Streik im Anne Frank Zentrum: Ein „Leuchtturm“ der Branche
Beschäftigte des Anne Frank Zentrums und anderer Träger aus dem Sozialbereich haben am Donnerstag gestreikt. Sie fordern gleiche Arbeitsbedingungen.
Der Anlass des Warnstreiks, für den die Gewerkschaft Verdi mobilisiert hat, ist ein lang schwelender Konflikt. Wie viele Angestellte freier Träger – also gemeinnütziger Organisationen, die soziale Aufgaben im Auftrag des Staates übernehmen – kritisieren die Streikenden, dass sie unter schlechteren Bedingungen als ihre direkt beim Land angestellten Kolleg*innen arbeiten. Zentrale Forderung der Kundgebung ist deshalb die Angleichung ihrer Verträge an den Tarifvertrag der Länder (TV-L).
Für die Mitarbeiter*innen des Anne Frank Zentrums ist das aber nicht das einzige Problem. Knapp die Hälfte ihrer Mitarbeiter*innen sind frei angestellt, arbeiten also ohne festen Vertrag. So wie Mareike Schäffer. Ihre niedrigeren Löhne und die fehlende Entlohnung langer Reisezeiten führe insgesamt zu einer Bezahlung unterhalb des Mindestlohns, kritisiert sie. Dazu würden Jahre der Arbeitserfahrung als freie*r Mitarbeiter*in nach einer Festanstellung nicht genug berücksichtigt werden, und auch an betrieblicher Altersvorsorge mangele es.
Verhandlungen seit April
Die Aufgabe, die dem Vorstand des Anne Frank Zentrums jetzt zufällt, so Schäffer, sei es, den Druck der Mitarbeiter*innen auf die nächste politische Ebene zu bewegen. So soll mehr Geld vom Bund für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen erwirkt werden – denn mangelnde finanzielle Mittel seien Hauptargument gegen die Forderungen der Streikenden.
Schon seit April feilschen der Vorstand und Verdi um die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter*innen des Zentrums. 70 Prozent von ihnen seien mittlerweile gewerkschaftlich organisiert, erklärt ein Mitarbeiter. Deshalb ist seitens Verdi von einer Leuchtturmwirkung gewerkschaftlichen Engagements die Rede, auch für Angestellte anderer Organisationen. Den gemeinsamen Einsatz möglich gemacht, so Schäffer, hätten regelmäßige Treffen zwischen den Mitarbeiter*innen des Zentrums, Unterstützung seitens des Projekts „Haus der Selbstständigen“ und nicht zuletzt die Solidarität zwischen Freien und fest Angestellten.
Euphorie wagen die Mitarbeiter*innen angesichts des neu geplanten Bundeshaushalts trotzdem nicht – um 20 Prozent sollen die Mittel für politische Bildung gesenkt werden. „In Zeiten antisemitischer Anfeindungen und rechtsextremer Wahlerfolge bei der politischen Bildung zu kürzen ist brandgefährlich“, sagt Roman Guski, Mitglied der Verdi-Tarifkommission.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!