Streit um Baumfällungen in Berlin: Pflegen oder umhauen?
Das Bezirksamt Pankow will 21 Weiden fällen. Die Bäume faulen, heißt es. Doch nicht alle glauben das. Handelt es sich nur um eine Sparmaßnahme?
Im Streit um die Weiden in Pankow geht es um eine grundsätzliche Frage im Umgang mit Stadtbäumen: Ist es im Sinne des Klimaschutzes der beste Weg, angeschlagene Bäume so schnell wie möglich zu ersetzen? Oder sollte man in ihren Erhalt investieren?
Anfang Februar hatte das Bezirksamt Pankow angekündigt, die 21 Weiden in der Straße neben dem Arnimplatz zu fällen. Man habe Fäule festgestellt; die Bäume seien daher „nicht mehr ausreichend stand- und verkehrssicher“. Ersetzt werden sollen sie durch junge Bäume, „die nach dem aktuellen Stand der Forschung möglichst gut an die stadtklimatischen Bedingungen angepasst sind“, erklärte Anders-Granitzki in einer Pressemitteilung. Im Frühjahr will das Bezirksamt zunächst acht Feldahorn und sieben Stieleichen pflanzen lassen.
Man kann nicht einfach nachpflanzen
„Die Bäume, die gepflanzt werden sollen, sind deutlich kleiner als die Weiden, die hier stehen“, kritisiert Axel Lüssow, Bezirksverordneter der Grünen in Pankow bei einem Ortstermin am Freitagvormittag. Zudem brauche es ein paar Jahre, bis sie auf ihre volle Größe herangewachsen sind. „Die werden hier in den Hitzesommern, die uns erwarten, nicht genug Schatten werfen können.“
Für Schwierigkeiten bei der Aufforstung sorgen auch die Lieferengpässe bei Jungbäumen: Fünf Amberbäume, die künftig statt der Weiden in Pankow stehen sollen, sind derzeit Mangelware und können erst im Herbst geliefert werden. Zudem machen die extremen Sommer den nachwachsenden Bäumen zu schaffen: Der Boden ist häufig zu trocken, um das Regenwasser aufzunehmen, und um ans Grundwasser heranzukommen, sind ihre Wurzeln zu flach. Sie sind deshalb auf zusätzliche Wasserversorgung angewiesen.
„Auch deshalb sollten wir um jeden funktionierenden Baum kämpfen“, sagt Christian Hönig, Fachreferent für Baumschutz beim BUND. „Die Bäume sind die Klimaanlagen der Stadt.“ Ob die Weiden wirklich faul sind, kann er von außen nicht erkennen. „Aber man sieht, dass sie oft zurückgeschnitten wurden“, sagt er und zeigt auf die Baumkrone, „und das macht anfällig für Fäule und Brüchigkeit.“
Gutachten unter Verschluss
Hönig vermutet dennoch einen anderen Grund für die Baumfällung. Die Weiden stehen sehr nah an den Hausfassaden, daher müssen sie regelmäßig gestutzt werden: „Das ist ein hoher Pflegeaufwand, das kostet“, sagt der Experte.
Dass die Fäule nur ein vorgeschobener Grund sein könnte, vermutet auch Andreas Otto: „Es ist nicht nachvollziehbar, dass 21 Bäume auf einen Schlag nicht mehr standsicher sein sollen.“ Er und seine Mitstreiter*innen fordern, dass das Bezirksamt das Gutachten, das die Fällung rechtfertigen soll, vorab veröffentlicht.
„Bei Gutachten ist ja auch immer interessant: Wer beauftragt sie und mit welchem Ziel?“, sagt Andreas Otto. Es mache einen Unterschied, ob man Gutachter*innen damit beauftrage, möglichst viele Maßnahmen zum Erhalt der Bäume vorzuschlagen, oder damit, möglichst viele Schwachstellen zu finden. Doch Stadträtin Anders-Granitzki hält das Gutachten des Sachverständigen zurück. Damit widersetze sie sich einem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung, kritisieren Otto und Lüssow. Der sehe vor, dass Baumgutachten veröffentlicht werden, damit Entscheidungen wie diese nachvollzogen werden können.
Dass sie das Gutachten rechtzeitig zu sehen bekommen, geschweige denn die Fällung der Weiden noch verhindern können, glaubt Andreas Otto nicht mehr. Die Halteverbotsschilder in der Seelower Straße stehen schon.
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