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Steinmeier wegen NSA in der Kritik„Größter Heuchler in der Affäre“

Hat er höchstselbst dem NSA-Datenstaubsauger Tor und Tür geöffnet? Union, FDP und Linke schießen sich auf den einstigen Kanzleramts-Chef unter Rot-Grün ein.

Gaukelt er Unwissenheit vor? Das wirft die politische Konkurrenz Frank-Walter Steinmeier vor Bild: dpa

BERLIN dpa | In der NSA-Spähaffäre haben die Regierungsparteien CDU und FDP sowie die Linkspartei scharfe Kritik am Auftreten des SPD-Fraktionschefs Frank-Walter Steinmeier (SPD) geübt.

Der einstige Kanzleramts-Chef der rot-grünen Bundesregierung sei „der größte Heuchler in der ganzen Spionageaffäre“, sagte die Linke-Vorsitzende Katja Kipping der Online-Ausgabe der Mitteldeutschen Zeitung. Die Koalitionsparteien warfen den früher an der Regierung beteiligten Sozialdemokraten vor, in der Debatte zur Datenüberwachung unglaubwürdig zu sein.

Es sei Zeit für einen Offenbarungseid der SPD, forderte die Linke-Vorsitzende Kipping. „Während Steinbrück täglich ein Empörungstheater aufführt, kommt Schritt für Schritt heraus, dass Rot-Grün alle Türen aufgemacht hat, durch die die NSA und private Konzerne die Daten aus Deutschland absaugen.“ Für die Linke führe kein Weg an einem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss nach der Bundestagswahl vorbei. „Dann müssen auch die Schlapphutpaten der SPD aussagen.“

Pofalla will berichten

Der Vize-Sprecher der Bundesregierung, Georg Streiter, hatte am Mittwoch mitgeteilt, die rot-grüne Koalition habe 2002 die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit dem US-Geheimdienst NSA abgesegnet. Steinmeier habe damals als Chef des Kanzleramtes die Grundsatzentscheidung getroffen.

Die gemeinsame Fernmeldeaufklärung von NSA und BND im bayerischen Bad Aibling finde auf Basis eines Abkommens (Memorandum of Agreement) vom 28. April 2002 statt, sagte Streiter. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) werde am kommenden Montag im Parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste ausführlich über das Dokument und die Zusammenarbeit der Geheimdienste berichten, fügte er hinzu.

Das Abkommen wurde sieben Monate nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA geschlossen. Der BND hatte schon am Samstag mitgeteilt, die Zusammenarbeit mit der NSA in Bad Aibling basiere auf einer Vereinbarung aus dem Jahr 2002. Spätestens damit war klar, dass die damalige rot-grüne Regierung Mitverantwortung trägt.

Der Freiburger Historiker Josef Foschepoth hatte darüber hinaus gesagt, alle Nachkriegsregierungen der Bundesrepublik hätten entsprechende Abkommen über eine Zusammenarbeit der Geheimdienste mitgetragen.

Gröhe: „pure Heuchelei“

Der CDU-Abgeordnete Michael Grosse-Brömer warf der SPD-Spitze vor, sie erhebe wider besseren Wissens schwerste Vorwürfe und führe deutsche Bürger offenbar bewusst in die Irre. „Sie gaukeln Unwissenheit über Sachverhalte vor, die sie seinerzeit selbst beschlossen haben.“ CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von „purer Heuchelei“ und einem durchsichtigen Wahlkampfmanöver der SPD.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte, entweder die SPD habe Bürgerinnen und Bürger gezielt an der Nase herumgeführt – „oder Steinmeier hat Steinbrück ins offene Messer laufen lassen“. Philipp Rösler soufflierte in der Schwäbischen Zeitung, „die SPD ist als unglaubwürdig entlarvt“.

