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Streit über Mitbestimmung im AltenheimKein Betriebsrat ohne Gott

Ein Bremer Altenheim-Betreiber ist aus dem Diakonischen Werk ausgetreten. Einen „weltlichen“ Betriebsrat will er trotzdem nicht wählen lassen.

Die Egestorff-Stiftungstricks: Ob das Gott gefällt (hier auf eine Gemälde von Michelangelo)? Foto: Wikimedia Commons

Bremen taz | Der Bremer Altenhilfe-Träger Egestorff-Stiftung (ES) gehört nicht mehr zum Diakonischen Werk: Im Oktober 2017 erklärte er schriftlich seinen Austritt zum ersten Januar. Damit ist sowohl für die Stiftung als auch für ihre Tochtergesellschaften seit Jahresbeginn ihre rechtliche Zuordnung zur Kirche beendet und somit auch der „Dritte Weg“, also das kirchliche Arbeitsrecht. Die Stiftung sieht das allerdings anders und widersetzt sich jetzt den Plänen zur Wahl eines Betriebsrates.

In einem anwaltlichen Schrei­ben an die zuständige ­Ver.di-Sekretärin Kerstin Bringmann heißt es dazu: „Paragraf 118 Abs. 2 Betr.VG sieht für Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen einen vollständigen Ausschluss von der Anwendung des BetrVG vor.“ Und durch den Austritt der ES aus dem Diakonischen Werk habe „sich an dieser Situation nichts geändert“. Die Durchführung einer Betriebsratswahl sei daher rechtswidrig.

Die Egestorff-Stiftung sieht sich also nach wie vor als kirchliche Einrichtung, bei der die Mitbestimmung der Mitarbeitenden durch das kirchliche Mitarbeitervertretungsgesetz (MAVG) geregelt wird und nicht durch das weltliche Betriebsverfassungsgesetz (Betr.VG).

Der zuständige Kirchenausschuss der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) sieht das freilich ganz anders. „Der Ausschuss hat entschieden, die Zuordnung der Stiftung und ihrer Tochtergesellschaften aufzuheben und den Stiftungsvorstand abzugeben“, sagt Siegbert Wesner, juristischer Referent bei der BEK. Die ES habe im vergangenen Jahr schriftlich ihren Austritt aus dem Diakonischen Werk erklärt. „Sie wusste auch, welche Konsequenzen aus diesem Austritt folgen – darauf wurde sie von uns, ebenfalls schriftlich, aufmerksam gemacht“, sagt Wesner.

Er vermutet, dass die ES aus dem Diakonischen Werk ausgetreten ist, um Mitgliedsbeiträge zu sparen: „Es überrascht mich, dass sie nun offenbar glaubt, dass trotzdem weiterhin das Mitarbeitervertretungsgesetz gilt“, sagt Wesner. Die ES hat nicht nur der geplanten Betriebsratswahl widersprochen, sondern auch bei der BEK Widerspruch gegen die Entscheidung des Kirchenausschusses eingelegt.

Tarifflucht-Vorwurf schon 2014

Das hat für Ver.di-Rechtsanwalt Bernhard Baumann-Czichon keine Relevanz: „Die Landeskirchen sind souverän und Träger der Rechte – und wenn die bremische evangelische Kirche sagt, Egestorff ist raus, dann ist Egestorf raus.“ Er sei sich sicher, dass die ES vom Diakonischen Werk angemahnt worden sei, „weil die Stiftung und ihre Gesellschaften schon seit Jahren alles versuchen, um ihre Mitarbeiter nicht nach den Arbeitsvertrags-Richtlinien des Diakonischen Werks bezahlen zu müssen“.

In der Tat wurde der ES bereits 2014 Tarifflucht vorgeworfen und auch das Diakonische Werk Bremen hatte damals eine Stellungnahme veröffentlicht, in der es die Stiftung deutlich kritisiert. Damals hatte das Unternehmen angekündigt, sich zum Jahresende insolvent zu melden – und 85 MitarbeiterInnen zu schlechteren Bedingungen in einem neuen Unternehmen wieder einzustellen.

„Ich bin mir sicher, Egestorff ist auf Druck des Diakonischen Werks ausgetreten – und wenn sie irgendwann wieder kirchengemäße Löhne zahlt, darf sie bestimmt auch wieder dorthin zurück“, sagt Baumann-Czichon. Bis dahin aber habe das Betriebsverfassungsgesetz zu gelten.

Ganz so einfach scheint es allerdings nicht zu sein: „Mit dem Widerspruch der Egestorff-Stiftung-Altenheim müssen wir uns beschäftigen, wenngleich ich davon ausgehe, dass der Kirchenausschuss bei seiner Meinung bleibt“, sagt Siegbert Wesner. Dennoch habe die ES dann immer noch das Recht, vors Kirchengericht zu ziehen.

„Mit eventueller Revision und allem, was dazu gehört, kann es lange dauern bis es zu einer rechtskräftigen Entscheidung kommt“, schätzt Wesner. Welches Recht in dieser Zeit für die Mitarbeitenden gilt, ist ungewiss: Wesner vermutet, das kirchliche Mitarbeitervertretungsgesetz – aber da ihm ein ähnlicher Fall nicht bekannt sei, könne er das nicht mit abschließender Sicherheit sagen.

Mitarbeiter halten an Wahltermin fest

Die Mitarbeitervertretung (MAV) der Egestorff-Stiftung glaubt indes daran, dass es wie geplant im Mai eine Betriebsratswahl geben wird: „Ver.di hat Mittwoch Flyer verteilt und zu einer Info-Veranstaltung eingeladen und die Mitarbeitenden freuen sich sehr, wenn es zur Wahl kommt“, sagt Mitarbeitervertreter Jörg Dröse.

Die Egestorff-Geschäftsführerin Melanie Löwemann habe zwar von dem Widerspruch berichtet: „Sie sagte, erst einmal müsse das geklärt werden und auch, dass das durchaus zwei bis drei Jahre dauern kann.“ Aber für Dröse ist die Sache klar: „Seit Januar gilt für uns das Betriebsverfassungsgesetz.“

Seine MAV-Kollegin Marie­ta Weinkauf bezeichnet die Egestorff-Mitarbeitenden als Bittsteller bei der Geschäftsführung: „Die müssen dort betteln, wenn sie Lohnerhöhungen haben wollen – und bekommen sie grundsätzlich nicht.“ Das Betriebsverfassungsgesetz räume auch ihnen nun endlich ein Streikrecht ein.

Außerdem, sagt Weinkauf, sei die Wahl zur MAV undemokratisch: Von den insgesamt rund 300 Mitarbeitenden seien nur rund 100 Mitglieder der Kirche. „Das bedeutet, der größte Teil der Kollegen darf die MAV nur wählen, selbst aber nicht kandidieren“, kritisiert Weinkauf.

Er hoffe, dass sich hinsichtlich der geplanten Betriebsratswahl „in gegenseitigem Einvernehmen eine Lösung finden lässt“, sagt Detlef Nolte, Sprecher der ES. Im Mai werde es ein Klärungsgespräch zwischen Egestorff und dem Kirchenausschuss geben. Wenn es dort zu keiner Einigung komme, müsse man weiterschauen. Ob damit der Gang vors Kirchengericht gemeint ist, will er nicht kommentieren.

Für Rechtsanwalt Baumann-Czichon ist die Sache dennoch klar: „Wenn wir nicht positiv feststellen können, dass Egestorff der Kirche zugeordnet ist, kann sich Egestorff auf Paragraf 118 Absatz 2 Betriebverfassungsgesetz nicht berufen, sodass dort ein Betriebsrat zu wählen ist.“ Was bedeutet: Während die einen das Kirchenrecht bemühen, werden die anderen notfalls vors Arbeitsgericht gehen. Vors weltliche, versteht sich.

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