hat er Schmerzen und fühlt sich unwohl.“ Das Präsidentenbüro hatte Berichte dementiert, dass der kranke Staatsmann nicht bei Bewusstsein sei.

Jeden Tag in der nächsten Woche wird es neue Spekulationen geben. Nur eines steht jetzt fest: Nelson Mandela wird auf seiner Farm in Qunu beerdigt.

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