Steinmeier wies die Vorwürfe der Bundesregierung mit Verweis auf die Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 zurück. „Was an Zusammenarbeit zur Aufklärung eines grauenhaften Verbrechens notwendig war, hat nichts zu tun mit der lückenlosen und flächendeckenden Abschöpfung von Daten unserer Bürgerinnen und Bürger“, argumentierte der SPD-Politiker.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte die SPD, „aus dem seriösen Parlamentarischen Kontrollgremium eine Wahlkampf-Klamaukbude zu machen“. „Wir sollten dafür dankbar sein, dass wir wegen der Hinweise amerikanischer Geheimdienste von Anschlägen in Deutschland verschont geblieben sind“, sagte Kauder der Passauer Neuen Presse.

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14 Kommentare

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  • G
    Gast

    @ Whitehat "Situationskomik"

     

     

     

    Neben den Trackern die "Ghostery" auf der Taz-Seite zeigt und blockiert, findet "Noscript" auch einen Google-Tracker auf der Taz-Seite (und blockiert ihn).

  • Man kann sich nicht damit rausreden, dass Prism unter dieser Bezeichnung erst später kam.

     

     

     

    Steinmeier hat alles mögliche mitgemacht. Für Herrn Kurnaz hat er sich bis heute nicht entschuldigt.

     

     

     

    Die Bezeichnung "Heuchler" trifft es.

  • G
    Gäääähn

    Da bin ich aber froh, daß die Grünen und der Rest der SPD von nichts wusste. Ansonsten ist mir das Thema egal. Sommerloch und Wahlkapf. Von den Briten die noch wesentlich schlimmer spionierten und den Russen oder gar Chinesen hört man eh nichts. Von Themen wie Eurokrise, Asylbewerberproblematik, Multikultiimplosion, Bildungskatastrophe oder Wirtschaftskrise dank Euro hört man in den alten Medien erst recht nichts oder bestenfalls alte Kamellen aus den 80ern. Bei der taz erwartet man vor der wahl ja nichts außer "Wählt Grüne, SPD oder SED" aber etwas unterhaltsamer könntet ihr es schon machen. Daran halten werde ich mich natürlich nicht. Linkssein und Blödsein sind zwei paar Schuhe. Ich wähle AfD, die reden von den echten Problemen und haben wenigstens Lösungsansätze.

  • G
    Gunnar

    Das war zu erwarten, weil die Regierung verzweifelt versucht, den Schwarzen Peter weiterzureichen. Es war ja allgemein bekannt, dass Frank-Walter Steinmeier in der Kritik steht, weil er von 1999 bis 2005 Kanzleramtsminister war. Damals wurde ja die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten intensiviert. Man muss aber hier klar festhalten: Das war 2002, PRISM ist erst 2005 aufgebaut worden. Das heißt, an Steinmeiers Begründung, dass er eben damals nicht wissen konnte, wie groß die Ausspähaktion werden würde, ist etwas dran.

  • W
    Wolfgang

    SS-SD-Gehlen wurde mit seiner Gruppe von Mitarbeitern und FHO-Dokumenten (Fremde Heere Ost, deutscher militärischer Nachrichtendienst beim Oberkommando des Heeres) von August 1945 bis Juli 1946 in die USA geflogen.

     

     

     

    Mit der Rückkehr Gehlens nach Deutschland war die amerikanische Militärspionage (G-2) bis Mitte 1949 Geld- und Auftraggeber der "Operation Rusty". Unter diesem Namen wurde zunächst die Gruppe Baun geführt. "Rusty" war der Obergegriff für alle deutschen Geheimdienstaktivitäten unter Baun und Gehlen. -

     

     

     

    Gehlen wurde vorerst im zentralen Vernehmungszentrum der Amerikaner "Camp King" in Oberursel/Taunus untergebracht. In Oberursel traf Gehlen mit einem Großteil seines (SS-SD-FHO-)Stabes wieder zusammen. -

     

     

     

    Die US-Aufsicht beschränkte sich auf die Kontrolle von Finanzen und Logistik. Sie lieferten Lebensmittel und Luxuswaren, die von den Deutschen auf dem Schwarzmarkt in zusätzliche Operationsgelder getauscht wurden.

