piwik no script img

Steffel versenkt

Die CDU stürzt laut ersten Prognosen um fast 17 Prozent ab und landet nur knapp vor der PDS. Die drängt auf Regierungsbeteiligung. Grüne und FDP nahezu gleichauf. SPD nur knapp über 30 Prozent

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Mit einem rekordverdächtigen Minus von fast 17 Prozent ist die CDU bei der Abgeordnetenhauswahl eingebrochen. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Ergebnisse hat CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel die Hauptverantwortung übernommen. Seine Partei habe vom Wähler einen Denkzettel erhalten, gab Steffel zu. Von persönlichen Konsequenzen zu sprechen vermied Steffel am Abend jedoch.

Er wolle die Rolle des Oppositionsführers übernehmen. „Das wird eine kraftvolle Opposition“, sagte Steffel. „Wir haben gekämpft und wir haben verloren. Wir haben einen Denkzettel erhalten und eine schmerzliche Niederlage erlitten.“ Es sei seiner Partei nicht gelungen, „die Erneuerung der CDU erfolgreich darzustellen“.

Ähnlich äußerte sich auch CDU-Landeschef Eberhard Diepgen: „Der Wahlausgang ist zwar eine schmerzliche Niederlage und ein klarer Auftrag der Wähler an die CDU, in die Opposition zu gehen.“ Dennoch solle die Partei nun „die Kräfte bündeln“. Diepgen und andere CDU-Vertreter lehnten ab, künftig auf Frank Steffel zu verzichten. Monika Grütters, wissenschaftspolitische Sprecherin der CDU im Abgeordnetenhaus, sprach sich für eine Fortsetzung mit ihm als Fraktionsvorsitzenden aus. In der gesamten CDU sah man an diesem Abend lange Gesichter. Mit einem so deutlichen Verlust hatte niemand gerechnet. Nach dem Erfolg von 1999 sprachen einige von einem „Desaster“. Aber auch Kritik an der SPD und ihrem Ausstieg aus der großen Koalition wurde wieder laut.

Neben dem eindeutigen Verlierer hat die Wahl hat auch zwei klare Sieger hervorgebracht. Eine eindeutige Regierungskoalition lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Nach einer Hochrechnung von 18.50 Uhr erreichte die SPD mit Klaus Wowereit 30,3 Prozent der abgegebenen Wäherstimmen (22,4 Prozent 1999). Entgegen allen Umfragen erreichte die SPD im Ostteil der Stadt deutlich weniger Stimmen als im Westen. Die PDS kam im Osten auf fast 48, im Westen 6,2 Prozent. Insgesamt erreichte sie 22,4 Prozent. Die Grünen mussten kleine Verluste hinnehmen und lagen bei 9,1 Prozent. Das sind 0,7 Prozentpunkte weniger als vor zwei Jahren. Aus dem Stand kam die FDP von 2,2 auf 9,8 Prozent, sie wird mit Sicherheit wieder im Abgeordnetenhaus vertreten sein.

Mit dem Ausgang der Wahl bleibt die Frage, wie die zukünftige Regierung aussehen könnte. Mit dem Ergebnis besteht sowohl die Option für eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP als auch die Möglichkeit für ein rot-rotes Regierungsbündnis. Klar ist, dass es einen rot-grünen Senat nicht mehr geben wird, angesichts der fehlenden Mehrheit.

SPD-Landeschef Peter Strieder zeigte sich in einer ersten Reaktion zufrieden. Die Partei hätte mit dem „Mentalitätswechsel“ in der Politik deutliche Zustimmung in der Wählerschaft errungen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte, er wolle sich als erstes mit den Grünen zusammen setzen. „Ich lasse mich aber nicht auf Wackelkoalitionen ein“. Eine Koalition mit der PDS wollte er nicht ausschließen.

PDS-Fraktionschef Harald Wolf sprach von einem „hervorragenden Ergebnis“ für die Partei und meldete seinen Anspruch auf die Regierungsbeteiligung an: „Es wird jetzt an der SPD sein, sich klar zwischen einer Koalition der sozialen Gerechtigkeit und einer Koalition der sozialen Kälte zu entscheiden“. Die PDS sei im Westen angekommen, so Wolf: „Wir wollen eine Politik für die ganze Stadt machen“. PDS-Landeschefin Petra Pau verwies darauf, dass ihre Partei mehr Stimmen bekommen habe, als Grüne und FDP zusammen: „Wir warten auf ein Angebot der SPD“.

Michael Cramer (Grüne) zeigte sich zufrieden. In einer ersten Reaktion forderte er die SPD auf, die erfolgreiche Politik des rot-grünen Senats mit den Grünen fortzusetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen