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Streit um EnergiewendeBestimmt Brüssel? Oder Berlin?

Schwarz-Rot verhandelt zäh um die Richtung bei der Energiewende. Auch die EU-Kommission wird in den Streit einbezogen.

Woher, wohin und vor allem, was ist drin? Bei der Energiewende sind noch Fragen offen. Bild: dpa

BERLIN taz | In Brüssel kann es heute zu einer Vorentscheidung kommen, wer künftig die Energiewende in Deutschland zahlt. Dort verhandeln Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mit EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia, wie viele Rabatte Deutschland seiner Industrie künftig noch bei den Strompreisen einräumen darf. Altmaier und Kraft leiten die Arbeitsgruppe Energie bei den derzeitigen schwarz-roten Koalitionsverhandlungen.

„Ich setze darauf, dass auch die Kommission ein Interesse daran hat, dass der starke Wirtschaftsstandort Deutschland nicht durch Entscheidungen aus Brüssel geschwächt wird“, sagte Altmaier am Mittwoch der dpa. Almunia drohte Deutschland schon im Sommer mit einem sogenannten Beihilfeverfahren wegen der Stromprivilegien der Industrie: 2014 werden laut eines internen Papiers des Bundesumweltministeriums (BMU) Teile der deutschen Industrie um sieben bis acht Milliarden Euro bei den Strompreisen entlastet, weil sie nur eine sehr geringe Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien zahlen.

Dafür steigt die Rechnung für Haushalte, Gewerbe und die nicht begünstigte Industrie. Der EU-Kommission ist die Höhe der Hilfen ein Dorn im Augen. Sie macht Druck auf Deutschland, die Privilegien zu verringern.

Genau das schlägt zwar auch das BMU-Papier vor – demnach könnten Kokereien, Raffinerien, die Zementindustrie oder der Maschinenbau mehr zahlen müssen. Allerdings dementierte das Ministerium umgehend: Das Papier sei „kein Gegenstand von Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD“.

Illegitime Beihilfe

Brüssel droht zudem, die deutsche Ökostrom-Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG ingesammt als illegitime Beihilfe einzustufen, eine seit Jahren schwelende Unsicherheit. Almunia will nächste Woche eine neue EU-Richtlinie vorschlagen, die festzurren soll, wie Ökoenergien in der EU künftig gefördert werden dürfen. Davon hängt maßgeblich ab, wie die Große Koalition das EEG reformieren wird.

Grundsätzlich geht es in den Koalitionsverhandlungen um zwei Richtungen: Weiter den schnellen Ausbau von Wind und Sonne fördern – oder die Entwicklung bremsen, um die Kosten zu dämpfen. Die EU drängt auf die zweite Option.

Aus dem Umweltministerium kommen die Vorschläge nach einem „verbindlichen Ausbaupfad“ für die erneuerbaren Energien, um Überförderung und übergroße Investitionen in Stromnetze zu verhindern.

Ebenso wie für die Photovoltaik soll auch für die Windenergie beim Ausbau eine Obergrenze festgelegt werden. Wenn die Erneuerbaren einen Anteil von 40 Prozent am Strommarkt haben – das wird beim jetzigen Tempo 2020 der Fall sein –, sollen Projekte für Öko-Energie nur noch über Ausschreibungen gefördert werden.

Bei der Gestaltung des künftigen Strommarkts stehen sich zwei Konzepte gegenüber: Das eine sieht vor, dass Stromanbieter in Zukunft „bedarfsgerecht liefern“ müssen. Damit könnten Wind und Sonne nicht mehr ohne Rücksicht auf Verluste Strom produzieren und einspeisen. Viele kleine Anbieter müssten sich zusammenschließen, um sich gegen den Ausfall ihrer Stromerzeugung zu versichern. „Dann bilden sich wieder Oligopole“, sagt ein Verhandler.

Regionaler Ökostrom

Die Gegenthese vertritt ein Papier, das der CSU-Abgeordnete Josef Göppel schon vor den Verhandlungen erstellt hat und das mit den SPD-Kollegen Ulrich Kelber und Matthias Miersch abgestimmt ist. Es sieht vor, dass Ökostrom von hunderten von regionalen Dienstleistern da vertrieben wird, wo er entsteht, statt bei Überproduktion an der Strombörse die Preise zu drücken.

Vorbild ist der Versorger N-ergy aus dem Wahlkreis von Göppel, bei dem im Umland von Nürnberg der Strom an den Mann gebracht wird. Die Vergütung soll auch in diesem Konzept knapp unter der Rentabilität liegen, um den Erzeugern einen Anreiz zu geben, ihren Strom selbst zu vermarkten.

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