piwik no script img

Steinzeit-MegatrendWie die Töpferei nach Europa kam

Wis­sen­schaft­le­r*in­nen haben Tongefäße aus der Steinzeit untersucht und neue Erkenntnisse über unsere menschlichen Vorfahren gewonnen.

Topf aus der Steinzeit, Fundort in Tschechien Foto: Werner Forman Archive/Moravian Museum Brno/imago

Menschen haben schon immer Dinge erfunden, und diese Erfindungen haben sich schon immer verbreitet. Wie und warum das passiert, besonders unter Jä­ge­r*in­nen und Sammler*innen, ist aber nicht gut erforscht. Das liegt zum Beispiel daran, dass nicht sesshafte Menschen damals viel unterwegs waren und weniger Überbleibsel hinterlassen haben als zum Beispiel Ackerbaugesellschaften.

Ar­chäo­lo­g*in­nen unter der Leitung von drei britischen und irischen Wis­sen­schaft­le­r*in­nen haben anhand 1.226 getöpferter Gefäße untersucht, wie die Töpferei aus Zentralasien und Westsibirien nach Osteuropa gekommen ist. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Nature Human Behaviour.

Die Studie

Die untersuchten Gefäße wurden an 156 Orten in Osteuropa und Russland ausgegraben. Ihr Alter haben die For­sche­r*in­nen mithilfe der sogenannten Radiokohlenstoffdatierung ermittelt. Dabei wird gemessen, wie stark der Anteil von radioaktiven 14C-Atomen bei den organischen Rückständen im Gefäß bereits abgenommen hat. Das Kohlenstoffisotop 14C steckt in jedem lebenden Organismus und wird immer weniger, je länger der Organismus schon tot ist. Darüber hinaus haben die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen auch die Form, Dekoration und die organischen Spuren untersucht, um Aussagen über das Wie und Warum treffen zu können.

Den Berechnungen zufolge hat sich die Töpferei seit 5900 vor Christus innerhalb von 300 bis 400 Jahren um etwa 3.000 Kilometer nach Westen ausgebreitet. Das Wissen ums Töpfern ist also innerhalb einer Generation bis zu 250 Kilometer weit gereist – so schnell, dass eine bloße Wanderung der Gemeinschaften, die schon töpfern konnten, ausgeschlossen ist. Stattdessen wurde die Töpferei wahrscheinlich über etablierte Netzwerke wie die Verwandtschaft weitergegeben.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Die For­sche­r*in­nen haben auch untersucht, was in den getöpferten Gefäßen aufbewahrt wurde. Besonders interessant finden sie die Spuren von Fisch und Wildfleisch. Diese zeigen, dass sich die Vorlieben von Ort zu Ort stark unterschieden, was die For­sche­r*in­nen mit der lokalen Küche und den Bräuchen erklären. Sie weisen darauf hin, dass ihr Analyseverfahren besser darin ist, Fleisch zu erkennen, als die Überreste von Pflanzen.

Was bringt’s?

Nicht nur die bloße Fähigkeit zu töpfern hat sich über Tausende Kilometer verbreitet, sondern auch ähnliche Formen und Dekorationen. Das ist ein Beispiel dafür, dass sich soziale Traditionen, gemeinschaftliche Aktivitäten wie das Essen und Technologien gemeinsam entwickeln und gegenseitig beeinflussen.

Die Studie rekonstruiert, wie nicht sesshafte menschliche Gemeinschaften lebten. Dadurch lernen wir von alternativen Lebensweisen, die Inspiration für politische Visionen bieten können. Aber es zeigt auch, was wir mit den Menschen von damals gemein haben. Zum Beispiel, dass wir trotz immer neuer Technologien unser Essen sehr gern so zubereiten, wie es unsere Eltern und Großeltern getan haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Sehr schön wieder einmal einen interessanten und aufschlussreichen Beitrag über Archäologie in der taz zu lesen, Danke! Bleibt anzumerken, dass sich der zitierte wissenschaftliche Artikel mit der frühsten Keramik bei Wildbeuterkulturen in Nord- und Osteuropa befasst, das abgebildete Gefäß zeigt aber typischen Dekor der sogenannten bandkeramischen Kultur ist, der ältesten sesshaften Ackerbauernkultur in Mitteleuropa. Diese verbreitete sich durch langsame Migration aus dem unteren Donauraum.

  • "Die Studie rekonstruiert, wie nicht sesshafte menschliche Gemeinschaften lebten."

    Ich verstehe nicht diesen Rückschluss auf Nichtsesshaftigkeit.



    Können nicht genauso gut auch sesshafte Gemeinschaften Überträger neuer Kultur sein?



    Wie der Autor doch selbst schreibt, war die Verbreitungsgeschwindigkeit des "Kulturgutes" Töpfern viel schneller als etwaige Wanderungsbewegungen.

    Ich vermute eher eine Verbreitung dieser "Schüsseltechnologie" über Handel, der mobiler ist als jede Wanderungsbewegung.



    Wenn selbst schon im Neolithikum Bernstein eine begehrte Handelsware war und sich von der Ostsee bis nach Ägypten verbreiten konnte, darf man Ähnliches (in andere Richtungen) auch schon zuvor fuer Ideen und Technologien annehmen.