Staatskonzern in Dauerkrise: Wie die Bahn sich selbst kleinmacht
Der Kurs der Deutschen Bahn stößt bei fast allen Experten auf Unverständnis. Nun übt selbst die Bundesregierung harsche Kritik.
Am Wochenende hatte Enak Ferlemann (CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr, den Bahn-Vorstand in einem Interview heftig attackiert. „Wir sind besorgt darüber, wie der DB-Vorstand das System Bahn fährt. Mit der Leistung kann man nicht zufrieden sein“, sagte er. Die Bahn brauche eine Neustrukturierung. Bis März werde der Bahn-Vorstand ein entsprechendes Konzept vorlegen.
Bahnexperte Höft findet das einen „merkwürdigen Hilfeschrei“. „Der Bund könnte als Eigentümer der Bahn viel mehr Einfluss nehmen, als er es macht“, sagte er. Höft erwartet von dem geforderten Strategiepapier nicht viel. „Bei der Bahn wird viel zu zaghaft gedacht“, sagte er. Beispiel Oberleitungen: Statt langjährige Kosten-Nutzen-Rechnungen über die Rentabilität auf der jeweiligen Strecke anzustellen, müsse der Bau vorangetrieben werden. Denn die Oberleitung ersetze Dieselloks und sei auf jeden Fall eine wichtige Modernisierung.
„Es muss richtig, richtig Geld in die Hand genommen werden“, sagte Höft. Der Modernisierungsstau sei gewaltig, das Streckennetz müsse optimiert, Ausweichstrecken müssten eingerichtet und innovative Sicherungssysteme wie das European Train Control System (ETCS) breitflächig installiert werden. Doch die Bereitschaft dazu fehlt im Verkehrsministerium. „Man hat noch nicht begriffen, dass man vom Klein-Klein wegmuss“, sagte er. Die großen Themen wie das Klima, bei dem der Verkehrsbereich gewaltig hinterherhinke, gingen unter.
Stattdessen dominiert noch immer die Konzentration auf das Auto. Das kritisiert auch Matthias Kurzeck vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD). Die Ausbauplanung im Haushalt des Bundes für 2019 sehe für die Schiene ein Plus von 4 Prozent vor, die der Straße 56 Prozent. „So gelingt die Verkehrswende nicht“, sagte er. Neben Geldmangel sieht Kurzeck gravierende interne Probleme bei der Bahn. „Das ist ein Riesenkonzern, der übersichtlicher geordnet werden muss“, sagte er. Entscheidungen müssten stärker in die Regionen verlagert werden. Auch dass sich offenbar die erste und zweite Managementebene kräftig beharken, statt zu kooperieren. „Es muss besser zusammenlaufen“, sagte er. In diesem Sinne setze der VCD durchaus Hoffnung in das für März erwartete Strategiepapier des Vorstands.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken