Streit mit Sprachpuristen: Sprachpreis? No, thanks!
Hamburger Kinderbuchautorin Kirsten Boie will sich nicht vom Verein Deutsche Sprache ehren lassen. Sie wirft dem Vorsitzenden Rechtspopulismus vor.
Mit dem undotierten Preis würdigt der VDS in Hamburg Einrichtungen und Personen, „die sich um die deutsche Sprache in besonderer Weise verdient gemacht haben“. Entgegengenommen haben ihn Rainer Moritz vom Literaturhaus Hamburg, die Stadtreinigung für die Botschaften auf ihren roten Abfalleimern sowie der verstorbene Autor und Literaturkritiker Hellmuth Karasek.
In einem Brief an den Hamburger VDS-Regionalleiter Hans Kaufmann entschuldigt sich Boie für die späte Absage Ende Oktober – der Preis hätte am Mittwoch verliehen werden sollen. Wegen des guten Namens und auch der respektablen Preisträger habe sie sich erst „spät gründlicher über den Verein informiert“.
Erschrocken habe sie Zitate des Bundesvorsitzenden Walter Krämer gelesen, der in der Vereinszeitschrift Sprachnachrichten den „aktuellen Meinungsterror unserer weitgehend linksgestrickten Lügenmedien“ kritisiert, den „Genderwahn“ beklagt und mit Blick auf die Flüchtlingswelle 2015 von einer „Völkerwanderung“ spricht.
Realitätsfremde Vorstellungen
Die Sorge vor einer Überfremdung der deutschen Sprache, die den Verein umtreibt, kann Boie nicht nachvollziehen. Sprachen entwickelten sich immer, schreibt sie. „Aber mehr noch als die verkürzte und realitätsfremde Vorstellung von Sprache, die sich in vielen Äußerungen zeigt, erschreckt mich, wie genau sie sich ausgerechnet in einer Zeit, in der wir mit Sorge einen Rechtsruck in Teilen der Bevölkerung beobachten müssen, in deren Argumentationsgänge einfügt.“
Der Vorsitzende Krämer sei „ein temperamentvoller Rheinländer“, der manchmal zu sehr zuspitze, sagt Regionalleiter Kaufmann. Dass Boie ausgesprochen politische Positionen vertrete, sei ihm nicht bekannt gewesen, tue aber auch nichts zur Sache: „Wir vergeben unseren Sprachpreis nicht für „eine politische Gesinnung, sondern für Verdienste um unsere Sprache.“
Kaufmann bedauert, „dass ein Verein, der sich der Pflege und Förderung der deutschen Sprache widmet, für Rede- und Gedankenfreiheit eintritt und eher defensive Ziele verfolgt, schon als ‚rechts‘, als ‚reaktionär‘ und als Feind bekämpft wird“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren