piwik no script img

Streit um Corona-UrsprungKampf ums Narrativ

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Die USA und China überziehen sich in der Coronakrise gegenseitig mit Vorwürfen. Sie stellen damit Machtstreben über den Schutz von Menschenleben.

Ein freiwilliger Helfer bei einer Zeremonie für medizinisches Personal Foto: Ng Han Guan/ap

I n westlichen Ländern blickten Anfang Januar einige mit Schadenfreude auf China, als sich dort das Coronavirus zu verbreiten begann. Als auch noch offensichtlich wurde, dass dortige Behörden zunächst weniger das Virus bekämpften als vielmehr die Mediziner, die als Erste davor warnten, zogen manche schon eine Parallele mit Tschernobyl.

So wie der Atom-GAU den Machtverlust der Kommunistischen Partei beschleunigte, hätte das Virus ähnliche Folgen für China haben können. Doch Peking hat nach anfänglicher Vertuschung das Virus inzwischen mit großer Kraftanstrengung in den Griff bekommen. Inzwischen geriert sich das autoritäre China durch öffentlichkeitswirksame Hilfslieferungen in vielen Ländern sogar als Freund in der Not.

Umgekehrt wurde in westlichen Ländern das Virus zunächst nur als chinesisches oder asiatisches Problem gesehen. Doch als es sich auch in Europa und Nordamerika ausbreitete, waren viele Gesundheitssysteme schlecht aufgestellt. Und viele westliche Politiker gefährdeten in der ihnen eigenen Überheblichkeit ihre Bevölkerung, weil sie diese in falscher Sicherheit ließen und zu spät und inkonsequent handelten.

Heute ächzt die ganze Welt unter der Pandemie, kämpfen Mediziner um das Leben Infizierter und fürchten viele um ihr wirtschaftliches Überleben. Doch Legenden werden bereits gestrickt. Denn das Narrativ der Pandemie wird nicht nur die Sicht auf die Katastrophe, ihre Verursacher und Helden prägen, sondern auch mit entscheiden, wer davon profitiert. In der strategischen Rivalität zwischen den USA und China ist Corona längst zum Schlachtfeld geworden.

Doch statt gemeinsam den Feind der Menschheit zu bekämpfen, werden Verschwörungstheo­rien lanciert. So adelt der wahlkämpfende US-Präsident Trump plötzlich eine schon bisher von Experten für nicht plausibel gehaltene Theorie über ein Labor in Wuhan als Ursprungsort des Virus; chinesische Diplomaten kontern mit abstrusen Vorwürfen über nach Wuhan gereiste US-Militärs als Überträger des Virus. Der Umgang mit der Pandemie lässt das Verhältnis zwischen Washington und Peking auf einen Tiefpunkt sinken und die bisher eng miteinander verflochtenen Ökonomien wieder auseinanderrücken.

Keine gute Figur der WHO

Bei der Krisenbewältigung bleiben Transparenz und Kooperation zum Nutzen aller auf der Strecke. Das Virus stärkt die Nationalismen – dabei wäre die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg gerade jetzt massiv nötig. Die WHO hat in der Krise bisher keine gute Figur gemacht, doch ist ein Erfolg ihrer Arbeit dringend notwendig.

Natürlich ist die Frage nach den Ursachen der Krise und den Fehlern im Umgang damit relevant – dann aber bitte von Anfang bis Ende. Wer sich jetzt nur einzelne Aspekte herausgreift, statt unabhängige Untersuchungen und Transparenz zu fördern, lenkt vom eigenen Versagen ab und stellt Ideologie und Machtstreben über den Schutz von Menschenleben. Das gilt für China wie die USA gleichermaßen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Wow! "Sozialismus im Unwiderlegbarkeitswahn". Steht das im ICD 10?

    Da scheint wohl jemand mit einer schlecht funktionierenden Zeitmaschine unterwegs zu sein.

    Ich versuche mal herauszufinden, in welchem Jahr er gelandet ist.

  • Die Systemkrieger werden nicht weniger. Hie Kapitalismus im Freilauf, da Sozialismus im Unwiderlegbarkeitswahn. Schade, daß funktionell abrufbare Murksgestalten das Äußerste sind, dem wir Führungskompetenzen zutrauen. Danach sind wir ihnen ausgeliefert.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ob der Kommentar des Autors - wie behauptet - pro-chinesisch ist, soll nicht mein Thema sein.

    So wie es aussieht, haben sich beide Regierungen, jede auf ihre höchst eigene Art, nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

    Dass sich Hegemonialmächte wie die USA und China insbesondere durch das 'auszeichnen', was sie ausmacht, liegt auf der schmutzigen Hand: durch MACHT.

    Folglich sind Machterhalt und Machterweiterung deren oberste Gebote.

    Menschenleben sind demgegenüber nachrangig. Kein Wunder: sowohl China als auch die USA haben genug. Spötter würden sagen: mehr als genug.

  • Selten einen so unvoreingenommen pro-chinesischen Kommentar gelesen wie diesen. Die ideologische instellung des Autors sei ihm gelassen aber "... in vielen Ländern sogar als Freund in der Not." setzt der Heuchelei der chinesischen Regierung hier noch ein Ehrenmal. Die hier ach so gepriesene Hilfe ist das Mindeste was die chinesische Regierung leisten muss. Und die nicht als helfende Hand aus humanitären Gründen, wie uns der Autor gerne weissmachen möchte, sondern als Korrektiv eines anfänglich gefährdenden und auf das eigene Image bedachten Umgang mit dem Virus zum Zeitpunkt des Ausbruchs, als en vogue war das eigene Bild der Unfehlbarkeit des Staates zu zelebrieren, als schnellstmöglich die Welt über die Situation zu informieren.



    Da lässt sich nichts schön reden!



    Und ob nun Hinz mit Kunz streitet, und Macht über Menschenleben stellen mag ist einerlei, weil nichts neues. Willkommen auf der Erde!

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @Pia Mansfeld:

      "Inzwischen geriert sich das autoritäre China durch öffentlichkeitswirksame Hilfslieferungen in vielen Ländern sogar als Freund in der Not."



      gerieren bedeutet, dass man etwas darstellt, es gewissermaßen demonstrativ betreibt.



      das klingt jetzt nicht gerade " pro-chinesisch" seitens des verfassers.

      • @90118 (Profil gelöscht):

        Lesen, staunen, verstehen!



        Lesen Sie meinen Kommentar nocheinmal langsam und aufmerksam, dann werden Sie staunen, dass Sie etwas übersehen haben und verstehen, dass der zitierte Satz sich auf -Obacht, jetzt kommts - die Heuchelei der chinesischen Regierung bezog.



        Aha!

        • 9G
          90118 (Profil gelöscht)
          @Pia Mansfeld:

          der text ist nicht pro-chinesisch", egal wie erhellend der nochmals langsam und aufmerksam zu lesende kommentar dazu ist.



          recht haben wird immer wieder überbewertet ;)