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Strategien der KlimabewegungPopulismus oder Preppen?

Kersten Augustin
Kommentar von Kersten Augustin

Der Kampf gegen die Klimakrise ist selbst in der Krise. Und jetzt? In der Linken werden derzeit zwei gegensätzliche Lösungen diskutiert.

Erschöpfte Helfer im Ahrtal, Juli 2021 Foto: David Klammer/laif

W as tun, wenn’s brennt, aber alle weiter kokeln? Aktuell kann man dabei zusehen, wie mit Los Angeles auch ein medialer Sehnsuchtsort der Deutschen abbrennt, und trotzdem spielt die Klimakrise im Wahlkampf kaum eine Rolle. Selbst die Grünen haben ihre klimapolitischen Ziele im Wahlprogramm im Kapitel zur Wirtschaftspolitik versteckt. Die Parteien der sogenannten Mitte haben sich stillschweigend verständigt: Klimapolitik darf niemandem wehtun.

Wie kann die gesellschaftliche Linke damit umgehen? Dazu erscheinen aktuell interessante Beiträge. Grob zusammengefasst bilden sich zwei Richtungen heraus. Die eine will den Klassenaspekt der Klimakrise hervorheben und sie so wieder politisieren. Die andere will die Unabwendbarkeit der Katastrophe akzeptieren und daraus neue Kraft ziehen.

In einem Beitrag für das Surplus-Magazin schreiben Linus Westheuser und Johanna Siebert über den ersten Ansatz, den sie Klimapopulismus nennen. Die Parteien der Mitte, so die AutorInnen, würden annehmen, dass Klimapolitik erfolgreich sei, wenn sie möglichst wenig politisiert werde, sondern technische Lösungen in den Vordergrund gestellt würden.

Dies sei aber ein Zeichen der eigenen Schwäche – und ein Trugschluss: Spätestens der europäische Emissionshandel werde die Preise für die Mehrheit so stark erhöhen, dass Klimapolitik wieder einmal als Elitenprojekt wahrgenommen werde. Wenn nun die demokratischen Parteien versuchten, den Klimaschutz als unpolitisches Projekt zu vertuschen, überlasse man es der Rechten, eine Sprache für Wut und Angst vor Veränderung zu finden.

taz Themenwoche Klima

Im Wahlkampf spielt die Klimakrise keine große Rolle. Dabei schreitet die Erderhitzung weiter voran. Die taz schaut in dieser Woche dahin, wo es brennt. Alle Texte zum Thema finden Sie hier.

Profiteure der Krise

Linker Klimapopulismus soll die Verteilungsfragen der Klimakrise offensiv formulieren: Der Hälfte der Gesellschaft, die notgedrungen schon heute innerhalb der Grenzen lebt, die der Planet noch verkraften kann, muss er ein besseres, günstigeres Leben ermöglichen, statt abstrakt die Zukunft der Menschheit anzurufen. Auf der anderen Seite sollen die Profiteure der Krise an den Pranger: fossile Unternehmen, die mit hohen Strom- und Gaspreisen Milliarden Gewinne machen.

Die Autoren sehen hier großes Potenzial. Sie zitieren eine französische Studie, die zeigte, dass die Zustimmung zu einem Tempolimit von 110 km/h deutlich steigt, wenn sie mit einem Verbot von Privatjets verbunden wird.

Der Ansatz, Klimapolitik und populistische Verteilungsfragen zu verbinden, findet sich auch bei Fridays for Future. Im Wahlkampf stellt die Bewegung einige Forderungen, darunter anders als in den vergangenen Jahren eine Steuer für „Superreiche“. Auch die Linkspartei versucht sich im Wahlkampf mit Klimapopulismus. Besonders überzeugend ist das bisher nicht. So steht auf dem Plakat, mit dem die Partei ihren Klimaschutz auf die Straße trägt: „Steht dein Dorf unter Wasser, steigen Reiche auf die Yacht“.

Das Beispiel zeigt, dass auch Populismus ein ehrbares Handwerk ist, das gelernt sein will. Denn wer soll hier angesprochen werden? Den meisten WählerInnen in Deutschland lässt die Klimakrise nicht das Dorf absaufen. Es wird auch nicht deutlich, was die Mehrheit davon hätte, dem Reichen seine Yacht abzunehmen: Höhere Deiche?

Unabwendbarkeit der Krise akzeptieren

Konkret fordert die Linkspartei einen kostenlosen ÖPNV, ein günstiges Grundkontingent für Strom und Gas und ein Verbot von Yachten ab 60 Metern (kleinere sind offenbar okay) und Privatjets. Ansonsten finden sich abstrakte Forderungen, die von den Grünen kommen könnten: ein Klimageld, ein Strukturwandel, der „angepackt“, und eine Agrarwende, die „eingeleitet“ werden solle.

Nun liegt die Krise der Linkspartei sicherlich nicht in ihrer Klimapolitik begründet. Andersrum kann man nicht behaupten, dass dieser zaghafte Ansatz von Klimapopulismus bisher erfolgreich ist. Doch wenn Populismus nicht fruchtet, wenn die Klimakrise eben längst da ist, was dann?

Hier kommt der zweite Ansatz ins Spiel. Dem zufolge ist das Scheitern der Klima­politik kein handwerkliches Problem, sondern strukturell. Die „Arschlochgesellschaft“, so bezeichnet es der Aktivist Tadzio Müller, ist demnach so gut im Verdrängen, weil in Deutschland selbst Arbeiter und eben nicht nur die Reichen Profiteure des fossilen Lebensstils sind. Diese Komplizenschaft überdecke den Klassencharakter der Krise.

In der Linken sprechen sich einige Stimmen deshalb dafür aus, die Unabwendbarkeit der Krise zu akzeptieren und die begrenzte Kraft darauf zu verwenden, sich solidarisch auf die kommenden Katastrophen vorzubereiten. Dieser Erkenntnis folgt auch die Letzte Generation. Ihr Ansatz, die Klimakrise durch Eingriffe in den Alltag unverdrängbar zu machen, ist gescheitert.

Zurück in die Alternativbewegung?

Die Bewegung hat zwar noch nicht verraten, welchen neuen Namen sie sich geben will. Sprecherin Carla Hinrichs sagte im Interview mit dem Spiegel: „Wir waren die letzte Generation vor den Kipppunkten. Heute können wir nicht mehr sicher sein, dass das stimmt.“ Hinrichs sagt, in der Krise werde es zu Brüchen kommen und das Wirtschaftssystem Risse bekommen. „Wir haben ein riesiges Kartenhaus gebaut, das jederzeit zusammenstürzen kann.“

Darauf vorbereitet seien aber derzeit nur jene, die die Demokratie abschaffen wollten. Das will die Bewegung ändern. Wie genau das aussehen könnte, lässt Hinrichs im Interview offen. In ihrem einzigen konkreten Beispiel klingt wenig politische Sprengkraft an: Bei 40 Grad nach der Oma nebenan zu schauen, ob diese vielleicht Hilfe brauche. Doch auch andere Gruppen setzen auf die gegenseitige Unterstützung in der Nachbarschaft, ob gegen den Stromausfall nach einem Sturm oder bei Wohnungsnot nach einem Hausbrand.

Steckt in diesem Fokus auf die lokale Gemeinschaft ein subversives Potenzial oder ist es ein Rückzug ins Halbprivate, bei dem AktivistInnen Aufgaben übernehmen, die ein kollabierender Sozialstaat nicht mehr stemmen kann?

Dieser Widerspruch ist nicht neu. Jan Ole Arps erinnert in der analyse+kritik kürzlich daran, dass sich die Linke nicht das erste Mal nach einem Scheitern „nach innen“ wendet. Gewerkschaften wird schon seit ihrer Gründung „Reformismus“ vorgeworfen. Und auch als nach 1968 der Traum von der Revolution ausgeträumt war, fingen Linke an, das bessere Leben für alle im Kleinen zu versuchen: in Hausprojekten, Kinderläden, Kollektivbetrieben.

Oft waren sie damit erfolgreich, veränderten die Pädagogik und die Kultur am Arbeitsplatz. Doch ihre besten Ideen konnten umso leichter vom dynamischen Kapitalismus vereinnahmt werden, wie die Unternehmer des Silicon Valley zeigen, die einst ein Produkt der Gegenkultur waren und sich nun Donald Trump unterwerfen.

Was hilft gegen die Klimakrise: Populismus oder Preppen? Es wird wohl beide Ansätze brauchen. Und es ist gut, dass die Linke nach einigen Jahren der Ratlosigkeit in dieser Frage in Bewegung ist. Denn auf die Grünen sollte man sich besser nicht verlassen.

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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14 Kommentare

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  • Es wäre ja schon viel damit geholfen, wenn sich die Klimaaktivisten häufiger an öffentlichen Debatten zum Thema beteiligen würden. Die Klimawandelverharmloser der Springer-Presse können unwidersprochen ihre Desinformation verbreiten, und Klimaaktivisten versuchen nicht einmal, mit sachlichen Argumenten dagegenzuhalten. Es ist fatal, wenn man wie die Letzte Generation einfach annimmt, die grundsätzliche Zustimmung der Bevölkerung zum Klimaschutz sei selbstverständlich. Dabei zeigt doch der Aufstieg des Trumpismus in den USA, dass diese Zustimmung alles andere als selbstverständlich ist.

    Ebenfalls fatal übrigens ist das Versäumnis der Klimaaktivisten, die Grünen für ihre Versäumnisse zur Rechenschaft zu ziehen – selbst nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Mai 2024 geurteilt hat, dass die Ampel selbst die gesetzlich festgelegten Klimaschutzziele verfehlt hat. Öffentliche Wortmeldungen von Aktivisten habe ich da schmerzhaft vermisst. Die waren wohl grade zu sehr damit beschäftigt, sich irgendwo festzukleben und ihre Energie an völlig falscher Stelle zu vergeuden.

    • @Karmesinrot:

      Seit sich keiner mehr festklebt sinkt allerdings das allgemeine Interesse am Klimawandel drastisch.

  • Wenn, dann müsste es "sozialer Klimapopulismus" oder so ähnlich heißen. Weil auch von rechts werden Klimafragen populistisch angegangen.

  • "Die Parteien der Mitte, so die AutorInnen, würden annehmen, dass Klimapolitik erfolgreich sei, wenn sie möglichst wenig politisiert werde, sondern technische Lösungen in den Vordergrund gestellt würden." Und genau so ist es. Ich kenne viele (mich selbst eingeschlossen), denen Verzichtsideologie und Oberlehrertum auf die Nerven gehen, die aber in ihrem eigenen Umfeld durch Installation praktischer Lösungen mit erheblichen Investitionen mehr für Energiewende und Klimaschutz tun als mancher aufgeregte Klimakleber.

  • "Die „Arschlochgesellschaft“, so bezeichnet es der Aktivist Tadzio Müller, ist demnach so gut im Verdrängen, weil in Deutschland selbst Arbeiter und eben nicht nur die Reichen Profiteure des fossilen Lebensstils sind."

    Betrifft nicht nur den fossilen Lebensstil. Auch die 68er-Studenten mussten feststellen, dass "die Proletarier" gar nicht vereint gegen "die da oben" strebten. Selbst da oben sein, um andere zu schurigeln, das war (und ist) eher der Wunsch. Als Ventil funktioniert bis heute die Wut auf Minderheiten.



    Wird allerdings auch jetzt nicht wirklich helfen.



    Die Folgen der Klimakatastrophe werden die Schere zwischen reich und arm bis zum Anschlag öffnen. Reiche werden etwas weniger reich sein, der Rest wird verarmen. Wer jetzt bereits arm ist, für den war es das.

    • @Woodbine:

      "Arschlochgesellschaft"... Genau diese Arroganz macht manche "Aktivisten" so unbeliebt. Wann werden sie lernen, dass man Menschen nicht dadurch überzeugt, dass man sie beleidigt?

      • @PeterArt:

        Was ist daran jetzt arrogant? Er beleidigt sich immerhin auch selbst. Selbstreflexion ist rar..

        Und überzeugen ist so oder so schwer. Verstehen wäre schon genug. Irgendwann reicht es halt und man wird beleidigend gegenüber Menschen die mit geschlossenen Augen durchs Leben wandeln

  • Nuja, sich gegenseitig zu helfen ist immer eine gute Idee, die mit "Preppen" aber eher nix zu tun hat. Klimapopulismus wird nicht funktionieren, eben weil das Thema Klima aktuell offenbar nicht populär ist.

