Streit um Krankenhaus-Personal: Hamburg bremst Pflegeinitiative
Der Hamburger Senat zerrt die Volksinitiative für mehr Pflegekräfte vor das Verfassungsgericht, weil sie gegen Bundesrecht verstoße. Deren Juristen sehen das anders.
Am heutigen Montagnachmittag soll deshalb eine Protestkundgebung auf dem Rathaus stattfinden. „Die Klage ist ein Angriff auf Hamburgs Pflegekräfte, Hebammen und Reinigungskräfte“ sagt Kirsten Rautenstrauch, selbst Krankenschwester und eine Sprecherin des Bündnisses. „Und es ist ein Schlag ins Gesicht der 30.000 Bürger, die für unser Gesetz unterschrieben haben.“
„Wir werden ein großes Banner ausrollen und die Leute werden in Dienstkleidung erscheinen“, erläutert Co-Sprecher Axel Hopfmann. Von den Kollegen, die protestieren wollen, aber auf Schicht sind, wolle man Fotos hochhalten.
Der Vorgang wird in anderen Bundesländern mit Interesse verfolgt. Denn in Bremen, Berlin und Bayern gibt es Geschwister-Initiativen mit ähnlichen Forderungen. Sie wollen, dass der tatsächliche Bedarf an Pflegekräften im Krankenhaus regelmäßig erhoben wird und dass dieses Personal dann auch wirklich bereitgestellt wird. Eine solche Regelung gab es Anfang der 90er Jahre.
Der Hamburger Senat hält dagegen, dass diese Regelung in die Kompetenz des Bundes falle. Die grüne Gesundheitspolitikerin Christiane Blömeke warnte vor einer „Insellösung für Hamburg“, die angesichts der bundesweit von CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn geplanten „Personaluntergrenzen“ verfassungsrechtlich „sehr wackelig“ sei.
Die Hamburger Volksinitiative Pflegenotstand sammelte im März rund 30.000 Unterschriften für mehr Personal. Allein in Hamburg fehlten demnach 4.200 Pflegekräfte.
Die Initiative will eine Regelung von 1992 zurück. Damals wurde regelmäßig ermittelt, wie viel Pflegezeit ein Patient braucht, unterteilt nach Schweregraden.
Auch in Bremen startete am 27. Oktober eine Volksinitiative „Für mehr Krankenhauspersonal“. Wichtigstes Ziel ist ein ausreichender Personalschlüssel im Bremischen Krankenhausgesetz. Für seinen Antrag braucht das Bündnis im ersten Schritt 5.000 Stimmen.
50 Volksinitiativen gab es in Hamburg seit 1997. Durch eine Senats-Klage gestoppt wurde 2016 die Initiative „Rettet den Volksentscheid“.
Den meist aus Beschäftigten bestehenden Volksinitiativen wird oft mit dem Verweis auf Spahns Pläne entgegnet. Der Gesundheitsminister verfügte jetzt per Rechtsverordnung, dass ab 1. Januar 2019 in allen deutschen Krankenhäusern in den vier Bereichen Kardiologie, Unfallchirurgie, Geriatrie und Intensivstation Mindestgrenzen für das Personal gelten, die nicht unterschritten werden dürfen.
Axel Hopfmann kritisiert, dass sich diese Untergrenze einfach am Ist-Zustand orientiert, und nicht am Bedarf: „Das schlechteste Viertel der Kliniken bildet eine Untergrenze, dort zieht man eine Linie.“ Die übrigen Dreiviertel seien demnach erlaubt. Doch bei dieser Betrachtung, die perspektivisch per Gesetz für alle Bereiche gelten soll, werde sich eben nicht am Bedarf, sondern am Schlechtesten orientiert. Das könnte sogar zu einem Stellenabbau führen, sagt der Pflegeaktivist. „Man kann das auch als Bedrohung sehen.“
Die Hamburger Initiative hat sich juristisch von der bayerischen Rechtsanwältin Adelheid Rupp beraten lassen. Und die sieht im Bundesgesetz keine Hürde. Der Bund stellt Regeln auf, sagt die Juristin. „Diese dürfen von den Ländern nicht unterlaufen werden. Jedoch erlaubt der Paragraf 6, Absatz 1a, des Krankenhausfinanzierungsgesetzes den Ländern Spielraum bei den Qualitätsanforderungen.“
Bayern habe in seinem Landesgesetz diesen „Spielraum ausdrücklich ausgeschlossen“, sagt die Anwältin. Hamburg habe in seinem Landeskrankenhausgesetz keine entsprechende Einschränkung formuliert. Eben dieser unterschiedliche Umgang der Länder zeige, „dass hier eine Gesetzgebungskompetenz besteht“.
Streit um Gesprächs-Abbruch
In Bayern sammelte just auch eine Volksinitiative über 100.000 Stimmen, mit dem Ziel, in dem Landesgesetz durch klare Personalbemessungsregeln die Pflege zu verbessern. In Berlin, wo eine Volksinitiative über 50.000 Unterschriften sammelt, sitzen Senat und Bürger darüber noch in Gesprächen. Ob geklagt wird oder nicht, ist auch eine politische Frage.
In Hamburg trafen sich Initiative und Regierungs-Fraktionen nur ein Mal am 20. September zum Gespräch. Seit die Initiative Anfang Oktober mit dem „Volksbegehren“ formal die nächste Stufe des dreistufigen Volksgesetzgebungsverfahren anmeldete, herrscht Eiszeit. Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks verkündete über die Presse, das Bündnis habe die Gespräche abgebrochen. Dieses reagierte empört und sprach von einer „Lüge“. „Wir sind nach wie vor zu Gesprächen bereit“, betont Hopfmann.
Doch nun heißt es abwarten. Hamburg Landeswahlleiter Oliver Rudolf erklärt, der Senat sei 2012 gesetzlich verpflichtet, das Verfassungsgericht anzurufen, wenn er Zweifel habe. Wie lange das dauert, ist offen. Der Terminplan der Initiative dürfte jetzt Makulatur sein. Denn eigentlich wollte sie im Winter 2019/2020 parallel zur nächsten Hamburg-Wahl abstimmen lassen. Auch wenn die Initiative vor Gericht gewinnt, wird sie das kaum noch schaffen.
Deniz Celik, Gesundheitpolitiker der Linken, nennt die Klage ein „durchsichtiges Mannöver“, und fordert den Senat auf, die Gespräche wieder aufzunehmen. „Was mich wundert“, sagt er, „in Bayern wird die Volksinitiative von Grünen und SPD unterstützt“.
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