Starke Kürzung bei Integrationskursen: Kritik an geplantem Innen-Etat

Mehr Geld für die Polizei, deutlich weniger für Integrationskurse: Innenministerin Faeser freut sich über den neuen Etat. Die Grünen aber üben Kritik.

Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic bei einer Rede im Bundestag

Hätte sich deutlich mehr Geld für die Sicherheitsbehörden gewünscht: Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

BERLIN taz | Nancy Faeser (SPD) reagierte hoch erfreut, als vor wenigen Tagen die Ampel-Anführer nach langem Ringen ihren Haushaltsentwurf präsentierten. Ein „echter Sicherheitshaushalt“ sei es geworden, mit „starken Investitionen in die innere Sicherheit“. Und tatsächlich kann die Sozialdemokratin als eine der wenigen im Kabinett einen Etat-Aufwuchs verbuchen. An einigen Stellen aber gibt es auch deutliche Kürzungen, vor allem die Gelder für Integrationskurse werden mehr als halbiert – was auch in der Ampel für Unmut sorgt.

Faeser selbst dagegen bescheinigt ihrem verhandelten Etat „die richtigen Prioritäten in diesen rauen Zeiten“. Die Sicherheitsbehörden würden mit dem neuen Haushalt deutlich gestärkt. „Das dient dem Schutz vor Kriminalität, vor Extremismus, vor Cyberattacken und anderen inneren und äußeren Bedrohungen“, erklärt Faeser dieser Tage. „Die Sicherheit unseres Landes und der Menschen, die hier leben, steht für uns an oberster Stelle.“

Insgesamt soll der neue Haushalt von Faesers Ministerium laut Regierungskreisen rund 13,75 Milliarden Euro betragen – ein Anstieg von gut 400 Millionen Euro zum aktuellen Innen-Etat von 13,3 Milliarden Euro. Gut die Hälfte davon fließt in die Sicherheitsbehörden. So soll etwa allein die Bundespolizei rund 4,7 Milliarden Euro bekommen und 1.000 neue Stellen – und damit 417 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) soll 115 Millionen Euro mehr bekommen, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz ein Plus von 72 Millionen Euro und das Technische Hilfswerk 15 Millionen Euro mehr. Die Summen sollen auch für die kommenden Jahre gelten.

Dass Faeser in den Haushaltsverhandlungen gute Karten hatte, zeichnete sich ab. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach dem tödlichen Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim versprochen, man werde „mit aller Macht durchsetzen“, dass „jede und jeder in unserem Land ohne Furcht vor seinen Mitmenschen leben“ könne. Auch eine Stärkung der Bundespolizei kündigte er da schon an. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte ebenso versprochen, dass man die Sicherheitsbehörden „weiter stärken“ werde.

Integrationskurse sollen auf den Prüfstand

Doch nicht nur die Sicherheitsbehörden profitieren. Auch die Bundeszentrale für Politische Bildung soll mehr Geld bekommen, ebenso das Demokratieprojekt „Zusammenhalt durch Teilhabe“ oder jüdische Institutionen wie der Zentralrat.

Auf der anderen Seite aber kommt es auch zu Einschnitten – bei einigen Digitalprojekten etwa, wo nun die Länder stärker in die Pflicht genommen werden sollen. Vor allem aber soll bei den Integrationskursen gespart werden. Stehen dafür im aktuellen Haushalt noch 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung, sollen es 2025 nur noch 500 Millionen Euro sein. Faeser selbst spricht von „schmerzhaften Einsparungen“.

Aber auch das Bundesinnenministerium selbst soll in die Verhandlungen nur mit der Summe von 500 Millionen Euro hineingegangen sein. Offenbar gibt es Unzufriedenheit mit einigen Projekten, die gesamte Struktur der Integrationskurse soll nun genauer evaluiert werden. Auch geht die Bundesregierung perspektivisch von zurückgehenden Migrationszahlen aus – und hofft noch auf Gelder der EU-Kommission, weil Deutschland so viele Ukrai­ne­r*in­nen aufgenommen hat.

Auch das Afghanistan-Aufnahmeprogramm wackelt

Offenbar auch nicht mehr weiterfinanziert werden soll seitens des Innenministeriums das Aufnahmeprogramm für gefährdete Af­gha­n*in­nen, welches Faeser 2022 zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach der Machtübernahme der Taliban ins Leben gerufen hatte. Noch offene Fälle sollen zu Ende bearbeitet werden. Geld für zusätzliche Zusagen soll es vom Innenministerium aber künftig nicht mehr geben. Das Auswärtige Amt erklärte dagegen, von seiner Seite gebe keine Pläne, das Programm einzustellen. Es sei auf die Legislaturperiode ausgelegt und werde aktuell lediglich evaluiert.

Nicht überall in dem Bereich wird aber gespart: Mehr Geld soll es etwa für die Migrations- oder Asylverfahrensberatung geben oder für die Beschleunigung und Digitalisierung von Asylverfahren. Ebenso muss das Innenministerium die Anschubfinanzierung für bürokratische Maßnahmen vornehmen, die es hierzulande für die Umsetzung die europäische Asyl-Reform Geas braucht.

Grüne sieht Faeser „zu vorschnell und zu euphorisch“

Gerade die Einsparungen bei den Integrationskursen sorgen auch in der Ampel für Kritik. „Weniger Integration ist das Gegenteil von dem, was wir gerade brauchen“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic der taz. „Deshalb würden uns Kürzungen bei den Integrationskursen am Ende teuer zu stehen kommen.“

Die Grünen hatten aber auch bei den Sicherheitsbehörden auf noch mehr Gelder gehofft. „Meiner Auffassung nach investieren wir angesichts der multiplen Bedrohungen und wachsenden Aufgaben unserer Zeit noch zu wenig in die Handlungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden“, sagte Mihalic. „Es ist sicher ein erster wichtiger Schritt, dass die ursprünglichen Kürzungspläne des Finanzministers in ihren schlimmsten Szenarien abgewendet werden konnten. Aber das darf uns nicht zufriedenstellen.“

Den Innen-Etat habe Faeser „etwas vorschnell und zu euphorisch als ‚Sicherheitshaushalt‘ bezeichnet“, so Mihalic. Gerade mit den massiven Destabilisierungsversuchen Russlands müssten die deutschen Sicherheitsbehörden „finanziell, personell und mit Blick auf die Ausstattung gut aufgestellt“ sein. „Mehr Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif und auch nicht mit einem ‚Weiter so‘.“ Faeser müsse sich hier nochmal „für eine Stärkung ihres Haushalts einsetzen“, forderte Mihalic.

Der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese lobte dagegen die gestiegenen Gelder für die Sicherheitsbehörden. Angesichts der aktuellen Herausforderungen und knapper Kassen setze der Haushaltsentwurf mit dem Fokus auf die äußere und innere Sicherheit „genau die richtigen Prioritäten“. Es gehe um zentrale Bereiche des Zusammenlebens, die Sicherheitsbehörden müssten mit den veränderten Bedrohungslagen Schritt halten können, so Wiese zur taz. Mit dem Haushaltsentwurf „sorgen wir dafür, dass unsere Bürgerinnen und Bürger weiterhin in Sicherheit leben können“.

Wiese räumte aber ein, dass dabei „schmerzhafte Sparvorgaben“ nicht ausblieben. Das werde man sich noch „genauer ansehen“. Insgesamt könnten sich die „ausgewogenen Vorschläge für die Innenpolitik in diesen schwierigen Zeiten aber wirklich sehen lassen“, sagte Wiese. Auch der FDP-Innenexperte Manuel Höferlin zeigte sich zufrieden mit dem Etat: Dieser halte die Schuldenbremse ein und bleibe im Spielraum öffentlicher Kreditaufnahme. Im parlamentarischen Verfahren müsse man nun sehen, wo man den Entwurf noch „optimieren“ könne.

Der Haushaltsentwurf soll kommenden Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Danach geht er in den Bundestag und kann dort nochmal von den Fraktionen angepasst werden. Eine finale Verabschiedung ist dann im Spätherbst geplant.

„Schäbiger Vertrauensbruch“

Harsche Kritik kommt schon jetzt aus der Opposition. Die Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger warnt, es wäre „fatal“, bei den Integrationskursen zu sparen. „Die Sprachkurse tragen wesentlich dazu bei, dass Geflüchtete schneller ankommen und am Erwerbsleben teilnehmen können. Hier zu kürzen hat höhere Folgekosten an anderer Stelle zur Folge.“ Das könne die Ampel nicht wollen, sagte Bünger der taz.

Auch dass sich das Innenministerium offenbar nicht weiter an der Finanzierung des Aufnahmeprogramms Afghanistans beteiligen will, kritisierte Bünger. Das Programm sei zuvor schon bürokratisch „ausgebremst“ worden, nur ein Bruchteil der zugesagten Aufnahmen hätte stattgefunden. Statt der veranschlagten 35.000 Zusagen sei nun bei etwa 3.500 Schluss. „Das ist ein schäbiger Vertrauensbruch und ein Triumph für die politische Rechte, die schon immer eine Beendigung des Aufnahmeprogramms gefordert hat.“

Bünger betonte, dass die Aufnahme von Afghanistan aber keine großherzige Geste sei, die man einfach mal lassen könne. „Es geht um Verantwortung für Menschen, die sich unter großen Gefahren mutig für ein Leben in Freiheit und Demokratie eingesetzt haben und die dazu von den westlichen Ländern auch ermutigt wurden.“

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