     

     

     

    Gehlen informierte die Amerikaner kontinuierlich über die Entwicklung bei den sowjetischen Streitkräften; über Eisenbahnknotenpunkte und wichtige Schienenstränge, über Übungsplätze und Fahrzeuge, Bewaffnung und andere Beobachtungen etc.

     

     

     

    Am 1. Juli 1949 nahm die CIA offiziell die Organisation Gehlen in ihre Obhut. In der größten Villa des weiträumigen [bND-] Pullacher Komplexes, dem "Bormann-Haus", richtete sich ein CIA-Stab ein. {...}

     

     

     

    Aufwachen, brave amerikanisch-CIA-bundesdeutsche BND-BfV-Michels!

  • W
    WhiteHat

    Situationskomik.

     

     

     

    Die taz sollte jetzt auch mal eine Stellungnahme zum eigenen Verhalten abgeben.

     

     

     

    Nämlich dazu, wie sie das Verhalten ihrer eigenen (vermutlich meistens unwissenden) Leser verfolgt.

     

     

     

    Installierte Tracker auf dieser Seite kommen von:

     

    - Ad Spirit

     

    - INFOnline

     

    - VG Wort.

     

     

     

    Festgestellt (und selbstverständlich blockiert) mit "Ghostery".

     

     

     

    Und der spezielle Bezahldienst "flattr" wäre auch nicht unbedingt notwendig.

     

     

     

    An die Leser und an die Redaktion:

     

    Denkt doch mal bitte darüber nach.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Da bin ich mir nicht sicher, es ist bekannt, dass Journalisten fuer Geheindienste usw arbeiten. Das ist gravierender.

     

     

     

    Manchmal geht s ganz kurz.

  • S
    Sören

    Diese "Enthüllungen" in Bezug auf Frank-Walter Steinmeier sind in keiner Weise überraschend. Seine verbale Zurückhaltung in der "Affäre" war auch auffallend. Er hat wohl geahnt, dass die Koalition diese alte Vereinbarung früher oder später ausgraben wird.

     

     

     

    Ich glaube schon, dass die Attacken der SPD ein Stück weit unglaubwürdig werden. Und leider wird der Eindruck, den viele haben, bestätigt, dass Politiker alle "Dreck am Stecken" haben. Das verheißt für die politische Kultur nichts Gutes.

     

     

     

    Unabhängig von diesem Fall bin ich der Meinung, dass Steinmeier eigentlich das größere personelle Problem (mit Blick auf Steinbrück, Gabriel, Nahles) der SPD ist. Sein Gesicht steht für die Agenda 2010 und die letzte Regierungszeit der Partei insgesamt. Für einen wirklich glaubwürdigen Neuanfang muss er auf jeden Fall gehen.

  • Mich verwundert die künstliche Hysterie, mit der der alte Hut "Geheimdienstschweinereien" aufgebauscht wird.

     

    War es nicht so, daß der BND hauptsächlich gegründet wurde, um den Initiatoren namens USA regelmäßig in großem Stil geheime Informationserkenntnisse zukommen zu lassen?

     

    Hat nicht Reinhard Gehlen (früher Leiter "Fremde Heere Ost") als Erster zig Kisten geheimer Akten an die Amis übergeben, um dann 1946 die "Org. Gehlen", später in "BND" umbenannt, als Nachfolgeinstitution des ehem. dt. Geheimdienstes ins Leben zu rufen?

     

    Das soll natürlich NICHTS relativieren! Aber neu ist das alles nicht. Halt das Sommerloch...

  • L
    lowandorder

    ff wg 2000-Latte

     

     

     

    Nochmals: Genau das - gilt es nunmehr zu verhindern;

     

     

     

    politisch:

     

    - durch die Linke, Barbara Kipping; die alten Schlachtrösser wie Christian Ströbele; Wolfgang Nescovic et al;

     

    ein G-!0-Vors. Hans de With hat sich dagegen schon hier in der taz

     

    als Abbügler vom Dienst ins Abseits katapultier.

     

     

     

    öffentlich:

     

    Seesslen hat die Gefahr aufgezeigt, aber Bürger empört

     

    und dann - erhebt euch; das muß es sein, was soll noch passieren?

     

    Wenn so abgewichste Eisenknochen wie Otto Schily ihre abgrundtief verlogenen Veleda-Duftmarken setzen dürfen, sind wir auf dem falschen Dampfer.

     

     

     

    Es gibt erfahrene Völkerrechtlicher wie Michael Geistlinger et al, die

     

    ohne Scheuklappen (wie glattiTomuschat et al.) darstellen können, wo der Hase im Pfeffer liegt und - wie man ihn da wieder bürgerschützend den kick in the ass verabreicht.

     

     

     

    Klandestine Vereinbarungen/Absprachen/Protokolle etc kündigen ist der richtige Ansatz; zunächst müssen die aber auch offengelegt werden:

     

    demokratiebuilding ist eben keine Einbahnstraße:

     

    Demokratie will come to the USA - Leonhard Cohen;

     

     

     

    nehmen wir ihn beim Wort.

     

    Friedensfürst Obama - hat noch zu liefern. Jetzt!

  • L
    lowandorder

    ....Gaukelt er Unwissenheit vor? Das wirft die politische Konkurrenz Frank-Walter Steinmeier vor...."

     

     

     

    Letztere tun dies aus fadenscheinigen Gründen: "..haltet den Dieb.."

     

    rufen hier mal wieder die Richtigen.

     

     

     

    Daß mein 10 Jahre jüngerer Seminarkollege Steinmeier in zwei der seinerzeit - verfassungs- wie öffentlichrechtlich - angesagten Braintrusts nicht das richtige gelernt hat, sondern zu einem elenden Strippenzieher (wie leider auch seine Lanciererin) verkommen ist,

     

    ist spätestens seit der Muhrat Kurnaz, d.h. der Steinmeier/Maaßen-Affäre, hinreichend belegt und bekannt.

     

     

     

    Aber darum geht es hier nicht.

     

    Das Szenario erinnert verteufelt an den eklatanten Verfassungsbruch eines Bundeskanzlers Helmut Kohl via Bimbes-Affäre!

     

    und den im Ergebnis folgenlosen Umgang damit via Politik.

     

    Genau das gilt es zu verhindern.

     

     

     

    Auch dort war das Geschrei, ja Gekreische ähnlich groß und dissonant:

     

    weil sie alle !! schwer und verfassungswidrig Dreck am Stecken hatten;

     

     

     

    mit der Folge, daß die allein verfassungsrechtlich gebotene Reaktion:

     

    ein impeachment, ein Sturz Kohls, unterblieb und - sodann -

     

    das Thema des Untersuchungsausschusses im allseitigem Einvernehmen so zugeritten, äh -geschnitten wurde, daß nix handfestes, operationables dabei herausschaute.

  • R
    reblek

    "Der CDU-Abgeordnete Michael Grosse-Brömer warf der SPD-Spitze vor, sie erhebe wider besseren Wissens schwerste Vorwürfe..." - Es würde "wider besseres Wissen" reichen.

     

    Dass Steinmeier und Schröder alles gebilligt haben könnten, was die USA wollten, steht für mich außer Frage.

    • @reblek:

      Ein Nasweis wird hier zur Plage. Sein Konjunktiv steht außer Frage.

  • SI
    So ist es

    Die Sozen und Giftgrünen sind die größten Heuchler überhaupt!

     

     

     

    Wer hat uns verraten, die Sozialdemokraten und Grüne Tomaten!