Streiks bei der Deutschen Bahn: Wer braucht schon Lokführer?
Wie realistisch es ist, dass uns selbstfahrende Züge bald Ausfälle bei der Bahn ersparen.
Mehr als 3.700 Lokführer:innen fehlen bundesweit. Die Lokführergewerkschaft GDL streikt gerade für mehr Lohn und kürzere Arbeitszeiten, um den Beruf attraktiver zu machen und den Personalmangel zu bekämpfen. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) werden hingegen noch deutlich mehr Fachkräfte fehlen, wenn die GDL die Arbeitszeitverkürzung durchsetzt. Dabei können Züge doch auch ganz ohne Lokführer:innen fahren. Oder?
Auf einigen deutschen Strecken sind schon Züge fahrerlos unterwegs: Die H-Bahn in Dortmund, eine Hängebahn mit großen Kabinen, fährt seit 1984 automatisiert an Schienen entlang. In Nürnberg gingen 2008 vollautomatische U-Bahnen auf zwei Linien an den Start. In Hamburg sind schon testweise automatisierte S-Bahnen im Einsatz, allerdings sitzt hier noch Personal im Führerraum. Denn beim automatisierten Fahren auf der Schiene gibt es unterschiedliche Grade: Auf Stufe eins etwa fahren Lokführer:innen mit computerbasierten Assistenzsystemen. Auf Stufe drei sind kein:e Lokführer:innen mehr an Bord, nur noch Zugbegleiter:innen.
Selbstfahrende Metros und U-Bahnen können in kürzeren Abständen fahren und so mehr Fahrgäste an ihr Ziel bringen. Außerdem sind automatisiertes Beschleunigen und Bremsen effizienter, die Züge verbrauchen bis zu 30 Prozent weniger Energie. Nachts oder an Feiertagen können fahrerlose Bahnen über Personalengpässe hinweghelfen. Allerdings lohnt es sich kaum, bereits bestehende Systeme umzurüsten – vor allem bei neuen Linien setzen die Betreiber auf Vollautomatisierung.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Und im Fernverkehr? Metros und U-Bahnen wie in Nürnberg, Paris oder Budapest können gut vollautomatisch fahren, weil ihr Schienensystem nicht so komplex ist, sagt das Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene. Viele Strecken führen durch Tunnel, die die Schienen vor äußeren Gefahren – umstürzenden Bäumen zum Beispiel – schützen. Im Fernverkehr hingegen teilen sich verschiedene Züge ein und dasselbe Gleis: schnelle ICEs, Güterzüge, langsamere Personenzüge.
Der Zughersteller Siemens Mobility arbeitet an Zügen, die zumindest die Fahrten zwischen Betriebshof und Bereitstellung allein schaffen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat im vergangenen Jahr rund 42 Millionen Euro in das Projekt gesteckt, 2026 will Siemens einen solchen Zug vorstellen. Teilautomatisierungen helfen also, Lokführer:innen werden dadurch aber nicht ersetzt. Im Gegenteil: Wenn dank automatischer Systeme mehr Bahnen verkehren, kann der Personalbedarf sogar steigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner