Streit der Wirtschaftweisen: Der Zwist wird persönlich
Die Gutachter der Bundesregierung sind zerstritten, das ist bekannt. Doch nun ist der Zoff im Gremium der Ökonomen eskaliert.
Das Gremium ist zutiefst gespalten. Vier kämpfen gegen einen: Die Ökonomen Lars Feld, Isabel Schnabel, Volker Wieland und Christoph Schmidt sind marktorientierte Neoklassiker – während Peter Bofinger Keynesianer ist.
Die Differenzen sind kein Geheimnis, werden sogar in den Jahresgutachten klar markiert. In den letzten drei Studien wurden mehr als die Hälfte aller Kapitel durch „eine andere Meinung“ ergänzt, die stets von Peter Bofinger stammte. Kontrovers waren etwa die Themen Riester-Rente, Eurokrise, erneuerbare Energien und die deutschen Exportüberschüsse. Höflich, aber bestimmt erklärte Bofinger, warum die Analysen seiner vier Kollegen nichts taugen. Die Kanzlerin bekam also zuletzt nicht ein Gutachten, sondern faktisch zwei.
In diesem Sommer wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht, ein öffentlicher Streit in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Zunächst kritisierte Bofinger dort, dass seine Kollegen im Sachverständigenrat vor allem auf „die kreativen Kräfte des Wettbewerbs“ setzten. Das sei überholt. „Die Zweifel begannen mit der Finanzkrise.
„Uninspiriert“ gegenüber den Erneuerbaren
Die bis dahin als besonders kompetent eingeschätzten Akteure des Finanzsystems waren unfähig, die Risiken zu entdecken.“ Über die deutschen Energiekonzerne schrieb er, sie hätten sich „uninspiriert“ gegenüber den Erneuerbaren verhalten. „Man verließ sich darauf, dass Atomkraft und Kohle bis zum Nimmerleinstag als dankbare Cash-Kühe zur Verfügung stehen würden.“
Die anderen vier Weisen waren pikiert: Laien würden häufig die Liebe von Ökonomen zum Markt mit einer Liebe zu einzelnen Marktakteuren verwechseln, formulierten sie in einer harschen Replik. „Einem Profi sollte das nicht passieren.“ Es wurde so getan, als sei Bofinger gar kein Ökonom, sondern ein „Laie“. Der Disput dürfte sich auch im neuen Jahresgutachten wiederfinden. Schwerpunkte in diesem Jahr: Geldpolitik, Finanzmärkte, Arbeitsmarkt, Staatsetats in Deutschland und Europa sowie internationaler Handel.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell