Strafgefangene in der Ostukraine: Zwangsarbeit zum Nulltarif
In der Ostukraine müssen tausende Inhaftierte unter schweren Menschenrechtsverletzungen ihre Strafe verbüßen.
„Die terroristischen Organisationen, die sich ,Volksrepubliken Donezk und Lugansk' nennen, internieren Andersdenkende in Konzentrationslagern. Die Gefangenen müssen militärische Anlagen befestigen, Metall bearbeiten oder andere Sklavenarbeit verrichten“, sagt Michail Makaruk, Sprecher des sich als patriotisch verstehenden Netzwerks „InformNapalm“.
Die Rentnerin Elena, die aus Donezk stammt, nun aber in Kiew lebt und nach wie vor die „Volksrepubliken“ unterstützt, bestätigt, dass Gefangene zur Zwangsarbeit eingesetzt würden. „Bei uns ist es sehr streng. Doch dafür gibt es in Donezk nicht so viel Kriminalität wie in Kiew“, versucht sie den „harten Strafvollzug“ zu rechtfertigen.
Ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) wollte die Berichte weder bestätigen noch dementieren. „Wir gehen den Informationen über die Zwangsarbeit sehr genau nach. Derzeit können wir hierzu jedoch nichts sagen“, erklärt IKRK-Sprecher Miladin Bogetic.
Zwar habe das IKRK im Dezember 2016 und im April 2017 bei einer Paketübergabe an Gefangene in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten auch die Möglichkeit zum Gespräch mit diesen gehabt. Insgesamt aber habe das IKRK keinen Zugang zu Haftorten in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten, so Bogetic. Das IKRK tue sein Bestes, um sicherzustellen, dass Pakete auch bei den Gefangenen ankommen und man mit ihnen in Kontakt treten könne.
Die Östliche Menschenrechtsgruppe, ein Zusammenschluss von Menschenrechtlern aus dem Osten der Ukraine, berichtete bereits im vergangenen Herbst von über 5.000 Gefangenen in Donezk und Lugansk, die unter groben Menschenrechtsverletzungen ihre Strafe verbüßen. So würden Gefangene, die noch vor dem Beginn der bewaffneten Kämpfe von ukrainischen Gerichten verurteilt worden sind, auch nach Ablauf der Haftzeit nicht freigelassen. Die sanitären und medizinischen Bedingungen seien katastrophal, so die Menschenrechtler. Wer sich weigere zu arbeiten, müsse mit Folter, Strafzelle oder Besuchsverbot für seine Angehörigen rechnen.
Aber auch in von Kiew kontrollierten Gefängnissen gibt es Missstände. So hatte der Kiewer Radiosender Hromadske im November 2016 von katastrophalen Haftbedingungen in den Gefängnissen von Odessa berichtet. „Wir sind wie Sklaven“, zitiert der Sender eine Exgefangene des Frauengefängnisses Nr. 74. Zwischen einem und zehn Euro pro Monat sei den Gefangenen bezahlt worden. Wer nicht habe arbeiten wollen, musste befürchten, nicht vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen