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Steinmeier auf Staatsbesuch in SpanienBesser spät, als nie

Mit Frank-Walter Steinmeier besucht erstmals ein deutscher Bundespräsident die baskische Stadt Guernica. Ein NS-Bombenangriff 1937 hatte 1654 Tote gefordert.

Frank Walter Steinmeier und seine Frau vor dem Gemälde „Guernica“ von Pablo Picasso in Madrid im Museum für Moderne Kunst Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Reiner Wandler

Aus Madrid

Reiner Wandler

88 Jahre hat es gedauert, bis sich die Bundesrepublik Deutschland ihrer historischen Verantwortung für eines der grausamsten Kapitel im spanischen Bürgerkrieg stellt. Am Freitag besuchte Frank-Walter Steinmeier als erster Bundespräsident die baskische Stadt Guernica.

Das deutsche Staatsoberhaupt gedachte dort der Opfer der Bombardierung durch die deutsche Legion Condor am 26. April 1937 und traf sich in Begleitung des spanischen Königs Felipe VI. und des Chefs der baskischen Autonomieregierung Imanol Pradales von der Baskisch Nationalistischen Partei (PNV) mit Überlebenden.

Es war an einem Markttag, als um die 40 Maschinen einer Nazi-Fliegerstaffel 30 Tonnen Bomben über der damals 5.000 Einwohner zählenden Kleinstadt abwarfen. Es kam zu einem verheerenden Feuersturm – etwas bis dahin völlig Unbekanntes. Dabei wurden 85 Prozent der Gebäude zerstört. 1.654 Tote und über 800 Verletzte zählte die baskische Regierung damals. Guernica gilt den Basken als ihre historische Hauptstadt.

Der Gedenkakt am Freitag wurde von Glockengeläut der Kirche San Juan eingeleitet. Auch sie war bei dem Luftangriff zerstört worden. Bundespräsident Steinmeier legte einen Kranz aus weißen Nelken vor dem Mausoleum für die Opfer des Luftangriffes auf dem Friedhof in Gernika nieder. Dem folgte eine Schweigeminute.

Treffen mit Überlebenden

Anschließend unterhielt er sich ohne Pressemikrofone mit zwei Überlebenden, die bei der Bombardierung Kinder waren und heute über 90 Jahre alt sind. Daraufhin suchte er das Friedensmuseum in Gernika auf. Auch dort kam es zu einem Treffen mit Überlebenden und Familien, die an jenem tragischen Marktag Angehörige verloren hatten – erneut unter Wahrung der Privatsphäre.

Der Gedenkakt im Baskenland war der Höhepunkt eines dreitägigen Staatsbesuchs des Bundespräsidenten in Spanien. Er hatte sich bereits am Mittwoch in Madrid zur Bombardierung Guernicas geäußert, nachdem er mit König Felipe VI. das Museum für Moderne Kunst Reina Sofia besucht hatte.

Dort ist das weltberühmte Gemälde Guernica von Pablo Picasso ausgestellt. Das Bild entstand nach der Bombardierung und stellt den Schrecken jenes Tages dar. Deutsche hätten in Guernica „schwere Schuld auf sich geladen“, erklärte Steinmeier. Er sprach von „schweren Verbrechen“. „Der Horror und die Trauer sind in vielen baskischen Familien nach wie vor lebendig“, erklärte das Staatsoberhaupt.

Das Baskenland wäre nicht das Baskenland, wäre die Gedenkveranstaltung ohne Proteste abgelaufen. Die für die Unabhängigkeit eintretende EH Bildu blieb dem Besuch Steinmeiers fern.

Schritt in die richtige Richtung

Zwar begrüßte das linksnationalistische Parteienbündnis, das bei den letzten baskischen Wahlen mit der regierenden PNV fast gleichauf lag, die Geste des Bundespräsidenten als „Schritt in die richtige Richtung“ und als „willkommene Solidaritätsbekundung mit den Opfern des Bombenangriffs“.

Gleichzeitig verurteilte EH Bildu aber den spanischen Staat dafür, „sich weiterhin seiner Verantwortung für den Bombenangriff auf Guernica zu entziehen“. Es handle sich bei der Monarchie um „ein von der Diktatur restauriertes Regime“.

Felipes Vater Juan Carlos I. wurde vom 1975 verstorbenen Diktator Francisco Franco eingesetzt. „Diejenigen, die Guernica bombardierten, trugen zum Aufbau des Franco-Regimes bei, welches wiederum die Borbonenmonarchie, deren Thronfolger König Felipe VI. ist, wiederherstellte“, kritisierte die Partei den Besuch.

Kritik an König Felipe VI.

Die der EH-Bildu nahestehende Jugendorganisation Ernai hatte bereits am Vorabend zu einer Demonstration unter dem Motto „König raus aus Guernica!“ aufgerufen. Und auch im Vorfeld und während des Besuchs des Bundespräsidenten rissen die Proteste nicht ab.

Der Vorsitzende der baskischen Regierungspartei PNV, Aitor Esteban, übte ebenfalls Kritik an König Felipe VI. Dieser habe sich wie eine „reine Begleitperson“ verhalten. „Wir verstehen nicht, wie der spanische König nach Guernica kommen kann und nicht wie Deutschland um Verzeihung bittet“, sagte Esteban.

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