Stefan Plöchinger über Facebook-Likes: „Die Chancen nutzen“
Die taz hat auf Facebook die Marke von 100.000 Fans geknackt. Stefan Plöchinger, Chefredakteur von sueddeutsche.de, über Medien und Online-Netzwerke.
Herr Plöchiner, die taz hat seit Dienstag 100.000 Facebook-Fans. Können wir uns darauf etwas einbilden?
Das sind gut doppelt so viele wie von Jan Böhmermann oder den Grünen, aber nur die Hälfte von Libération oder der Titanic – also, des Magazins, nicht des Schiffs, das hat mehr. Je nachdem, was man als Ziel hat, darf man sich also gratulieren oder selbst anspornen. Kaufen können Sie sich von der reinen Zahl vermutlich nichts, sie ist einfach nur eine psychologisch wichtige Marke, wenn Ihre kollektive Psyche entsprechend ist.
Wie wichtig sind Soziale Netzwerke heute im Journalismus?
Schön ist, dass wir unseren Lesern und ihren Interessen schneller näher kommen können als früher. Auf Facebook sieht man manche lustige Geschichten zeitiger und bekommt ziemlich zügig Antwort auf Artikel oder auf Fragen an die Leser; auf Twitter sind so viele Politiker, dass man ihre Meinungen rascher abrufen kann als in den Agenturen oder am Telefon. Das ist wichtig, hilft uns – und ersetzt trotzdem nicht klassische Recherche oder gewöhnlichen Leserdialog, sondern ergänzt beides. So sollten wir es nutzen, als Bereicherung.
Jahrgang 1976, ist Chefredakteur von sueddeutsche.de.
Auf Facebook und Twitter werden Artikel und Themen oft heiß diskutiert. Wie stark sollten diese Diskussionen die Berichterstattung beeinflussen?
Wenn wir Thementrends oder andere Hinweise schneller sehen, werden wir schneller in unserer Arbeit – ein großer Vorteil. Der Nachteil kann sein, dass wir Hypes schneller mitmachen. Und wenn wir zu viel auf Meinungen schielen, die auf Facebook oder Twitter an uns herangetragen werden, kann das unsere Einschätzung verzerren. Sich Input zu öffnen, der auf diesem Weg in die Redaktion kommt, ist natürlich trotzdem wichtig. Es geht um das richtige Maß: die Chancen zu nutzen, sich der Risiken bewusst zu werden.
Früher war es die Leser-Blatt-Bindung, die man als Zeitungsmacher erreichen wollte. Heute sprechen alle von Community-Bindung. Zu Recht?
Eine Community mit Lesern zu bilden, ist wertvoll im Wortsinn. Die Leute fühlen sich dem Medium verpflichtet, mit dem sie eine Gemeinschaft bilden. Im Gedruckten – und in einigen digitalen Medien – haben Abonnenten diese Rolle, eine Lesergemeinschaft mit uns zu bilden. Sie finanzieren unsere Arbeit aus Solidarität gerne mit, und wer wüsste das besser als die taz? Wer viele Fans hat, vor allem solche, die auch im Digitalen ins Überleben des Journalismus investieren wollen, hat eine Perspektive.
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