Streit einer Bremer Mieterin mit Vonovia: Der Kampf um trockene Füße
Wenn man jahrelang auf nötige Reparaturen wartet, kann das Mieter-Dasein zum Abenteuer werden. Frau H. kann eine Geschichte davon erzählen.
![Die Fassade eines Essener Quartiersbüros von Vonovia. Die Fassade eines Essener Quartiersbüros von Vonovia.](https://taz.de/picture/3917086/14/ina-fassbender98043033-1.jpeg)
„Himmel!“, und das ohne Ankündigung: Die wollten ja eigentlich erst in einem Monat kommen. Tüchtige Leute, die von Vonovia, kommen bei einer Reparatur sogar einen Monat vor dem vereinbarten Termin und verlassen schon um kurz nach acht gemachter Dinge die ersten Wohnungen – wenn wir nur alle so eine enge Betreuung von unseren VermieterInnen erhalten würden, wäre die Welt bestimmt ein besserer Ort. Ganz bestimmt.
Gute Nachrichten also an diesem Donnerstagmorgen. Doch möglicherweise mag man sich jetzt, berechtigterweise, fragen: Und wieso ruft eine Mieterin in der taz-Redaktion an, um davon zu berichten, dass die Regenrinne ihres Balkons im 2.OG in Bremen-Nord repariert wurde?
Wenn man es anders sagt, hat Vonovia den Balkon von Frau H. nicht einen Monat „zu früh“ repariert, sondern fünf Jahre zu spät. Seit 2011 lebt sie in dieser Wohnung, seit 2015 gehört die Wohnung zu Vonovia, dem größten deutschen Privatvermieter.
Der Weg zur Reparatur glich einer Odyssee
Ebenfalls seit 2015 versucht Frau H. in regelmäßigen Abständen ihren Vermieter Vonovia zu erreichen. Genauer genommen nach jedem Starkregen, und den gibt es in Bremen bekanntlichermaßen oft. Denn nach jedem stärkeren Regenfall verwandelt sich Frau H.s Balkon in ein knöcheltiefes Fußbad. Unbenutzbar für die 44-Jährige und ihre zwei Hauskatzen. Seit fünf Jahren ist der Fall Vonovia bekannt. Ebenfalls seit fünf Jahren „kümmern wir uns um die Anliegen unserer Mieterin“ heißt es in einer E-Mail von der Pressestelle auf Nachfrage der taz.
Es gleicht einem schlechten Scherz: Allein 2019 wurden, auf Drängen von Frau H., sieben Termine ausgemacht, an denen die Reparatur durchgeführt werden sollte. Passiert ist sieben Mal nichts. Sieben Mal allerdings war Frau H. zu Hause blockiert und konnte nicht zur Arbeit gehen, wegen der großzügig genannten Zeitfenster, in denen sie mit Vonovia zu rechnen habe, beispielsweise 12–18 Uhr.
Die Erklärungen von Vonovia, wieso niemand gekommen sei, waren kreativ. Das muss man ihnen lassen. Beispielsweise, dass das Auto der HandwerkerInnen zu groß für die Straße von Frau H. gewesen sei, dass ein Handwerker gekommen und vor Ort gemerkt habe, dass man für die Arbeit zwei Handwerker braucht oder auch, dass man nicht gekommen sei, weil es geregnet hat. Für Vonovia ist Regen also ein großes Problem, dass es das auch für ihre Mieterin ist, scheint keinen großen Eindruck zu machen.
Zumindest bis zu dieser Woche. Dass der Reparaturprozess sich im Vergleich zu den letzten fünf Jahren in den vergangenen Tagen exponentiell beschleunigt hat, liegt möglicherweise am Druck von außen. Denn die Stadtteilgewerkschaft „Solidarisch in Gröpelingen“ hatte sich Ende letzter Woche an die taz gewandt und den Fall der Frau H. geschildert. Dass Vonovia sich in zu vielen Fällen unzureichend um seine MieterInnen kümmere, ist hier ein bekannter Vorwurf.
Die taz hatte dann Anfang der Woche Kontakt mit Vonovia aufgenommen. Was denn mit dem Balkon von Frau H. in Bremen sei, war unsere Frage. „Wir sind regelmäßig mit der Mieterin im Austausch und kümmern uns um ihre Anliegen“, so die Antwort an Dienstag. Man werde „ein Prallblech anbringen“, und zwar, „um den Balkon nun noch besser vor Starkregen zu schützen“. Hierfür sei man „mit der Mieterin weiterhin im Austausch“. Und schwupp: Donnerstag früh war’s passiert.
Zu wissen, dass Frau H. einen reparierten Balkon hat, ist schön. Aber zu wissen, dass der Fall von Frau H. bei Weitem kein Einzelfall ist, ist weniger schön. Der Stadtteilgewerkschaft in Gröpelingen sind eine Vielzahl solcher und anderer Fälle von „Vonovia“-MieterInnen bekannt: Allein zweimal pro Monat treffen sich die Betroffenen im Mietkomitee und sprechen über die Probleme mit ihrem Vermieter Vonovia. Dass sich niemand freiwillig so intensiv mit dem eigenen Vermieter auseinandersetzt, wird jedem bewusst sein.
Denn neben Problemen in der Kommunikation und Reparatur, wie bei Frau H., gibt es von MieterInnen auch Zweifel an den Nebenkostenabrechnungen. Sie hatten im vergangenen Jahr an einer Widerspruchskampagne teilgenommen und eine Demo gegen Vonovia organisiert. Noch bis heute warten sie auf aussagekräftige Belege zu ihren Nebenkostenabrechnungen.
Dass Vonovias Transparenz- und Kommunikationswille endlich ist, wird auch im Gebäudekomplex in der Selsinger Straße klar. Der wird aktuell modernisiert, worüber Vonovia per Plakat am Eingang informiert, einschließlich einer Hotline für Fragen. Leider nur steht direkt unter der Rufnummer: „Bitte nicht mehr anrufen.“
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