Streit um Finanzen in Berlin: Bezirke warnen vor Einsparungen
Acht Bezirksbürgermeister*innen kritisieren die Sparvorgaben des grünen Finanzsenators scharf. Berlins Haushalt wird am Dienstag vorgestellt.
Die Kritik kommt punktgenau: Am Dienstag soll der Senat Weseners Haushaltsentwurf für die Jahre 2022 und 2023 beschließen und an das Abgeordnetenhaus zur weiteren Debatte weiterleiten. Pikant: Mit Kirstin Bauch hat auch eine der fünf grünen Bezirksbürgermeister*innen unterschrieben. Die restlichen sieben Unterzeichner*innen gehören SPD und Linkspartei an.
Die Vorwürfe sind massiv: Die Bürgermeister*innen warnen vor einer finanziellen Überlastung der Bezirke, wodurch dringend notwendige Verbesserungen etwa bei Bürgerdiensten nicht umsetzbar wären. „Über 100 Millionen Euro fehlen im unmittelbaren Dienst an den Bürger:innen, bei der Erfüllung von Rechtsansprüchen, bei der Servicequalität, in den Ordnungsämtern, den Grünflächenämtern“, heißt es in dem Schreiben.
Derzeit sind Termine auf Bürgerämtern stadtweit extrem rar gesät: Die Wartezeit beträgt bis zu zwei Monate, sofern überhaupt Termine angeboten werden. Die neue Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte eine leistungsfähigere Verwaltung zu einem ihrer politischen Kernziele erklärt.
Das sei aber nicht erreichbar, wenn die Bezirke zunehmend sparen müssten, so die Bürgermeister*innen: „Mit dieser Haltung gegenüber der Ressourcenausstattung der Bezirke wird die Koalition ihre politischen Ziele – auch im Rahmen des 100-Tage-Programms – verfehlen.“
Wieder „Sparen bis es quietscht“?
Die Unterzeichner*innen warnen vor einem Rückfall in die Nullerjahre unter Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und dessen Motto „Sparen bis es quietscht“. „Wenn der Senat und das Abgeordnetenhaus den Weg der massiven Einsparungen weiterverfolgen, stehen die Bezirke erneut vor Entscheidungen, Investitionen in die Zukunftsfähigkeit zu streichen, Gebäude und Grundstücke zu veräußern und das Personal in den Bezirksverwaltungen dauerhaft zu überlasten.“
Man sei an einer guten Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit dem Senat interessiert, betonen die acht Bürgermeister*innen. Der Finanzsenator solle deswegen umgehend die Einsparvorgabe zurücknehmen und zudem den Bezirken bereits entzogene Personalmittel in Höhe von rund 26 Millionen Euro zurückzahlen.
Finanzsenator Wesener wollte das Schreiben der acht Bezirksbürgermeister*innen am Montag nicht kommentieren. Sein Sprecher teilte auf taz-Anfrage indes mit, dass sich die Koalition auf eine „deutliche finanzielle Besserstellung der Bezirke geeinigt“ habe. „Diese Absprachen finden im Haushaltsentwurf natürlich Berücksichtigung.“
Sein Vorgänger, der SPD-Politiker Matthias Kollatz, hatte zuletzt stets erklärt, dass die Wirtschaftskraft Berlins in der Pandemie weniger stark eingebrochen sei als in den meisten anderen Ländern – „es muss beim Investieren bleiben, damit es bei dieser Erfolgsstory bleibt“, betonte er etwa im Juni 2021.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen