Diskussion um Urheberrecht: Anne Franks Tagebuch ist online
Ein Dozent und eine Abgeordnete aus Frankreich stellten Anne Franks Tagebuch online. Der Anne Frank Fonds droht mit rechtlichen Schritten.
Nach EU-Recht läuft die Schutzfrist beim Urheberrecht jeweils am 1. Januar nach dem 70. Todestag eines Autors aus. Der Anne Frank Fonds im schweizerischen Basel, der die Rechte an dem Tagebuch hält, hatte allerdings vorab im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP mit rechtlichen Schritten gedroht, sollte „Das Tagebuch der Anne Frank“ ohne Erlaubnis veröffentlicht werden.
Nach Ansicht des Fonds, der von Annes Vater Otto Frank 1963 in Basel gegründet wurde, handelt es sich bei dem Tagebuch um ein posthum veröffentlichtes Werk, bei dem eine 50-jährige Schutzfrist vom Zeitpunkt der Veröffentlichung an gelte. Da der vollständige Text erst 1986 veröffentlicht worden sei, sei er noch bis 2037 urheberrechtlich geschützt.
„Bei diesem Text, diesem Zeugnis und was es darstellt (...) habe ich weiter die Überzeugung, dass es keinen anderen Kampf zu führen gilt, als den seiner Befreiung“, rechtfertigte der Informationswissenschaftler Olivier Ertzscheid von der Universität Nantes in einem Vorwort die Veröffentlichung in seinem Blog. Es sei eine Würdigung dieses wichtigen Werkes, es ohne Beschränkungen zugänglich zu machen. „Das Tagebuch von Anne Frank ist ein Geschenk“, schreibt er weiter. Auch die grüne Abgeordnete Isabelle Attard veröffentlichte das Tagebuch in ihrem Blog. „Es lebe das Tagebuch der Anne Frank, es lebe die Urheberrechtsfreiheit“, schrieb sie dazu.
Die von Deutschland in die Niederlande ausgewanderte jüdische Familie Frank hatte sich seit 1942 in Amsterdam in einem Versteck aufgehalten, um den deutschen Besatzern zu entkommen. Während dieser Zeit bis zu ihrer Deportation schrieb die jugendliche Anne ihr Tagebuch, das nach dem Krieg entdeckt wurde. Ihr Vater Otto Frank, der Auschwitz überlebte und erst 1980 starb, veröffentlichte 1947 die Aufzeichnungen seiner Tochter, von denen er allerdings einige Seiten zerstörte. Das Tagebuch wurde inzwischen in 70 Sprachen übersetzt und mehr als 30 Millionen Mal verkauft.
In den letzten Jahren sind die Schutzfristen von weiteren SchriftstellerInnen abgelaufen. So sind Werke von Stefan Zweig (1881-1942) online abrufbar, etwa “Der Kampf mit dem Dämon“, das 2013 gemeinfrei wurde. Auch die Schriften von Robert Musil (1880-1942) haben keine Schutzfrist mehr.
Die Gemeinfreiheit gilt ohne Ausnahme für alle AutorInnen. Da Adolf Hitler 1945 starb, ist nun „Mein Kampf“ gemeinfrei – und in einer kommentierten Neuauflage erhältlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben