Stellenabbau bei Autobauern: Scholz macht Wahlkampf bei Ford
Der US-Autobauer wollte bei der Betriebsversammlung in Köln keine Details zum Jobabbau nennen. Auch der Auftritt von Kanzler Scholz stieß auf Skepsis.
Doch Geschäftsführer Marcus Wessenberg habe auch heute noch immer keine Details dazu benannt, kritisiert Tröscher. Er steht in der riesigen Werkshalle W1. Lange Reihen leerer Stühle erstrecken sich von einem bis zum anderen Ende unter dem gewölbten Dach aus Stahl und vergilbtem Glas. Winterliches Grau schimmert durch. Vorne ist eine Bühne aufgebaut, das Ford-Logo vor einem blauen Stoffvorhang im Hintergrund. Vor wenigen Stunden hat hier Olaf Scholz (SPD) gesprochen und Unterstützung für die E-Mobilität in Europa gefordert. Denn wie auch andere Autobauer begründet Ford die geplanten Stellenstreichungen vor allem mit dem schwachen Absatz auf dem E-Automarkt.
Scholz fordert Unterstützung für E-Mobilität
Längs der Stuhlreihen in W1 stehen Absperrgitter, die mit Bannern bezogen sind. „Go Electronic“ steht darauf. In den Kölner Werken produziert Ford zwei Elektroautomodelle, Verbrenner werden hier nicht mehr gebaut. Kanzler Scholz bringt als Unterstützungsmöglichkeiten die Förderung der europäischen Produktion oder des Verkaufs von E-Autos ins Spiel. Eine Verkaufsförderung gab es in Deutschland mit der sogenannten Umweltprämie noch bis Ende letzten Jahres. Der Einbruch der Neuzulassungen von E-Autos ist wohl auch auf ihr Wegfallen zurückzuführen: Laut Kraftfahrtbundesamt wurden in Deutschland bis einschließlich Oktober dieses Jahres rund 27 Prozent weniger Elektroautos zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Nicht nur für die Wirtschaft ist das problematisch: Eine Studie, die das International Council on Clean Transportation letzte Woche veröffentlicht hat, zeigt, dass sich der Umstieg auf E-Mobilität beschleunigen muss, damit die Klimaziele noch erreicht werden können.
Arbeiter bei Ford
An der Straßenbahnhaltestelle Köln Niehl Fordwerke Mitte steht ein junger Mann in gelber Werksjacke. Er tanzt gerade zur Musik seiner In-Ear-Kopfhörer. Aber um über die heutige Versammlung zu sprechen, nimmt er sie raus. „Für mich ist das, was heute hier gelaufen ist, einfach nur lächerlich“, sagt der Mann mit den dunklen, langen Haaren. Seinen Namen möchte er nicht nennen. Er selbst sei über eine Tochtergesellschaft bei Ford angestellt. Aber auch er mache sich, so wie seine Kollegen von Ford, große Sorgen um die Zukunft. Dass sich die Geschäftsführung nicht klar zu ihren Plänen äußert, findet er respektlos. Den Auftritt des Kanzlers hält er für unauthentisch. „Wenn nicht Wahlkampf wäre, wäre der hier nicht aufgetaucht“, meint er und grinst spöttisch.
E-Auto-Krise als vorgeschobener Grund
Gewerkschafter Tröscher hält den Kanzlerbesuch zwar für ein Zeichen der Wertschätzung. Aber dass er tatsächlich etwas an der Situation der Belegschaft verändern kann, bezweifelt er. Denn die Gewerkschaft IG Metall glaubt nicht, dass es sich bei den Kürzungsplänen der Geschäftsführung tatsächlich um Zwänge aufgrund der schwierigen Situation auf dem E-Auto-Markt handelt. Stattdessen führt sie die angekündigten Kürzungen darauf zurück, dass Ford seit einiger Zeit auf den Bau teurer, großer Autos setze. Die brächten dem Unternehmen zwar mehr Umsatz, benötigten jedoch weniger Produktionskapazitäten und damit Mitarbeitende, so die IG-Metall-Einschätzung. Man wolle dem Konzern bei den geplanten Stellenstreichungen deshalb nicht entgegenkommen. Darauf wäre die Geschäftsführung allerdings angewiesen, denn bis Ende 2032 gilt eine Jobgarantie, die letztes Jahr vereinbart wurde. Ohne Mitwirkung der Gewerkschaft sind Entlassungen also eigentlich nicht möglich. Der Konzern müsste jetzt also mit den Arbeitnehmervertreter*innen darüber verhandeln.
Benjamin Gruschka, Betriebsratschef von Ford Deutschland, sagt nach der Versammlung, in der Nacht zuvor habe er eine Einladungsmail zu einem Gespräch mit der US-amerikanischen Geschäftsführung erhalten. Das werde voraussichtlich im Januar stattfinden. Vorher gibt es wohl keine Neuigkeiten für die Kölner Ford-Arbeiter*innen.
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