    Kleiner Denkanstoß: Wenn die Grünen eine Partei der "sogenannten Mitte" sind, dann liegt die "gesellschaftliche Linke" näher bei Stalin und Pol Pot als bei der Demokratie.

    • @Samvim:

      Die Grünen sehe ich eher so als sozialliberal oder linksliberal. Also ja, da gibt es noch deutlich linkere Strömungen in der Gesellschaft. Da wird allerdings eher über eine Ausweiterung der Demokratie gedacht anstelle einer Autokratie: Rätedemokratie, Wirtschaftsdemokratie,.... alles eher Fremdwörter bei Stalin und Pol Pot gewesen ;-)

      • @vøid:

        Nee.

        Rätedemokratie war nun wirklich kein Fremdwort bei Stalin. :-D

        Was glauben Sie denn, was ein Sowjet ist?

  • Hier wird ein Gegensatz konstruiert wo keiner ist. Der Wink zum Silicon Valley ist ebenfalls äußerst schief, die waren nie links.

    Wer als Linker über den Tellerrand deutsche Grenze schaut, braucht beide Ansätze. Die Prepper müssen dabei das Fatalistische ablegen. Reproduktionsverweigerung oder gar Selbstmord sind die egoistischsten und nur kurzfristige Lösungen..

  • Ich hätte noch einen dritten Vorschlag:



    Den Leuten erklären, warum der Staat die Kosten des Klimaschutzes jederzeit, in voller Höhe und ohne Mehrbelastung für irgendjemanden tragen könnte -- wenn man nur ein paar Gesetze ändern würde.



    Wenn ein Staat Geld ausgibt, mindert er einfach sein Konto bei der eigenen Zentralbank. Die Minderung ist technisch gesehen unbegrenzt möglich, da nur ein Datensatz. Wenn sich in der Folge das Girokonto des Empfängers erhöht, findet eine Geldschöpfung statt.



    Steuereinnahmen sind analog dazu eine Geldervernichtung.



    Steuern sind also gar nicht zur "Finanzierung" eines Staates notwendig, haben aber andere wichtige Funktionen.



    Eine Erhöhung der Inflation durch mehr staatliches Geld wäre übrigens erst denkbar, wenn die Wirtschaft ausgelastet wäre, also bei Vollbeschäftigung. Und selbst dann würden sich die Preise nur langsam erhöhen. Davon sind wir aber Lichtjahre entfernt. Und Hyperinflationen - besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern - haben ohnehin andere Ursachen wie z.B. Kriege, Embargos oder Missernten. Zwar wurde in diesen Ländern oft auch viel Geld gedruckt, jedoch immer erst nach (!) dem Eintreten der Inflation.

  • Das Letzte können Sie laut sagen.

  • 'Der Kampf gegen die Klimakrise ist selbst in der Krise’, weil ExpertInnen und AktivistInnen die Klimaerwärmung (i) als isoliertes Problem behandeln und (ii) an dem Versprechen ungebrochenen Wachstums durch technologischen Wandel festhalten. Andere haben schon früh darauf hingewiesen, dass der Klimawandel nicht die einzige Umweltkrise ist und nicht nur die Umweltkrisen in eine Krise humaner Entwicklung führt. Sie haben die Weltgemeinschaft zu einem Moratorium technologischer Neuentwicklungen aufgefordert und dazu, grundsätzlich über eine neue globale Ausrichtung von Wirtschaftssystemen und Politik zu verhandeln. 1971 wurde die 'Botschaft von Menton' in den diversen Sprachausgaben des Magazin 'Le Courrier' der UNESCO veröffentlicht. Die kurze 'Botschaft von Menton' ging in in ihrer Analyse und Empfehlungen viel weiter, als der 1972 veröffentlichte aber viel bekanntere 'Bericht des Club of Rome - Grenzen des Wachstums'. Bewirkt haben beide bis heute fast nichts. Bündnis 90/Die Grünen und weite Teile der Umweltbewegung sind gar nicht bereit, über so etwas wie einen 'Systemwandel' nachzudenken. So radikale Gedanken tauchen nur am Rande als Fantasie im Feuilleton auf.