Steuervermeidung im Spitzensport: Kreativität neben dem Platz
Die Football-Leaks-Enthüllungen zeigen, wie gut sich die weltbesten Fußballer in kreativer Steuerzahlung verstehen. Das hat eine lange Tradition.
Wenn die besten Fußballer der Welt zusammenkommen, erleben die Fans im besten Falle großen Sport. Dass jede Zusammenkunft dieser Sportler ein Treffen von Superreichen ist, ist dann kein Thema. Dass es Gründe genug gibt, sich über die Gierschlunde in Kickstiefeln zu mokieren, das legen Enthüllungen nahe, die das Nachrichtenmagazin Der Spiegel zusammen mit dem Mediennetzwerk European Investigative Collaborations (EIC) aufbereitet hat.
Grundlagen sind eine Unmengen gehackter Daten, die von anonymen Aktivisten, die unter dem Namen Football Leaks auftreten, gesammelt worden sind. Der portugiesische Superkicker Cristiano Ronaldo ist danach ebenso kreativ, was das Verstecken seiner Millioneneinkünfte vor dem Fiskus angeht, wie der deutsche Nationalspieler Mesut Özil oder der Trainer von Manchester United, José Mourinho.
Letzterer soll so dreist gewesen sein, das Steuersparmodell, das auf dem Verteilen seiner Einnahmen aus Firmen von Neuseeland über Zypern und Irland bis auf die British Virgin Islands beruhte, auch dann noch praktiziert zu haben, als es eigentlich schon bei den Steuerbehörden aufgeflogen war. Auf den Jungferninseln hat auch Cristiano Ronaldo einen Teil seiner Einnahmen geparkt, um Steuern zu sparen. Auch sein Geld hat Umwege gemacht und wurde zunächst nach Irland überwiesen. Es liegt nahe anzunehmen, dass – wer so handelt – etwas verschleiern will.
Es geht dabei nicht um die regulären Gehaltszahlungen, sondern um Werbeeinnahmen. Die Unternehmen, die mit dem Spieler Reklame machen, zahlen für Bildrechte am Spielerantlitz. Diese liegen bei Firmen. Statt Einkommensteuer wird die viel niedrigere Körperschaftsteuer fällig. In Irland ist diese mit 12,5 Prozent besonders günstig. Über 60 Millionen Euro Steuern soll Ronaldo über sein Auslandskonstrukt gespart haben. Wie legal dieser Steuertrick war, damit könnten sich schon bald Gerichte in Spanien befassen.
Mesut Özils Fall nimmt sich dagegen beinahe schon bescheiden aus. Er soll sich einen Steuervorteil dadurch verschafft haben, dass er Beraterhonorare von den Klubs Real Madrid und FC Arsenal, mit denen er dealte, hat zahlen lassen. Das fanden die Steuerbehörden unsauber und verdonnerten ihn zu einer Steuernachzahlung von über 2 Millionen Euro. Die hat Özil geleistet, hat aber Widerspruch gegen eine Strafzahlung von knapp 800.000 Euro eingelegt. Ein Urteil darüber steht noch aus.
18,6 Millionen Dokumente
Weitere Namen, Zahlen und Finanzkonstrukte dürften in den nächsten Tage und Wochen bekannt werden. 18,6 Millionen Dokumente, darunter Spielerverträge, Beratervereinbarungen und Mails, haben die Rechercheure des EIC-Netzwerks durchsucht und dabei die großen und nicht ganz so großen Finanzströme in der Branche gescannt. In Dänemark wird gerade der Fall des nationalen Fußballhelden Michael Laudrup ganz groß verhandelt. Der soll sich als Trainer des englischen Premier-League-Klubs FC Swansea mehr als vier Millionen Euro zugeschustert haben. Ein Teil von Transfersummen für Spieler soll auf seinem Konto gelandet sein.
Ob die Enthüllungen die Fußballwelt wirklich erschüttern werden, bleibt abzuwarten. In der Sportgeschichte, auch in der deutschen, wimmelt es nur so von Großverdienern, die es nicht unbedingt ernst meinen mit der Steuerehrlichkeit. Tennis-Heros Boris Becker, der behauptet hat, in Monte Carlo zu wohnen, aber doch die meiste Zeit in München lebte, wäre 2002 um ein Haar wegen der dadurch erschummelten Steuerleichterungen in den Knast gewandert. Und dem Vater von Tennis-Heroin Steffi Graf nutzten seine guten Beziehungen zum damaligen baden-württembergischen Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder dann doch nichts und der Verwalter von Tochters Millioneneinkünften wurde 1997 zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt.
Im deutschen Fußball, speziell im Umfeld des Vorzeigeklubs FC Bayern München, werden Steuervergehen in einer Regelmäßigkeit begangen, die man beinahe schon als geschmacklos bezeichnen kann. Über den ehemaligen Spieler, Trainer und Präsidenten des Klubs, Franz Beckenbauer, heißt es bei Wikipedia: „In den 1970er Jahren musste er 1,8 Millionen D-Mark Steuern nachzahlen, nachdem sich eine Steuersparkonstruktion als nicht vereinbar mit den deutschen Steuergesetzen erwies.“
Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG, ist erwischt worden, wie er edle Uhren aus Katar am Zoll vorbei ins Land schmuggeln wollte, und Oliver Kahn, der frühere Torwart-Titan, hat Ähnliches mit Kleidung im Wert von mehr als 6.000 Euro versucht. Wie der soeben als Präsident des FC Bayern wiedergewählte Uli Hoeneß 28,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen hat, ist sattsam bekannt, seit er dafür zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden ist.
Steuern zahlen ist keine Strafe
Zuvor war er gern gesehener Talkshow-Gast, der sich wortreich darüber mokiert hat, dass die Spieler des Klubs eine Halbzeit für sich und die zweite Halbzeit für den Fiskus spielen würden – ganz so, als sei es eine Strafe, Steuern bezahlen zu müssen. Und auch wenn SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann über die jüngsten Enthüllungen sagt, dass es ein Verrat an den Fans sei, wenn „diese Millionarios ihren Beitrag zum Gemeinwesen verweigern“, so darf man dies getrost als plumpen Populismus kritisieren.
Die Bundesregierung tut nicht gerade viel, um für das Gemeinwesen einen Teil der Einnahmen aus dem Profisport zu sichern. Stehen Großereignisse der Sportverbände Fifa oder Uefa an, werden großzügige Steuerbefreiungen erteilt. Der DFB, der sich gerade um die Ausrichtung der Fußball-EM 2024 bewirbt, müsste seine Bewerbungsunterlagen in den Reißwolf geben, könnte er nicht mit einem Steuersparprogramm für die Uefa ins Rennen gehen. Bei der EM in Frankreich in diesem Jahr war das nicht anders. Auf Druck der Uefa wurde eigens ein Gesetz zur Steuerbefreiung während des Turniers verabschiedet.
Während also über die Steuertricks der Fußballmillionäre diskutiert wird, wird der rote Teppich für die nächsten steuerbefreiten Großereignisse schon wieder aufgebürstet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist