piwik no script img

Streit im israelischen ParlamentKnesset diskutiert Nationalitätsgesetz

In einer Sondersitzung streiten Israels Abgeordnete über das neue Grundgesetz. Menschenrechtler reichen Klage vor Oberstem Gerichtshof ein.

Aufruhr in der Knesset Foto: ap

Berlin taz | Trotz Sommerpause lässt der Streit um das israelische Nationalstaatsgesetz den Abgeordneten der Knesset keine Ruhe. Parlamentssprecher Juli Edelstein kam der Anfrage von 25 Abgeordneten nach und berief am Mittwoch eine außerordentliche Debatte über das vor drei Wochen verabschiedete Grundgesetz mit dem Titel „Israel – Nationalstaat des jüdischen Volkes“ ein.

Regierungschef Benjamin Netanjahu „verspritzt giftige Säure“, schimpfte Oppositionschefin Zipi Livni vom Zionistischen Lager. Die Regierung verbreite „Hass und Angst“. Gleichberechtigung sei der Wert, der „jüdisch und demokratisch“ verbinde. In Netanjahus Koalition hingegen werde „es keine Gleichberechtigung für euch geben“, sagte Livni an die arabischen Abgeordneten gerichtet. Auch nicht für Drusen, die LGBT-Gemeinde oder Israelis, die standesamtlich heiraten wollen, werde es unter der aktuellen Regierung gleiche Rechte geben.

Das umstrittene neue Gesetz zielt darauf ab, den „Charakter Israels als nationales Heim des jüdischen Volkes“ zu festigen. Die Gründung jüdischer Ortschaften sei von „nationalem Wert“. Das Rückkehrrecht für Juden aus aller Welt, nationale Symbole, jüdische Feiertage und Hebräisch als einzige offizielle Landessprache gehörten dazu. Bislang galt auch Arabisch als Landessprache. Der exakte Status des Arabischen soll noch geregelt werden.

Das Knesset-Votum für das Nationalstaatsgesetz erfolgte Mitte Juli, unmittelbar nach der Absage der Parlamentarier an schwule Männer, die darauf gehofft hatten, mithilfe israelischer Leihmütter eigene Kinder zu zeugen. Beide Entscheidungen führten landesweit zu Demonstrationen. Tausende gingen für gleiche Rechte der LGBT-Gemeinde auf die Straße, und auch dem Protest gegen das Nationalstaatsgesetz, den die arabische Minderheit anführte, schlossen sich jüdische Israelis an, darunter Intellektuelle wie Amos Oz und David Grossman. Am vergangenen Samstag demonstrierten Zehntausende Menschen in Tel Aviv gegen das Gesetz.

Einige Dutzend Aktivistinnen der Bewegung Frauen machen Frieden kamen am Mittwoch aus Solidarität mit den nicht-jüdischen Bürgern in die Knesset, wo auch zahlreiche Drusen, Angehörige einer geheimen Religionslehre, die ihre Wurzeln im Islam hat, der Debatte beiwohnten. Die Drusen gelten als äußerst loyal gegenüber dem israelischen Staat. Für sie besteht Wehrpflicht. Einige hochrangige drusische Offiziere quittierten aus Protest gegen das Nationalstaatsgesetz den Dienst.

Netanjahu verspritzt giftige Säure

Oppositionschefin Zipi Livni, Zionistisches Lager

Für den Abgeordneten Ahmed Tibi von der antizionistischen Vereinten Liste bedeutet das neue Grundgesetz Apartheid. Es halte eine „Hierarchie fest mit Bürgern, denen alles zusteht, ein Kollektiv auf gehobenem Status“. Darunter befänden sich all jene, „die keine Juden sind – ohne Rechte“. Das Wort Arabisch tauche in dem Gesetz nur ein einziges Mal auf, bemerkt Tibi während der sommerlichen Debatte in der Knesset, „und zwar im negativen Kontext, denn Arabisch wird als Amtssprache abgeschafft“. Bezalel Smotrich von der Siedlerpartei dagegen verteidigte das Gesetz ganz offen: „Unser Staat ist“ uns „von Gott gegeben“. Da gebe es nun einmal keine Gleichberechtigung.

Eine Gruppe arabischer Staatsbürger reichte vor dem Obersten Gerichtshof Klage ein, um das Gesetz zu annullieren. Justizministerin Ajalet Schaked von der Siedlerpartei kommentierte, es werde ein „Erdbeben“ geben, sollten die Richter gegen das Gesetz entscheiden. In diesem Fall käme es zu einem „Krieg verschiedener Regierungszweige“.

Für Samstag ist eine weitere Großdemonstration von Juden und Arabern, die sich nicht entzweien lassen wollen, in Tel Aviv geplant.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Auch die arabischen Juden haben das Recht auf ihre Sprache. Meine Meinung.

    • @Pink:

      Dieser Meinung kann ich mich unwidersprochen anschließen.

  • Ajalet Schaked (das ist die, mit der Heiko Maas so gerne im Helikopter fliegt) sagte wörtlich: "... earthquake, a war between the authorities."



    Das ist als eine Drohung der Regierung gegen das Verfassungsgericht zu verstehen.

  • Menschen vergessen scheinbar zu schnell - sogar Juden...

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @ Christoph:

      Was genau wollen Sie denn damit sagen?

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Das weiß er nicht nehr. Er hat es vergessen. ;-)

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Nicky Arnstein:

          Vielleicht ist er sogar Jude.

          • @88181 (Profil gelöscht):

            Christoph? :-)))