Streit in der AfD Nordrhein-Westfalen: Junge Alternative spaltet AfD
Nach Einstufung der Jugendorganisation als „gesichert rechtsextrem“ brechen in der AfD alte Konflikte wieder auf. In Marl kommt es jetzt zum Showdown.
Mit dem steigenden öffentlichen Druck brechen in der AfD auch alte Konflikte wieder auf – zwischen dem völkisch-nationalistischen Flügel um den Thüringer Landeschef Björn Höcke, der inzwischen die Partei dominiert, und den Resten der Meuthen-Fraktion, welche die Radikalisierung der AfD noch immer verharmlost.
In Nordrhein-Westfalen spitzt sich dieser Streit zu. Am Wochenende wählt der AfD-Landesverband eine neue Landesspitze. Umstritten ist der Umgang mit dem Parteinachwuchs der Jungen Alternative (JA). Nach einem Urteil von Anfang Februar gerichtlich bestätigt, darf sie der Verfassungsschutz als „gesichert extremistisch“ einstufen und beobachten. Das kommt nicht von ungefähr: Die JA ist seit ihrer Gründung ein extrem rechter Radikalisierungsmotor und Resonanzraum für völkische Reinheitsfantasien, die letztlich in verfassungswidrigen Vertreibungsplänen wie dem des Rechtsextremisten Martin Sellner münden.
Durch das Urteil erhält die Junge Alternative in NRW nun ordentlich Gegenwind. In einem gemeinsamen Schreiben der Kreisverbände Mettmann und des Bezirksverbandes Düsseldorf rufen deren Vorstände ihre Mitglieder dazu auf, die Junge Alternative zu verlassen: „Eine völkisch-ethnische Sichtweise ist einfach unhaltbar, da im Widerspruch zum Grundgesetz“, heißt es in dem „Mitgliederschreiben“. Seit 2019 hätte man intern festgestellt, dass Mitglieder und Funktionäre der JA diese Sichtweisen verbreiteten – mit einer „mehr und mehr radikalisierenden Sprache, die im Wesentlichen den Wunsch nach einem ‚ethnisch reinen deutschen Volk‘ offenbart.“
Empfohlener externer Inhalt
„Diese Mitglieder entfernen“
Von der Jungen Alternative geht laut dem Schreiben aus Mettmann und Düsseldorf deshalb „eine ernste Gefahr für den Fortbestand und die Handlungsfähigkeit der Partei“ aus. Es drohe die Streichung der staatlichen Parteienfinanzierung oder gar ein Parteiverbot. Die Vorstände müssten genau hinschauen, wer sich mit extremistischen Positionen hervortue, und hätten die Pflicht, durch Parteiausschlussverfahren „diese Mitglieder aus der AfD zu entfernen“, so der dringende Appell. Auch wenn AfD-Landeschef Martin Vincentz das bestreitet, gilt es in der Partei als offenes Geheimnis, dass die Verbände mit seinem Segen agieren.
In Nordrhein-Westfalen schart sich die Junge Alternative um den Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich – ein Jurist, der sich selbst einmal als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnete und sich positiv auf den NS-Juristen Roland Freisler bezog. Helferich kündigte prompt seine Kandidatur für den AfD-Landesvorstand an: eine Kampfansage. Die Verfahren des Verfassungsschutzes gegen AfD und JA tut er als „rechtlich konstruiert“ ab. Er wolle kandidieren, „damit ängstliche Distanzierungsorgien der Vergangenheit angehören“. Auch Helferich hat Unterstützer – Ausgang des Konflikts ist offen.
Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke, mit Helferich verbündet, wurde kürzlich bei einem rechtsextremen Netzwerktreffen des Instituts für Staatspolitik noch deutlicher: „Alles, was in Richtung Abspaltung der JA geht, wird von mir den entschlossensten Widerstand erleben“, drohte Höcke. Man dürfe „keinen Jota zurückweichen“.
Auch in Baden-Württemberg brennt es. Dort ficht AfD-Chefin Alice Weidel einen Langzeit-Konflikt mit dem Flügel-nahen Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel aus. Auch hier stehen am Wochenende auf einem außerordentlichen Parteitag in Rottweil dazu Kampfabstimmungen an.
Gegen beide Parteitage ist Protest angekündigt. In Marl erwartet der DGB mehrere tausend Teilnehmer. Und auch in Rottweil ruft das Bündnis „Rottweil bleibt bunt“ zum Gegenprotest sowie zu einem Kultur- und Stadtfest auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs