„Staatspolitik-Institut“ der Neuen Rechten: „Political Correctness“ unerwünscht
In einem Dorf in Sachsen-Anhalt betreibt Götz Kubitschek die Denkfabrik der Neuen Rechten. Unser Autor hat dort mal geklingelt.
Die Steinhäuser des Rittergutes sind 700 Jahre alt. Ellen Kositza und Götz Kubitschek leben hier mit ihren sieben Kindern. Das Rittergut ist ihr Wohnhaus und ihre politische Zentrale. Kubitschek hat das Institut für Staatspolitik gegründet, außerdem ist er Chefredakteur des rechten Magazins Sezession. Kositza ist Autorin der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit und Redakteurin bei Sezession. Sie arbeitet unter Pseudonym, ihr richtiger Name ist Ellen Kubitschek, vor der Hochzeit Ellen Schenke.
Das Gespräch ist nicht verabredet. Aber der Sitz des Institutes für Staatspolitik ist bekannt, und so hat der Autor einfach am Haupthaus geklingelt und um ein Gespräch gebeten. „Warten Sie, ich frage meine Frau“, sagt Kubitschek. Er ist 45 Jahre alt, trägt die dunkelblonden Haare kurz rasiert und dazu einen eckigen Kinnbart. Nach kurzer Rücksprache bittet er freundlich ins Gebäude. „Auf einen Kaffee.“
Zuerst will er das Rittergut zeigen. Im Hinterhaus liegt das Lager seines Verlags Antaios – hier stehen Bücherregale, die bis an die Decke reichen. Der Verlag bietet auch Bücher mit Titeln wie „Wir Deutsche sind das Volk“ oder „Ansturm auf Europa“ an, die in der Schriftenreihe des Instituts für Staatspolitik erschienen sind. Oder auch „Gender ohne Ende“ aus der Edition Antaios, das Ellen Kositza selbst geschrieben hat.
Schwarz-goldenes Kreuz auf rotem Grund
Neben dem Lager befindet sich ein Saal, in dem Stühle im Kreis stehen, und ein Büro mit Schreibtischen und Papierstapeln. Das Institut für Staatspolitik hat gerade erst seine dreitägige Winterakademie zum Thema „Widerstand“ mit 130 Teilnehmern unter 35 Jahren ausgerichtet.
Im Garten weht eine Flagge mit schwarz-goldenem Kreuz auf rotem Grund. Josef Wirmer, ein Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, hat sie entworfen. Heute flattert die Fahne bei Aktionen von Pegida, den „Hooligans gegen Salafisten“, der AfD und der Initiative „Ein Prozent für unser Land“.
In der Küche ist es etwas dunkel. Licht fällt nur durch ein einziges Fenster. Im Mittelpunkt des Raumes stehen ein Sofa und ein Holztisch, darauf ein Kerzenständer in Form von Dreizacken, altnordischen Lebensrunen. Auf dem Kachelofen klebt ein Sticker von „Ein Prozent für unser Land“. Das ist die Initiative, die Götz Kubitschek kürzlich gegründet hat, gemeinsam mit dem Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer und dem Islamwissenschaftler Hans-Thomas Tillschneider, der für die AfD in Sachsen-Anhalt kandidiert. Kubitschek stellt sich darunter ein „Greenpeace für Deutsche“ vor.
Die Idee: Ein Prozent der Deutschen genügt, um die Stimmung im Land nachhaltig zu verändern. Die Menschen sollen Geld für die Initiative spenden, sie über die sozialen Netzwerke bekannter machen, an Kundgebungen gegen Flüchtlinge teilnehmen und sich an einer Massenklage gegen die Bundesregierung beteiligen. Die Initiative fordert Grenzsicherung, Abschiebung aller „bereits illegal Eingereisten“ und den Schutz des „Volks- und Privateigentums“.
„Wir sind im Aufwind“
Ellen Kositza bietet Kaffee an: „Mit Milch, mit Zucker?“ Sie reicht dem Autor einen Becher, auf dem die Buchstaben „PC“ durchgestrichen sind – hier gibt es keine „Political Correctness“. Die Hausherrin und der Hausherr nehmen an den einander gegenüber liegenden Stirnseiten des Tisches Platz. Sie zündet sich eine Zigarette an. Die langen blonden Haare trägt sie offen. „Wir sind im Aufwind, unsere Ideen finden großen Widerhall“, sagt sie. Und der Verlag wächst.
In einem Wald im Rheinland kämpfen RWE-Mitarbeiter und Baumbesetzer um die Energiewende – mit Schlagstöcken und Reizgas. Die Reportage aus dem Hambacher Forst lesen Sie in der taz.am wochenende vom 6./7. Februar. Außerdem: Was, wenn Putzen ein Kampf ist? Unser Autor hat fremde Menschen in seine Wohnung gebeten. Und: Dominic Musa Schmitz kiffte, feierte, hatte Sex. Mit 17 konvertierte er zum Islam – und ging in die salafistische Szene. Nach sechs Jahren stieg er aus. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Im Mai 2000 hatte Kubitschek zusammen mit Karlheinz Weißmann das Institut für Staatspolitik gegründet, obwohl beide wussten, dass sie mit ihren Ideen nicht in der Mitte der Gesellschaft ankommen würden. In der Jungen Freiheit erklärte Kubitschek vor der Gründung: „Wir beteiligen uns an einem Spiel.“ Und weiter: „Unsere vollkommen abgesicherte Gesellschaft wird durch unsere Warnrufe und Forderungen nicht berührt.“ Jetzt, fast 16 Jahre später, sehen sie ihre Zeit gekommen.
