Stiftung zu Maßnahmen gegen rechts: „Geld allein reicht nicht“

Die Amadeu Antonio Stiftung begrüßt die Maßnahmen der Bundesregierung gegen rechts. Doch ein zentrales Anliegen fehlt.

Eun Siebdruck mit der Aufschrift "Sag Nein zu Rassismus" wird angefertigt

Siebdruck an der Praxisstelle „ju:an“ der Amadeu Antonio Stiftung Foto: Arnon Hampe

taz: Herr Reinfrank, die Amadeu Antonio Stiftung hat zusammen mit anderen Organisa­tio­nen einen offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben. Darin haben Sie ein Demokratiefördergesetz gefordert, um die Arbeit gegen Rechtspopulismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zu verbessern. Jetzt hat das Kabinett einen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen. Sind Sie damit zufrieden?

Timo Reinfrank: In dem Katalog gibt es einige Meilensteine, vor allem aber viele Hausaufgaben für die zukünftige Regierung. Viele Maßnahmen bleiben unklar. Es soll viel in Ausbildung und Forschung von Polizei und Bundeswehr passieren oder in der Kinder- und Jugendarbeit. Aber noch wichtiger wäre, dass Interventionen gegen rechte Gewalt verstetigt werden und in der Szene spürbar werden.

Timo Reinfrank ist Sozialwissenschaftler und Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Was müsste dafür Ihrer Meinung nach passieren?

Die Regierung muss sich konkrete Ziele bei der Bekämpfung von rechter, antisemitischer und rassistischer Gewalt setzen. In Forschung, Zivilgesellschaft und Strategien zu investieren ist gut und schön. Aber es fehlt ein konkreter Maßstab, an dem das staatliche Handeln gemessen wird. Nur so können wir die Gewalt in der Gesellschaft reduzieren. Außerdem fehlt ein roter Faden, der sich durch die Maßnahmen zieht. So sind es 89 Einzelmaßnahmen und die vage Ankündigung eines Gesetzestextes. Aber der Rahmen fehlt.

Wie könnte ein solcher Rahmen aussehen?

Der Fokus auf Rechtsextremismus und Antisemitismus reicht nicht. Wir müssen Populismus stärker zum Gegenstand einer politischen Diskussion machen. Und für die politische Bildung ist die Auseinandersetzung mit dem parlamentarischen Rechtsextremismus in Form der AfD wichtig. Wir müssen die demokratische Kultur insgesamt stärken und für sie werben.

Ist das Maßnahmenpaket für Sie also bloße Symbolpolitik?

Nein, insgesamt bin ich sehr positiv überrascht. An mehreren Stellen wird ein syste­matischer Austausch mit der Zivilgesellschaft hervorgehoben. Es soll sogar eine Verste­tigung der Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und staatlichen Behörden geben. Ein Meilenstein ist auch die Diversitätsstrategie, der Bund erarbeiten will. Wichtig ist auch, dass diskriminierungssensible Sprache im Fokus steht und beispielsweise der Begriff „Rasse“ endlich im Grundgesetz ersetzt werden soll.

Klingt, als stünden Sie dem Vorhaben zwiegespalten gegenüber.

Die Ankündigung der Maßnahmen kommt sehr spät. Bei vielen Punkten ist unklar, wie sie noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden sollen. Und deswegen ist der ge­setzliche Rahmen dieses Gesetz zur Förderung einer wehrhaften Demokratie entscheidend. Wie soll das konkret umgesetzt werden? Und: Es ist wichtig, die Arbeit zivilgesellschaftlicher Institutionen anzuerkennen und zu gewährleisten.

Die finanzielle Förderung, Stichwort 1 Milliarde, wäre den Plänen nach bis 2024 garantiert. Reicht das denn aus?

Geld allein reicht nicht, wir brauchen andere Formen des Dialogs. Und Corona ist ein Einfallstor, das sich Rechts­extre­mist:innen, Antisemit:innen und Verschwörungs­theo­retiker:innen bietet. Da hilft es nicht, nur einzel­ne Maßnahmen durchzusetzen. Wir brauchen die Stärkung der demokratischen Kultur. Hier muss nachgebessert werden.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

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■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

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■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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