piwik no script img

Streik gegen Rentenreform in FrankreichWeihnachten ohne Waffenstillstand

EisenbahnerInnen bleiben beim Protest – auch über die Feiertage. Regierung wartet darauf, dass die öffentliche Meinung gegen die Gewerkschaften kippt.

Kommt der Zug noch? Viele Reisende mussten für die Feiertage umplanen Foto: reuters

Paris taz | Das Seilziehen um die geplante Rentenreform der französischen Regierung geht weiter, ohne Pause während der Festtage und ohne Aussicht auf ein rasches Ende. Während die PariserInnen sich auf eine lokale Demonstration am 28. Dezember gefasst machen müssen, wird ein Aktionstag am 9. Januar sich erneut in ganz Frankreich abspielen.

Die Hoffnung auf einen „Waffenstillstand“ am Vorabend der Weihnachtstage hatte sich rasch zerschlagen, nachdem Frankreichs Premierminister Edouard Philippe Mitte der Woche nach einer weiteren Runde von Diskussionen so gut wie keine Zugeständnisse gemacht hatte. Da half es auch nicht, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (42) am Wochenende mitteilen ließ, er werde mit gutem Beispiel vorangehen. Er verzichte auf die für ehemalige Staatschefs reservierte Pension (6.220 Euro monatlich nach einem Mandat).

Für die Berufstätigen in und um die Hauptstadt begann eine dritte Woche mit langen, ermüdenden Stunden in total überfüllten Zügen oder Bussen. Wer eine Mitfahrgelegenheit gefunden hatte, musste trotzdem mit stundenlangen Verpätungen rechnen – es kam zu enormen Staus an den Vormittagen und Spätnachmittagen.

Am Sonntag waren mit Ausnahme der beiden vollautomatisierten Metro-Linien 1 und 14 sämtliche Linien außer Betrieb. In den traditionellen Rummel des vorweihnächtlichen Shopping-Stresses mischte sich spürbar eine zusätzliche und oft aggressive Hektik in den Geschäftsstraßen von Paris

Zugausfälle vor Weihnachten

Hunderttausende hatten schon eine unruhige letzte Woche: Sie wussten vor dem Wochenende des jährlichen Weihnachtsverkehrs nicht, ob und wie sie zu ihren Verwandten oder Freunden fahren könnten, mit denen sie die Festtage verbringen wollten. Mehr als die Hälfte der im Fahrplan vorgesehenen internationalen und regionalen Verbindungen waren gestrichen. Noch viel mehr Züge fielen im Nahverkehr aus.

Die Bahndirektion der SNCF, die mit Hilfe von Streikbrechern ein Minimum im Bahntransport garantieren soll, musste Hunderttausende von Reisenden auffordern, ihre Tickets umzutauschen oder auf ihre Reise zu verzichten. Geschiedene oder getrennte Eltern entrüsteten sich, weil auch der sonst angebotene Begleitdienst für rund 5.000 Kinder annulliert worden war. Die SNCF improvisierte für sie schließlich ein paar Sonderzüge mit Begleitung für die allein reisenden Minderjährigen.

Zwar hatten zwei eher zur Kooperation bereite Gewerkschaftsvorsitzende dennoch zu einer Streikpause an Weihnachten aufgerufen, doch ihr Appell verhallte ungehört. Denn an der Basis, bei Abstimmungen in ihren täglichen Versammlungen haben die streikenden EisenbahnerInnen bisher jedes Mal fast einstimmig eine Verlängerung ihrer Aktionen beschlossen. „Da die Regierung ihren Angriff ohne Waffenstillstand fortsetzt, wird es keinen Waffenstillstand in unserem Kampf geben“, erklärten beispielsweise die streikenden Lokführer im Pariser Bahnhof Saint-Lazare in einer Mitteilung.

Wie ihre KollegInnen im Bahnhof Paris-Austerlitz und Paris-Est mobilisieren sie für die auf Paris konzentrierte Demonstration am 28. Dezember und den von den Verbänden CGT, FO, SUD-Solidaires und FSU vorangekündigten nationalen Aktionstag am 9. Januar. Nach bereits rund 18 Tagen Streik ohne Sieg oder akzeptablen Kompromiss kommt ein einseitiges Einlenken für sie nicht infrage. Das spüren die Streikenden auch auf dem Konto: Jede und jeder Teilnehmende bei der SNCF hat mit dem Ausstand eine Lohneinbuße von mehr als tausend Euro in Kauf genommen.

Regierung fährt Zermürbungstaktik

Die Regierung spielt derweil auf Zeit. Derzeit steht die öffentliche Meinung noch knapp mehrheitlich auf der Seite der Gewerkschaften – doch Frankreichs Staatsführung hofft wohl darauf, dass sie zu ihren Gunsten kippen werde und so ihre Zermürbungstaktik des „pourrissement“ (wörtlich: warten, bis die Frucht verfault) aufgeht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Die Franzosen sind schon ziemlich krass drauf: Sie haben fast alle Parteien zerschlissen und zerstört mit ihren Generalstreiks.



    Jetzt sind da noch zwei übrig: En Marche; wird gerade ebenfalls zerstört.



    Dann bliebe noch der FN, das scheint ja wohl in deren Augen das kleinere Übel zu sein.

    • @neu_mann:

      Na ja, bislang hat jede Partei, einmal an der Macht, neoliberale Pläne umgesetzt (oder es zumindest versucht).



      Und dafür dann halt die Rechnung erhalten. In der letzten Präsidentschaftswahl hat ein grösserer Teil der Franzosen für den offen neoliberalen Macron gestimmt, als für Le Pen, aus Angst vor dem RN. Dafür belohnt er sich gerade mit Plänen, ihre Renten deutlich zu verringern...