In den letzten Jahren verließen Kubitschek und Kositza ihre Schreibtische und halfen Pegida und der AfD, sich in der Gesellschaft zu etablieren. „Viel Kraft und Zeit“ haben sie in die „Konsolidierung dieser Bürgerbewegung“ gesteckt, schreibt Kubitschek in dem von ihnen beiden herausgegebenen Gesprächsband „Tristesse Droite. Die Abende von Schnellroda“. Sie hoffen auf einen rechten Aufstand. Ihr Ziel ist eine Gesellschaft, in der Menschen deutscher Abstammung das Volk bilden, Männer noch Männer und Frauen Frauen sind und beide die Grundlage einer jeden Familie bilden.
Gegen egalitäre Menschen- und Weltsicht
Herr Kubitschek, Frau Kositza, gehören Sie denn noch zur Neuen Rechten? „Was verstehen Sie unter dem Begriff?“, fragt Kubitschek zurück. Eine geistige Strömung, die sich auf die Konservative Revolution und den italienischen Faschismus bezieht, beides rechte Strömungen vor dem Nationalsozialismus, um im vorpolitischen Raum eine Metapolitik gegen eine egalitäre Menschen- und Weltsicht zu führen, antwortet der Autor. „Wir wollen nicht einfach eine Tradition weiterführen, die Konservative Revolution ist eher eine Leitbild“, sagt Kubitschek.
Fünf Minuten vom Rittergut entfernt liegt der Landgasthof Zum Schäfchen. Hier richtet das Institut für Staatspolitik seine größeren Veranstaltungen aus. Auf dem Rittergut, sagt Kubitschek, hätten sie nicht den Platz für die vielen Teilnehmer. „An die 5.000 Personen“, so Kositza, hätten über die Jahre mindestens an diesen Veranstaltungen teilgenommen.
Vor wenigen Wochen, im November 2015, hielt Björn Höcke, der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, in dem Landgasthof einen Vortrag: „Asyl. Eine politische Bestandsaufnahme“. Es war die Herbsttagung des Instituts für Staatspolitik. Ein Video des „Kanals Schnellroda“ auf YouTube hat den Auftritt dokumentiert. „Schnellroda ist eine Oase der geistigen Inspiration“, sagte Höcke dort.
Der „afrikanische Ausbreitungstyp“
Es sei für ihn „ein Labsal“, wenn er „hier sein darf, was viel zu selten vorkommt“. In seinem Vortrag sprach er über die „Reproduktionsstrategien“ eines „afrikanischen Ausbreitungstyps“ und einen „Bevölkerungsüberschuss Afrikas“. Er sagte: „Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern.“
Höcke und Kubitschek duzen sich, sie sollen sich seit 20 Jahren kennen. Auf dem Internetportal „Sezession im Netz“ schreibt Kubitschek, dass sie sich mit der Veröffentlichung der Rede Höckes keinen „guten Dienst erwiesen“ hätten, doch „diese Kongresse“ seien „Orte der freien Rede, des unfertigen Sprechens, des Versuchs eines Zurande-Kommens mit einer gegen unsere Nation gerichteten Wirklichkeit“.
Dass man in Deutschland nicht mehr über Einwanderung reden könne, ohne als Rassist zu gelten, das werfen Kubitschek und Kositza den 68ern und ihrem politischen Erbe vor. Und damit auch dem Autor. „Sie denunzieren mit Ihren Texten“, sagt Kositza. Die anfänglich nüchterne Gesprächsatmosphäre wird langsam angespannt. „Sie sind mitverantwortlich, dass Studenten in Leipzig bei Pegida auf ältere Menschen einschlagen oder in Dresden Autos von Pegida-Teilnehmern brennen“, sagt Kubitschek. Die Initiative „Ein Prozent für unser Land“ sei auch dafür da, diese Betroffenen zu unterstützen.
„Nicht satisfaktionsfähig“
Dass sie selbst mit ihren Texten einen Mob aufgestachelt haben, wollen sie als Argument nicht gelten lassen. „Ach, Sie sind doch gar nicht satisfaktionsfähig“, sagt Kubitschek. Ein altes Wort aus der Duellsprache. Bedeutet: Der Autor wird nicht für würdig befunden, sich mit Kubitschek zu duellieren.
„Haben Sie noch eine Frage?“, will Kubitschek wissen. „Wie reagieren die Leute im Dorf auf Ihr Institut?“ Im Ort, im Kindergarten, in den Vereinen fühlt sie sich freundlich akzeptiert, sagt Ellen Kositza und lächelt.
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