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Staatsschutz gegen EhrenamtlicheBei Enteignung kommt die Polizei

Wildes Plakatieren: Ehrenamtliche des Volksbegehrens Deutsche Wohnen Enteignen haben sich in den Fokus der Polizei Berlin geklebt.

So stellt sich die Polizei offenbar eine linksextreme Zusammenrottung vor Foto: imago/snapshot

Berlin taz | Wildes Plakatieren in Berlin ist eine Grauzone. Eigentlich wird es in der Regel als Ordnungswidrigkeit geahndet. Weil die Werbeflächen bei normalem Kulturleben nicht ausreichen oder teuer sind, ist wildes Plakatieren hier sogar ein Job. Es gibt Leute, die für Geld ohne Genehmigung Stromkästen, Laternenpfähle und Bauzäune bekleben. Werden sie vom Ordnungsamt erwischt, übernimmt ihr Arbeitgeber das Bußgeld. Das ist auch deswegen eine Grauzone, weil die Polizei es toleriert, nicht wahrnimmt oder ignoriert.

Mit diesem Gewohnheitsrecht plakatierter Stromkästen und dicker Posterschichten an Laternenpfählen hat die Polizei beim Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. Enteignen gebrochen: Plakate der Initiative wurden beschlagnahmt, die Personalien von 13 Personen aufgenommen. Sogar der für politische Kriminalität zuständige Staatsschutz ermittelt nach einer großen Plakatieraktion in mehreren Fällen wegen Sachbeschädigung, wie die Polizei der taz mittlerweile bestätigt hat. Es wird also härter gegen Ehrenamtliche eines laut Innenverwaltung rechtlich zulässigen Volksbegehrens ermittelt als gegen wilde Werber:innen. Warum?

Laut Polizei ermittelt der Staatsschutz, weil in der Vergangenheit „einzelne Wohnungsunternehmen, deren Repräsentanten, Infrastruktur und Fahrzeuge mehrfach durch Straftaten geschädigt worden“ seien, wobei „anhand von Selbstbezichtigungsschreiben ein linkspolitischer Motivationshintergrund“ festzustellen gewesen sei.

Die ehrenamtlichen Pla­ka­tie­re­r:in­nen werden also in inhaltliche Sippenhaft genommen: Bei den angeblichen Sachbeschädigungen durch Plakate werde ebenfalls von einem linkspolitischen Motivationshintergrund ausgegangen, so die Polizei. Und eine Sachbeschädigung liege deshalb vor, weil die Plakate nicht rückstandslos von den Untergründen zu entfernen seien. Sichergestellt habe die Polizei die Poster zur Gefahrenabwehr, wiederum auf „Anordnung vom Dauerdienst des polizeilichen Staatsschutzes“.

Polizei delegitimiert Volksbegehren

In mehreren Fällen ist die Polizei sogar wegen angeblicher Verstöße gegen die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eingeschritten – obwohl diese für Volksbegehren ausdrücklich Ausnahmen vorsieht. Die Erklärung der Polizei: Dienstkräfte hätten dies anders eingeschätzt, weil die Plakate nicht den Eindruck erweckt hätten, dass es sich um ein Volksbegehren handele – obwohl auf den meisten Plakat groß „Volksbegehren“ steht.

Im Prinzip delegitimiert die Polizei damit eine direktdemokratische Gesetzgebung. Merke: Sobald Plakate für Teile der Polizei irgendwie links riechen, gibt es Repressionen. Und statt einer Grauzone sieht die Polizei dann ganz schnell rot.

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3 Kommentare

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  • Die Polizei wird das kaum toleriert haben, die Masse wird man dort schlicht nicht bewältigt haben. Daraus jetzt einen Rechtsanspruch auf wildes Plakatieren abzuleiten zeugt schon von einer erheblichen Realitätsferne.

    • 0G
      01022 (Profil gelöscht)
      @Samvim:

      Fischer, Gesetzeskommenter zu StGB, § 303 Rn 6a: "Eine Sachbeschädigung entfällt jedoch bei minimalen Eingriffen (...) das kann uU auch bei bloßem Überkleben der Fall sein."

      • @01022 (Profil gelöscht):

        Richtig - "kann". Nicht "ist".

        Mal davon abgesehen zielte mein Kommentar auf das behauptete "Gewohnheitsrecht" ab (das es bei Straftaten gar nicht gibt).