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Stadt Hamburg kündigt QuartiersvereinKoze fliegt raus

Die Stadt Hamburg hat dem Verein gekündigt, der Räume ans „Kollektive Zentrum“ im Münzviertel vermietet.

Nicht das erste Mal, dass das „Koze“ Stress bekommt: Im September rückten Polizisten vor dem Eingang an. Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Situation des „Kollektiven Zentrums“ (Koze) im Münzviertel spitzt sich erneut zu: Der gemeinnützige Quartiersverein „Kunstlabor naher Gegenden (Kunage)“, der die ehemalige Kita auf dem Gelände der Gehörlosenschule von der Finanzbehörde gemietet hat, erhielt Anfang der Woche eine Kündigung. Zum Monatsende sollen sie raus.

Damit hätte das Koze keine Bleibe mehr. Zuvor hatte der Verein eine Stromrechnung über 30.050,44 Euro erhalten und daraufhin einen Anwalt eingeschaltet. Als Alternative bietet die Stadt den Aktivisten an, eine Unterwerfungserklärung zu unterzeichnen. Darin müssten sich der Quartiersverein verpflichten, im November widerstandslos ausziehen.

„Das ist eine abstruse Forderung“, sagt ein Koze-Sprecher. Bei dem Stromzähler handele es sich nicht um den des kollektiven Zentrums, sondern um den der ehemaligen Gehörlosenschule, die sich auf dem gleichen Gelände befand.

„Die Dreistigkeit, mit der der Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen versucht, seine Profitinteressen durchzusetzen, ist grenzenlos und verfehlt seinen Auftrag, als staatliche Institution, im Auftrag und Interesse der Öffentlichkeit zu handeln, zum wiederholten Male“, kritisieren die Koze-Aktivisten in einer Erklärung. Einmal mehr verstricke sich der Landesbetrieb in Lügen und Intrigen.

Das "Kollektive Zentrum"

Der Verkauf des Schulgeländes unweit des Hamburger Hauptbahnhofs ist ein mehrjähriger Prozess.

Juni 2012: Die Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau gibt das Areal im Rahmen eines Ideenträgerwettbewerbs für den Wohnungsbau frei.

Mai 2013: Die Kommission für Bodenordnung gibt die Gerhörlosenschule und die Kita der Hanseatischen Baukonzept (HBK) zur Neuplanung anhand.

August 2013: Die Behörde für Schule und Berufsbildung gibt die Nutzung der Elbschule auf.

September 2014: Das Kollektive Zentrum belegt die Räumlichkeiten der Kindertagesstätte zur Zwischenmiete. Seither ist hier ein Raum für unkommerzielle Angebote und ein Umsonstladen entstanden, in dem die Nachbarn diskutieren, Kultur erleben. Auch ein Büro für Flüchtlingsarbeit ist eingerichtet worden.

Dezember 2014: Der Verkauf beider Objekte an den privaten Investor HBK wird beschlossen.

2016: Eigentumsübergabe von der Hansestadt an die HBK.

Die Stadt begründet die Kündigung damit, dass sie einer möglichen juristischen Auseinandersetzung mit ihrem Mieter Kunage vorbeugen wolle. Das solle sicherstellen, dass sie mit dem Abriss des Gebäudes spätestens im November 2016 beginnen könne, um ein Bauvorhaben wie geplant zu realisieren.

„Leider können wir nach den Bekundungen der vergangenen Monate nicht ausschließen, dass unsere Kündigung zu einer mietrechtlichen Auseinandersetzung führt“, heißt es in einem Schreiben, das der Quartiersverein von der Stadt erhielt.

Anfang September war im Münzviertel ein Großaufgebot der Polizei vor dem Gebäude des „Kollektiven Zentrums“ angerückt. Die angrenzende Norderstraße wurde für mehrere Stunden von der Polizei gesperrt. Hintergrund waren nach Angaben der Polizei Abrissarbeiten im Hinterhof sowie an dem angrenzenden Gebäude, der ehemaligen Gehörlosenschule. Stundenlang kreiste ein Polizeihubschrauber über dem Gebiet, auch ein Wasserwerfer war vor Ort.

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1 Kommentar

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  • Mich würden nähere Details interessieren. Es scheint so, dass es en vogue ist bei steigendendem Wohnraumdruck als erstes unliebsamen Bevölkerungsteilen auf den Leib zu rücken.