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Start der Weltklimakonferenz in BakuAbseits der Realität

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Im ersten Jahr mit 1,5 Grad Erwärmung wirkt die Klimakonferenz immer mehr wie eine Parallelwelt. Dennoch ist sie wichtig, um globale Gerechtigkeit zu schaffen.

Die COP ist wichtig, um globale Gerechtigkeit zu schaffen Foto: Maxim Shemetov/Reuters

W ährend auf der Weltklimakonferenz im aserbaidschanischen Baku ab Montag mal wieder fast 200 Regierungen darüber verhandeln, wie eine Erderhitzung um 1,5 Grad verhindert werden könne, hat 2024 die Marke längst erreicht. Die Temperaturen lagen dieses Jahr im weltweiten Schnitt erstmals um 1,55 Grad höher als zu vorindustriellen Zeiten.

Jetzt könnte man eine ganze Menge einwenden: Das ist erst mal nur ein einzelnes Jahr. Wetter schwankt, es kann auch mal wieder kältere Jahre geben. Der dauerhafte Eintritt in die 1,5-Grad-Welt ist damit noch nicht markiert. Wenn es ums Klima geht, ist der langjährige Durchschnitt ausschlaggebend. Die weltweiten Ziele zum Klimaschutz beziehen sich auf das Jahr 2100. Theoretisch ist es denkbar, der Atmosphäre wieder Treibhausgase zu entziehen, durch mehr Wälder oder Technologien – und so auch nachträglich wieder die Temperaturen zu senken.

Ob das in der Praxis klappt, steht allerdings in den Sternen. Die erstmals für ein Jahr überschrittene 1,5-Grad-Grenze macht die Diskrepanz zwischen der Realität auf der Welt und den Verhandlungsräumen auf der Weltklimakonferenz besonders deutlich.

Baku ist wichtig – trotz allem

Im vergangenen Jahr haben die Verhandler*innen, damals in den Vereinigten Arabischen Emiraten, es nicht geschafft, einen Ausstieg aus den fossilen Energien fest zu vereinbaren. Stattdessen beschlossen sie, dass Staaten „ersucht“ werden, zu einem Übergang weg von fossilen Kraftstoffen in Energiesystemen „beizutragen“. Eine allzu weiche Formulierung. Und gleichzeitig das erste Mal, dass die Weltklimakonferenz überhaupt ein Ende fossiler Energien in Aussicht stellt – obwohl sie seit Jahrzehnten als die Hauptursache für die Klimakrise bekannt sind.

Sollte man die Weltklimakonferenz einfach abschaffen oder zumindest ignorieren? Wichtig bleibt sie, um ausgleichende Gerechtigkeit zu schaffen: Der globale Norden schuldet dem globalen Süden Geld, weil er die Klima­krise fast im Alleingang ausgelöst hat. Das lässt sich nur im globalen Forum verhandeln. Auch und erst recht bei aktuell 1,5 Grad zu viel auf der Erde.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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6 Kommentare

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  • WIE schafft die Klimakonferenz denn globale Gerechtigkeit?

  • "Der globale Norden schuldet dem globalen Süden Geld, weil er die Klima­krise fast im Alleingang ausgelöst hat."

    Aus meiner Sicht ist das der falsche Ansatz. Erstmal ist es so, dass der Westen im Alleingang die Kohlenwasserstoffnutzung entwickelt hat, die global allen Menschen ein besseres Leben ermöglicht hat und durch die von den 8 Mrd Menschen 6Mrd überhaupt nur am Leben sind, wegen der Fortschritte dadurch in Nahrung und Medizin (und vielen anderen Dingen, die zu Gleichberechtigung, Kultur etc. geführt haben.) Dafür schuldet der Westen erstmal gar nichts.

    Natürlich gibt es auch Übertreibungen und Verfehlungen. Aber: (a) die sind glaube ich nicht so groß, relativ zu anderen, wie sie gemacht werden, (b) der Westen ist einfach nicht mehr groß und stark genug, um das alleine zu ziehen und zu finanzieren, (c) es entlässt den Rest der Welt zu sehr aus der Verantwortung sich im richtigen Maße auch zu engagieren. Ich finde den Ansatz daher nicht fair gegenüber dem Westen und ich glaube nicht, dass man das Klima so in den Griff bekommt.

    • @Markus Michaelis:

      In einem Punkt muss ich Ihnen Recht geben:



      Coca Cola gibt es im dreckigsten gottverlassendsten Winkel dieses Planeten, lange vor sauberem Wasser, sauberer Luft, akzeptabler Unterkunft, Bildungsmöglichkeiten, medizinischer Versorgung und Schutz vor Ausbeutung und Kinderarbeit durch menschenwürdiges Einkommen.



      Es ist also noch nicht alles verloren....

    • @Markus Michaelis:

      "... global allen Menschen ein besseres Leben ermöglicht hat..."

      Lesetipp: Kathrin Hartman, egal, welches Buch

  • Spätestens nach dem Wahlsieg von Trump interessiert diese Konferenz keine Sau mehr, vielleicht mit Ausnahme einiger westlicher Länder.

    USA, China, Indien, Brasilien, Russland und sehr viele andere haben kein wirkliches Interesse, manche sind halt dabei, um den guten Ton zu wahren.

    Wie kann eine Klimakonferenz unter diesen Voraussetzungen wichtig sein? Hier wird nichts wirklich bindendes verhandelt werden, das ist im wahrsten Sinne des Wortes "heisse Luft". - allein schon durch die Teilnehmerzahl von über 30.000, von den keiner mit dem Fahrrad anreisen wird.

  • Erstmals war es weltweit für ein ganzes Jahr mehr als 1,5 Grad Celsius wärmer als vor der Industrialisierung.



    Immer mehr Menschen sterben weltweit an der Klimakatastrophe, immer mehr Häuser versinken in Fluten oder verbrennen, Ernten und Wälder vertrocknen und ganze Länder werden unbewohnbar, Wälder emittieren, statt zu absorbieren.



    Die auffälligste Reaktion aus Politik und Blätterwald: Abwiegeln. "Das ist ja nur ein Jahr", beruhigen sie uns, "CCS wird uns retten", heißt es, "Jetzt, wo La Niña kommt, gehen die Werte wieder runter."



    Es bleibt doch nicht bei 1,5 Grad! Bald kommt das erste Jahr, in dem die Temperatur die 2-Grad-Grenze überschreitet. Kippunkte werden unbemerkt überschritten und erst im Nachhinein erkannt. Die Lösungen werden in immer teureren, exotischeren technischen Anlagen gesucht, dabei ist der einzig gangbare Weg Energie sparen. Das verträgt sich nicht mit dem Kapitalismus und auch nicht mit der Industriegesellschaft. Die Naturgesetze lassen aber nicht mit sich verhandeln.