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Steuer für Fladenbrot sinkt

Die US-Zölle setzen der eigentlich gut laufenden indischen Wirtschaft zu. Pünktlich vor der Zeit des Lichterfests senkt die Regierung radikal die Abgaben auf viele Produkte, um den Konsum anzukurbeln

Von Natalie Mayroth,Mumbai

Die Ankündigung der Regierung in Delhi fiel mit dem Zoll-Schock aus den USA zusammen. US-Präsident Donald Trump hat importierte indische Waren wie Kleidung und Schmuck mit bis zu 50 Prozent Aufschlag belegt. Das dürfte das Wachstum des Schwellenlandes, das im vergangenen Quartal bei üppigen 7,8 Prozent lag, abbremsen. Nun plant Premierminister Narendra Modi (BJP) eine Steuerreform, damit die Konjunktur nicht abgewürgt wird: Ab dem 22. September soll die Mehrwertsteuer für viele günstige Produkte auf 5 Prozent sinken, das System zugleich vereinfacht werden.

Indien ist für seine eigenwillige Steuerpolitik bekannt. Bislang galten unter Modis Regierung verschiedene Besteuerungskategorien von 5, 12, 18 und 28 Prozent, außerdem höhere Sätze für importierte Waren. Wie hoch der Satz auf welche Produkte ist, ist manchmal schwer zu durchschauen. So gibt es bei den Brotsorten „Paratha“ und „Chapati“ unterschiedliche Steuersätze, ebenso bei süßem und salzigem Popcorn. Künftig sollen die meisten Produktklassen entweder mit 5 oder 18 Prozent besteuert werden.

Die Reform ist offensichtlich darauf ausgelegt, den Konsum vor dem Lichterfest Diwali anzukurbeln, das zum Jahresende hin stattfindet und einen ähnlichen Charakter hat wie Weihnachten: Familien kommen zusammen und beschenken sich.

Aber auch im Alltag werden die Veränderungen spürbar: Für Grundnahrungsmittel wie Fladenbrot oder Milch entfällt die Mehrwertsteuer, auch Lebens- und Krankenversicherungen sollen steuerfrei werden. Für Kleidung zum Preis von weniger als 25 Euro fällt die Steuer von 12 auf 5 Prozent, teurere Stücke hingegen werden nun mit 18 Prozent versteuert. Allerdings senkt die Regierung zum Teil auch den Luxussteuersatz. Wer sich etwa einen Kühlschrank, eine Klimaanlage, einen großen Fernseher oder einen Geschirrspüler zulegte, musste bislang 28 Prozent zahlen. Nun sollen es nur noch 18 Prozent sein. Das Ziel ist klar: Die Kaufkraft von Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen soll steigen, die Menschen mit etwas mehr Geld dürfen aber auch nicht ganz verschreckt werden.

Die geplanten Änderungen stoßen auf Zustimmung. Bran­chen­ex­per­t:in­nen erwarten dadurch eine bessere Konsumstimmung und steigende Verkäufe, die sich traditionell von Diwali bis ins neue Jahr ziehen könnten. Die Börse reagierte bislang allerdings kaum, was auch daran liegt, dass viele Details noch offen sind.

Nichtsdestotrotz machen Unternehmen bereits Werbung mit der Reform. Schuhriese Bata verspricht: „Wir zahlen die Mehrwertsteuer. Sie sparen das Geld.“ Die Molkereigenossenschaft Amul dankte Modi in großen Anzeigen. Wirtschaftsministerin Nirmala Sitharaman (BJP) forderte die Unternehmen auf, alle Steuersenkungen an Verbraucher weiterzugeben. Ein Paket für Exporteure soll folgen.

Manche munkeln, Regierungsgeschenke ohne Kalkül gebe es selten. In diesem Jahr steht noch eine wichtige Wahl im östlichen Bundesstaat Bihar an, einem der ärmsten des Landes. Die Opposition kritisiert, die Modi-Regierung habe in acht Jahren durch komplizierte Steuern dem Mittelstand geschadet und wolle nun für kleine Korrekturen gefeiert werden. Unterdessen fiel die Rupie gegenüber dem US-Dollar auf den tiefsten Stand seit Jahren.

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