Streit um Blackfacing in den Niederlanden: Pfeffernüsse und Notverordnung
Sinterklaas ist im Land. Rechtsextreme bejubeln seinen Helfer „Zwarte Piet“, 200 antirassistische Demonstranten werden festgehalten.
Die traditionelle Ankunft des Nikolaus fand am Samstag in Maassluis bei Rotterdam statt. Bei dem Umzug standen neben tausenden Eltern und Kindern auch etwa 20 Anhänger der selbsterklärten „radikalsten Partei der Niederlande, die den Volksnationalismus propagiert“ in einem extra eingezäunten Areal. Dies war ihnen von der Kommune zugewiesen worden.
Aus Sorge vor Konfrontationen zwischen Anhängern und Gegnern von „Zwarte Piet“ galt in Maassluis eine Notverordnung, die nur angemeldete Kundgebungen an spezial zugewiesenen Orten erlaubte. Die Gruppe „Kick Out Zwarte Piet“, in den letzten Jahren einer der Hauptakteure bei Protesten gegen den Nikolaus-Helfer und die Blackface-Tradition, hatte friedliche Proteste angekündigt, jedoch ohne diese offiziell anzumelden.
Maassluis glich am Samstag einer Festung. Das Polizei- Großaufgebot entsprach einem Fußballspiel mit höchster Risikostufe, die Route des Umzugs war durch Zäune gesichert, und Besucher wie Journalisten wurden schon am Bahnhof einer Leibesvisitation unterzogen. Während Sinterklaas und seine Helfer fröhlich Pfeffernüsse in die Luft warfen, kreiste über der Szenerie ein Polizei-Hubschrauber. Zahlreiche Niederländer machten in sozialen Medien ihrem Unmut darüber Luft, was aus dem beliebten „Kinderfest“ geworden sei.
Festnahmen bei antirassistischen Protesten
Wer in Maassluis fehlte, waren indes die Gegner von Zwarte Piet. Diese waren am Morgen mit drei Bussen in Amsterdam aufgebrochen. Bei einem Zwischenstop in Rotterdam wurden sie von Polizisten eingekreist und an der Weiterfahrt gehindert. Spontan entschloss man sich, stattdessen die zeitgleiche Sinterklaas-Ankunft in Rotterdam zu besuchen. Eine kleine Gruppe gelangte bis zur Erasmus-Brücke und wurde dort festgenommen.
Die anderen Demonstranten wurden an verschiedenen Orten im Zentrum Rotterdams unter freiem Himmel festgehalten, bis der Einzug vorbei war. Unter ihnen befand sich auch Simion Blom, ein Gemeinderatsmitglied von Amsterdam, und Michiel Pestman, der Anwalt eines der Aktivisten. Am Vorabend der Veranstaltung hatte auch Rotterdam kurzentschlossen eine Notverordnung verabschiedet. Laut Michiel Pestman wurde dies den Demonstranten jedoch erst Stunden später mitgeteilt.
Die Debatte um „Zwarte Piet“ ist in den letzten Jahren zunehmend heftiger geworden. Auch im bald beginnenden niederländischen Wahlkampf werden die Themen Identität und Integration zentral stehen. Die Parlamentswahlen finden im März statt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen